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Vom Ende her denken?! Archäologie, Denkmalpflege, Planen und Bauen <Veranstaltung, 2014, Leipzig>; Winghart, Stefan [Editor]; Haspel, Jörg [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; ICOMOS / Deutsches Nationalkomitee [Editor]; CW Niemeyer Buchverlage GmbH [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Vom Ende her denken?!: Archäologie, Denkmalpflege, Planen und Bauen : Kolloquium des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS und des Deutschen Archäologischen Instituts in Kooperation mit der Bundesarchitektenkammer, dem Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege : Leipzig, 7. November 2014 = — Hameln: CW Niemeyer Buchverlage, Heft 46.2016

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Vom Ende her denken! Ziele und Konzepte des Deutschen Archäologischen
Instituts im Umgang mit archäologischen Denkmälern
Friederike Fless / Ulrike Wulf-Rheidt

„Wenn wir die Kulturgüter in der Welt schützen und
ihre materielle Identität bewahren, dann schützen
wir die Grundlagen des Menschseins", hat Bundes-
außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier in dem
Artikel „Was müssen wir tun, wenn Kultur zerstört
wird" im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen vom
15. Mai 2015 betont.1 Dass „Denkmale im Sinne der
Altertumskunde (...) als Zeugen der Vergangenheit"
von besonderem Wert für die Menschheit sind und ihre
Erhaltung daher im „öffentlichen Interesse" liegt, „bei
den hervorragendsten sogar im Interesse der ganzen
Welt", ist kein neuer Gedanke, sondern wurde zum
Beispiel bereits 1939 von dem Archäologen Theodor
Wiegand gefordert.2 Nachhaltig geschützt werden
kann aber nur, was gut gekannt wird. Daher muss
es bei Fragen des Kulturerhalts auf archäologischen
Stätten für das Deutsche Archäologische Institut
(DAI) zunächst darum gehen, die Baudenkmale der
Vergangenheit auf höchstem Niveau wissenschaftlich
zu erforschen, denn erst „durch Identifizierung, Aus-
grabung und Erforschung wird historische Bedeutung
offenbar".3 Das DAI mit seiner Zentrale in Berlin und
den zehn Abteilungen bzw. Kommissionen sowie
fünf Außen- und drei Forschungsstellen im In- und
Ausland ist derzeit in circa 40 Ländern mit über 100
aktiven Grabungen tätig. Neben den traditionellen
Schwerpunkten im Bereich des Mittelmeergebietes
und des Nahen Orients sind in den letzten Jahren
ganz neue Forschungslandschaften dazugekommen,
so zum Beispiel die eurasische Steppe, Ostasien und
hier vor allem China, wo eine weitere Außenstelle in
Peking aufgebaut wurde. Das DAI ist verstärkt auf
dem afrikanischen Kontinent und in Lateinamerika
tätig, und sogar die Osterinseln im Südostpazifik und
die Salomonen im Westpazifik sind Bestandteil des
Forschungsprogramms, eine weltweite Perspektive
von der Herkunft und der Existenz des Menschen und
seiner Umwelt zu erlangen.
Archäologische Denkmalpflege am DAI -
Voraussetzungen
So spannend und reizvoll die beschriebene Länder-
und Themenvielfalt ist, beim Schutz und der Präsen-
tation von Ausgrabungen stellt sie das DAI vor gro-
ße Herausforderungen. Denn seit dem Beginn der
ersten Großgrabungen zu Ende des 19,/Anfang
des 20. Jahrhunderts hat sich wenig geändert.
Ausgraben ist auch heute noch ein irreversibler

Prozess, bei dem archäologische Schichten und
manchmal auch Strukturen im Verlauf der Grabung
entfernt werden. Die ausgegrabenen Befunde sind
dann unmittelbar Umwelteinflüssen ausgesetzt, die
sukzessive zu Zerstörungen führen können.4 „Es gibt
kein antikes Baudenkmal, das unversehrt auf unsere
Zeit gekommen wäre", hat Theodor Wiegand 1939
richtig bemerkt.5 Was freigelegt wurde, ist zumeist in
einem ruinösen Zustand mit der Tendenz, sich weiter
aufzulösen.6 Oftmals sind ausgegrabene Mauern,
Säulen, Pfeiler usw. nicht standsicher, da sie nicht
mehr in ihrem ehemaligen statischen Gefüge stehen.
Besonders Bruchsteinmauern und Lehmmauerwerk
zerfallen in relativ kurzer Zeit. Fußböden, Mosaiken,
Wandmalereien und Stuckausstattungen sind ohne
erheblichen restauratorischen Aufwand kaum zu ret-
ten, wenn sie ungeschützt dem Einfluss von Regen,
Sonne, Frost und Wind ausgesetzt sind. Deshalb
„hat der Archäologe eben nicht nur die Rolle des
unabhängigen Wissenschaftlers, sondern durch sei-
ne Projekte übernimmt er auch Verantwortung"7 für
den Erhalt der Stätten, das heißt sie so nachhaltig zu
konservieren und zu präsentieren, dass sie auch zu-
künftigen Generationen zugänglich sind.8 Daher sind
weder die in Schönheit sterbende Ruine, wie sie in
der Romantik als Inbegriff der Vergänglichkeit allen
Menschenwerks galt,9 noch das „einfache Wieder-
zuschütten"10 gangbare Konzepte. Das DAI engagiert
sich aus diesem Grunde neben der wissenschaftlichen
Erforschung der Fundplätze - was immer zu seinen
Kernaufgaben gehören wird - schon seit Beginn der
Großgrabungen Ende des 19. Jahrhunderts auch für
den Erhalt und den Schutz des antiken Kulturerbes
und deren Vermittlung. So wurden zum Beispiel
am Heratempel in Olympia bereits 1905 von Georg
Kawerau zwei Säulen wiederhergestellt, die bei den
Ausgrabungen etwa noch zur Hälfte aufrecht stehend
angetroffen worden waren. Das Ensemble wurde
1970-1972 um die Wiederaufrichtung zweier weiterer
Säulen ergänzt, deren Substanz so besser geschützt
war, den Tempel in seiner räumlichen Struktur versteh-
bar und nebenbei zu einem sehr beliebten Fotomotiv
machten11 (Abb. 1). Man beschränkte sich dabei
bewusst auf eine partielle Wiederherstellung, da
bei diesem Tempel das Dach und der Dachstuhl aus
Holz und die Wände über den Orthostaten aus Lehm
bestanden und somit keine originale Substanz für
einen Wiederaufbau vorhanden war.12 Das Konzept
der Restaurierungsarbeiten in Olympia besteht bis
heute darin, „mit einem Maximum an originalen
 
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