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Vom Ende her denken?! Archäologie, Denkmalpflege, Planen und Bauen <Veranstaltung, 2014, Leipzig>; Winghart, Stefan [Hrsg.]; Haspel, Jörg [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; ICOMOS / Deutsches Nationalkomitee [Hrsg.]; CW Niemeyer Buchverlage GmbH [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Vom Ende her denken?!: Archäologie, Denkmalpflege, Planen und Bauen : Kolloquium des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS und des Deutschen Archäologischen Instituts in Kooperation mit der Bundesarchitektenkammer, dem Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege : Leipzig, 7. November 2014 = — Hameln: CW Niemeyer Buchverlage, Heft 46.2016

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Vom Ende her denken?!

Quo vadis, Bodendenkmalpflege?1

Michael M. Rind

Im Rahmen eines Impulsreferates die Frage nach dem
zukünftigen Weg der Bodendenkmalpflege oder gar
der Lösung der bundesweiten Probleme derselben
auch nur annähernd beantworten zu wollen, ist ein
aussichtsloses Unterfangen. Obwohl die bedeutende
Frage „Wohin wollen wir?" sicherlich berechtigt ist,
lässt sich diese angesichts der föderalen Strukturen in
der Bundesrepublik und der Kulturhoheit der Länder
nicht so einfach lösen. Zu unterschiedlich sind die Sys-
teme und die Denkmalschutzgesetze, auf deren Basis
die bodendenkmalpflegerische archäologische Arbeit
geleistet wird.
Bundesweit ist die Bodendenkmalpflege nicht immer
nur gut angesehen. Allein das zusammengesetzte
Substantiv ist sperrig, es setzt sich aus drei Kompo-
nenten zusammen: Boden, Denkmal und Pflege.
Häufig erfolgt der Zusatz: „archäologische Boden-
denkmalpflege". Das erste wichtige Wort „Boden"
beschreibt unser Archiv, das es einerseits zu schützen
gilt, das andererseits größtenteils aber durch gravie-
renden Flächenverbrauch, der meist mit Baumaß-
nahmen einhergeht, weiter kontinuierlich zerstört
wird. Was bleibt, ist oft nur die als Sekundärdenkmal
bezeichnete Dokumentation. Es gilt die Regel: Jede
Ausgrabung beinhaltet zugleich meist die Zerstörung
eines Bodendenkmals. Umständlich erscheint auch
das zweite Wort „Denkmal": ein sperriger Begriff, der
häufig in falschem Zusammenhang gebraucht wird
und mitunter zu Missverständnissen führt, versteht
doch jeder etwas anderes darunter, von Einzeldenk-
mälern wie Statuen (zum Beispiel Hermannsdenkmal
im Teutoburger Wald) über Baudenkmale bis hin zum
archäologischen Befund in situ oder zur volkskund-
lichen Erinnerungskultur. Das letzte Wort im zusam-
mengesetzten Nomen, die „Pflege", ist heutzutage
noch problematischer, weil es leider oft negativ belegt
ist. Den Begriff verknüpft man gerne mit Altenpflege
oder Pflegeversicherung, Komponenten im Sprachge-
brauch, die zum Teil unangenehme Verpflichtungen
assoziieren. Insofern wäre es für das Image unserer
Arbeit gut, wenn man Ersatzbegriffe fände, die posi-
tiver belegt sind.

Bodendenkmäler sind nach § 2, Abs. 5 Denkmal-
schutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSchG NRW) „...
unbewegliche oder bewegliche Denkmäler, die sich
im Boden befinden oder befanden ..." Außerdem
zählen auch Zeugnisse tierischen und pflanzlichen Le-
bens aus erdgeschichtlicher Zeit dazu. Der Schutz der
historischen Denkmalsubstanz und die Erhaltung und
Erschließung des Quellenwerts von ortsfesten Boden-
denkmalen und beweglichen Bodenfunden sind ein
konservatorisches Hauptanliegen der archäologischen
Denkmalpflege.
Planen und Bauen gehören zu den Instrumenten, die
der Bodendenkmalpflege zum Schutz und zur Vermitt-
lung des archäologischen Erbes zur Verfügung stehen.
Planung und Bauen stehen einerseits in natürlichem
Antagonismus zu einem Erhaltungsinteresse, können
andererseits aber auch wichtige Beiträge zum Bewah-
ren von archäologischen Denkmalen leisten. Architek-
tur akzentuiert und interpretiert die historische Aus-
sage von Bodenzeugnissen, sei es als Schutzbau, als
Bodenrelikte bergender Neubau, in Form einer infor-
mativen musealen Präsentation. Erhaltung ist immer
auch Gestaltung von Raum, und durch Gestaltung
erfolgt eine Kontextualisierung, die Bodenzeugnisse
und Geschichte für die Öffentlichkeit sichtbar macht
und dadurch sensibilisiert.
In einem Impulsreferat sollte man Ziele und Erwar-
tungen formulieren. Die Vortragenden sind ange-
halten, den Standpunkt ihrer Fachdisziplin präzise
darzustellen, gerne auch zuzuspitzen, auf keinen
Fall eine Sammlung von „best-practice" zu bieten,
sondern eher theoretisch und programmatisch aus
unterschiedlichen Perspektiven in die Veranstaltung
einzuführen. Das fällt angesichts des Themas Boden-
denkmalpflege schwer. Ein Grund dafür verbirgt sich
in der völlig unterschiedlichen Ausstattung derjenigen
Fachämter, die sich um die Bodendenkmalpflege in
den Bundesländern bemühen. Die im Föderalismus
verankerte Uneinheitlichkeit führt außerdem zum Teil
dazu, dass wichtige Anliegen der Bodendenkmalpfle-
ge wie zum Beispiel der Schutz archäologischer Bo-
dendenkmäler, die sich unter Wasser befinden, über-
regional schwer lösbar sind. So wurde bis heute die
UNESCO-Konvention zur Unterwasserarchäologie von
der Bundesrepublik Deutschland noch nicht ratifiziert.
 
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