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Wissen übertragen - Weltkulturerbe Kloster Lorsch
Eine Weltkulturstätte wird als topographische Abschrift nacherzählt
Lorenz Dexler/Thilo Folkerts
Die klassischen Schriften des Altertums sind als Ori-
ginale zum großen Teil verloren. Über das biblische
Paradies oder die Geschichtsschreibung des Herodot
wissen wir vor allem durch Abschriften, die in den
Skriptorien der mittelalterlichen Klöster erstellt wur-
den. Eines der wichtigsten Zentren dieser Neuauflage
des kulturellen Gedächtnisses war die Benediktiner-
abtei im südhessischen Lorsch unweit von Worms.
Als Kloster schon 1557 aufgehoben und seit 1991
als Weltkulturerbe anerkannt, teilt der Ort jedoch das
Schicksal der antiken Schriftstücke: Wenig an Origi-
nalsubstanz ist erhalten. Die vielzähligen Besucher fin-
den derzeit eine Torhalle aus dem 9. Jahrhundert vor
und einen Rest des Kirchengebäudes, das Zeugnisse
bisher ungezählter Bauperioden vom 8. bis zum 18.
Jahrhundert bewahrt. Als eines der letzten erhaltenen
karolingischen Bauwerke ist vor allem die Torhalle ein
wichtiges Zeugnis der nachrömischen Zeit nördlich der
Alpen. Der räumliche Kontext der historischen Klos-
teranlage hingegen ist baulich nicht mehr vorhanden.
Lesbar bleibt jedoch die spezifische Topographie des
Ortes. Nachdem der ursprüngliche Gründungsort, das
sogenannte Altenmünster, direkt am kleinen Fluss
Weschnitz aufgegeben wurde, wurde die karolingi-
sche Abtei ab 767 in Sichtweite auf einem Dünenrü-
cken errichtet und das Kloster mit einer Mauer um-
geben.
Topotek 1 und hg merz gewannen 2010 einen Wett-
bewerb zur szenographischen und landschaftsarchi-
tektonischen Aufwertung des Ortes, die seit 2013
in weiten Teilen umgesetzt wurde. Der Kerngedanke
dieses Entwurfes für die Neuordnung und Neugestal-
tung der Weltkulturerbestätte ist das Anschaulichma-
chen des Ortes als landschaftlicher Raum. Die Zielset-
zung ist, die Klosteranlage jenseits der objekthaften
Relikte zusammenhängend lesbar zu machen. Diese
gestalterische Strategie ermöglicht es auch, Gebäude
3 Ausgrabungsstätte auf dem Klostergelände. Dieter Lammers, Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg.
Wissen übertragen - Weltkulturerbe Kloster Lorsch
Eine Weltkulturstätte wird als topographische Abschrift nacherzählt
Lorenz Dexler/Thilo Folkerts
Die klassischen Schriften des Altertums sind als Ori-
ginale zum großen Teil verloren. Über das biblische
Paradies oder die Geschichtsschreibung des Herodot
wissen wir vor allem durch Abschriften, die in den
Skriptorien der mittelalterlichen Klöster erstellt wur-
den. Eines der wichtigsten Zentren dieser Neuauflage
des kulturellen Gedächtnisses war die Benediktiner-
abtei im südhessischen Lorsch unweit von Worms.
Als Kloster schon 1557 aufgehoben und seit 1991
als Weltkulturerbe anerkannt, teilt der Ort jedoch das
Schicksal der antiken Schriftstücke: Wenig an Origi-
nalsubstanz ist erhalten. Die vielzähligen Besucher fin-
den derzeit eine Torhalle aus dem 9. Jahrhundert vor
und einen Rest des Kirchengebäudes, das Zeugnisse
bisher ungezählter Bauperioden vom 8. bis zum 18.
Jahrhundert bewahrt. Als eines der letzten erhaltenen
karolingischen Bauwerke ist vor allem die Torhalle ein
wichtiges Zeugnis der nachrömischen Zeit nördlich der
Alpen. Der räumliche Kontext der historischen Klos-
teranlage hingegen ist baulich nicht mehr vorhanden.
Lesbar bleibt jedoch die spezifische Topographie des
Ortes. Nachdem der ursprüngliche Gründungsort, das
sogenannte Altenmünster, direkt am kleinen Fluss
Weschnitz aufgegeben wurde, wurde die karolingi-
sche Abtei ab 767 in Sichtweite auf einem Dünenrü-
cken errichtet und das Kloster mit einer Mauer um-
geben.
Topotek 1 und hg merz gewannen 2010 einen Wett-
bewerb zur szenographischen und landschaftsarchi-
tektonischen Aufwertung des Ortes, die seit 2013
in weiten Teilen umgesetzt wurde. Der Kerngedanke
dieses Entwurfes für die Neuordnung und Neugestal-
tung der Weltkulturerbestätte ist das Anschaulichma-
chen des Ortes als landschaftlicher Raum. Die Zielset-
zung ist, die Klosteranlage jenseits der objekthaften
Relikte zusammenhängend lesbar zu machen. Diese
gestalterische Strategie ermöglicht es auch, Gebäude
3 Ausgrabungsstätte auf dem Klostergelände. Dieter Lammers, Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg.