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Vom Ende her denken?!
ten, um die Aufgabenstellung detaillierter zu formu-
lieren und weiter zu entwickeln. Folgende Themen-
schwerpunkte sind dabei zu behandeln: baulicher und
baugeschichtlicher Hintergrund, städtebaulicher und
stadtplanerischer Kontext, Umgang mit den Resten
des Schlosses, bauliche Entwicklungsperspektiven, In-
vestitions- und Bewirtschaftungskosten."
Den Wettbewerb gewonnen hat das Büro ATELIER LO-
IDL Landschaftsarchitekten, Berlin/Solingen.
In der Beurteilung durch das Preisgericht zum Ent-
wurf des Gewinnerbeitrags heißt es unter anderem:
„Die Grundidee der Arbeit mit möglichst wenig Bau-
substanz eine hohe Massen- und Raumwirkung am
Ort des verlorenen barocken Schlosses zu erzeugen,
kann nachvollzogen werden und wird gewürdigt.
Das Zusammenwirken aus Masten und sich im Winde
bewegten hochwertigen Volants (Gardinen) lässt ein
starkes und zugleich poetisches Bild entstehen, das ei-
nen Ort mit hohem Wiedererkennungswert andeutet.
Die visuelle städtebauliche Verbindung von Stadt und
Schlossgarten ist gelungen. Die Flächenorganisation
des Entwurfes ist handwerklich gut vorgenommen."
Abschließend heißt es in der Beurteilung: „Als drin-
gend erforderlich wird seitens der Jury die Notwen-
digkeit gesehen, die technische, gestalterische und
wirtschaftliche Realisierbarkeit der vorgeschlagenen
Lösung nachzuweisen. Diese Forderung gilt auch ins-
besondere für den nachhaltigen Betrieb und die Be-
wirtschaftung."
Auch wenn das Wettbewerbsergebnis durch eine
Neustrelitzer Bürgerinitiative rundum abgelehnt wird,
so zeigt doch der Betrag des ersten Preisträgers, wie
man einen für Neustrelitz historisch und städtebaulich
wichtigen Ort gelungen in Szene setzen kann. Dass
darüber hinaus die Möglichkeit besteht, dass es bei
der Umsetzung zu keinem Verlust von archäologi-
schen Befunden kommt oder diese verfälscht werden,
spricht ebenfalls für diese Arbeit.
Beispiel: Archäologie und Gebäude -
Ulrich-Gabler-Haus, Lübeck
Bei dem Standort des Ulrich-Gabler-Hauses handelt es
sich um einen prominenten Ort in der Weltkulturer-
bestadt Lübeck, in unmittelbarer Nähe zur gotischen
Marienkirche. Seit 2009 ist die Ulrich-Gabler-Stiftung
Eigentümerin des Grundstücks, die der Aufgabe ent-
sprechend 2010 einen Architektenwettbewerb ausge-
lobt hatte. Den Wettbewerb hatte das Architekturbü-
ro Konermann Siegmund, Hamburg/Lübeck, gewon-
nen, das auch die weitere Planung realisierte.
Im März 1942 wurden nach Bombenangriffen unter
anderem sechs Gebäude an der Ecke Schüsselbuden/
Alfstraße zerstört. Nach dem Krieg war die Fläche viele
Jahre unbebaut. Bei archäologischen Ausgrabungen
in den 1980er Jahren sind auf der Brache historische
Keller aus verschiedenen Bauepochen vorgefunden
worden. So wurden zum Beispiel unter dem zerstör-
ten Eckgebäude Umfassungswände und Pfeilerstümp-
fe aus dem frühen 13. Jahrhundert entdeckt, die Be-
standteil des ältesten bekannten Saalgeschossbau-
werks Nordeuropas waren.
Das Ulrich-Gabler-Haus nimmt nach seiner Fertigstel-
lung im Jahr 2014 funktionell hauptsächlich Einrich-
tungen der Vorwerker Diakonie auf: Ladenflächen,
eine Schauweberei, eine Schautöpferei, eine Bon-
bonmanufaktur, eine Kaffeerösterei, eine Schule, eine
Kantine, ein Cafe. Etwa ein Drittel der Gesamtfläche
ist Bürofläche für die Polizei.
Bei dieser Nutzung - in Zusammenhang mit den kom-
plizierten Rahmenbedingungen - stellt sich schon die
Frage, wie es gelingen kann, eine dem Ort und der
Jetzt-Zeit angemessene städtebauliche und insbeson-
dere architektonische Lösung zu finden, die auch die
historischen Mauerfragmente erhält und gelungen in
das Architekturkonzept integriert.
Bereits mit der Auslobung des Architekturwettbe-
werbs war eine städtebauliche und architektonische
Bezugnahme auf die Stadtlandschaft mit ihren Giebel-
häusern und Ziegelfassaden gefordert. Vor dieser Prä-
misse haben die Architekten Konermann Siegmund
den Baukörper des Ulrich-Gabler-Hauses so gestaltet,
dass die historische Situation - mit leichten Vor- und
Rücksprüngen und sechs unterschiedlich steilen Gie-
beln -architektonisch nachempfunden wurde, jedoch
in einer zeitgemäßen Architektursprache. Zusätzlich
ist in dem Konzept die Idee aufgenommen worden,
die Fassade mit größeren Glasflächen zu öffnen, die
zielgenau Ein- und Ausblicke zulassen. Durch die so
im Erdgeschoss über Eck geführte Glasfront haben
auch Passanten die Möglichkeit einer freien Sicht in
das Untergeschoss mit den dortigen archäologischen
Befunden.
Zum Entwurfsgedanken, auch zu dem Umgang mit
den archäologischen Befunden, äußern sich die Ar-
chitekten in einen Interview mit dem Onlinemagazin
german-architects: „Das Gebäude soll sich selbstver-
ständlich und unaufdringlich in das besondere städte-
bauliche und historisch hoch aufgeladene Umfeld ein-
fügen. Überlieferte ortstypische Traditionen werden
sowohl formal als auch in der inneren Struktur aufge-
nommen und neu interpretiert. Die denkmalgeschütz-
ten Fragmente der Vorgängerbebauung (Kellerumfas-
sungswände, Pfeilerstümpfe) werden konzeptionell
genutzt: Keine spolienhafte Konservierung, sondern
Integration in einen möglichst öffentlich zugänglichen
Raum in annähernd historischer Kubatur, der auch
vom öffentlichen Straßenraum aus erlebbar ist und in
diesen ausstrahlt."
Weiter heiß es in dem Interview: „Der Entwurf be-
rücksichtigt die historischen Fragmente und integriert
Vom Ende her denken?!
ten, um die Aufgabenstellung detaillierter zu formu-
lieren und weiter zu entwickeln. Folgende Themen-
schwerpunkte sind dabei zu behandeln: baulicher und
baugeschichtlicher Hintergrund, städtebaulicher und
stadtplanerischer Kontext, Umgang mit den Resten
des Schlosses, bauliche Entwicklungsperspektiven, In-
vestitions- und Bewirtschaftungskosten."
Den Wettbewerb gewonnen hat das Büro ATELIER LO-
IDL Landschaftsarchitekten, Berlin/Solingen.
In der Beurteilung durch das Preisgericht zum Ent-
wurf des Gewinnerbeitrags heißt es unter anderem:
„Die Grundidee der Arbeit mit möglichst wenig Bau-
substanz eine hohe Massen- und Raumwirkung am
Ort des verlorenen barocken Schlosses zu erzeugen,
kann nachvollzogen werden und wird gewürdigt.
Das Zusammenwirken aus Masten und sich im Winde
bewegten hochwertigen Volants (Gardinen) lässt ein
starkes und zugleich poetisches Bild entstehen, das ei-
nen Ort mit hohem Wiedererkennungswert andeutet.
Die visuelle städtebauliche Verbindung von Stadt und
Schlossgarten ist gelungen. Die Flächenorganisation
des Entwurfes ist handwerklich gut vorgenommen."
Abschließend heißt es in der Beurteilung: „Als drin-
gend erforderlich wird seitens der Jury die Notwen-
digkeit gesehen, die technische, gestalterische und
wirtschaftliche Realisierbarkeit der vorgeschlagenen
Lösung nachzuweisen. Diese Forderung gilt auch ins-
besondere für den nachhaltigen Betrieb und die Be-
wirtschaftung."
Auch wenn das Wettbewerbsergebnis durch eine
Neustrelitzer Bürgerinitiative rundum abgelehnt wird,
so zeigt doch der Betrag des ersten Preisträgers, wie
man einen für Neustrelitz historisch und städtebaulich
wichtigen Ort gelungen in Szene setzen kann. Dass
darüber hinaus die Möglichkeit besteht, dass es bei
der Umsetzung zu keinem Verlust von archäologi-
schen Befunden kommt oder diese verfälscht werden,
spricht ebenfalls für diese Arbeit.
Beispiel: Archäologie und Gebäude -
Ulrich-Gabler-Haus, Lübeck
Bei dem Standort des Ulrich-Gabler-Hauses handelt es
sich um einen prominenten Ort in der Weltkulturer-
bestadt Lübeck, in unmittelbarer Nähe zur gotischen
Marienkirche. Seit 2009 ist die Ulrich-Gabler-Stiftung
Eigentümerin des Grundstücks, die der Aufgabe ent-
sprechend 2010 einen Architektenwettbewerb ausge-
lobt hatte. Den Wettbewerb hatte das Architekturbü-
ro Konermann Siegmund, Hamburg/Lübeck, gewon-
nen, das auch die weitere Planung realisierte.
Im März 1942 wurden nach Bombenangriffen unter
anderem sechs Gebäude an der Ecke Schüsselbuden/
Alfstraße zerstört. Nach dem Krieg war die Fläche viele
Jahre unbebaut. Bei archäologischen Ausgrabungen
in den 1980er Jahren sind auf der Brache historische
Keller aus verschiedenen Bauepochen vorgefunden
worden. So wurden zum Beispiel unter dem zerstör-
ten Eckgebäude Umfassungswände und Pfeilerstümp-
fe aus dem frühen 13. Jahrhundert entdeckt, die Be-
standteil des ältesten bekannten Saalgeschossbau-
werks Nordeuropas waren.
Das Ulrich-Gabler-Haus nimmt nach seiner Fertigstel-
lung im Jahr 2014 funktionell hauptsächlich Einrich-
tungen der Vorwerker Diakonie auf: Ladenflächen,
eine Schauweberei, eine Schautöpferei, eine Bon-
bonmanufaktur, eine Kaffeerösterei, eine Schule, eine
Kantine, ein Cafe. Etwa ein Drittel der Gesamtfläche
ist Bürofläche für die Polizei.
Bei dieser Nutzung - in Zusammenhang mit den kom-
plizierten Rahmenbedingungen - stellt sich schon die
Frage, wie es gelingen kann, eine dem Ort und der
Jetzt-Zeit angemessene städtebauliche und insbeson-
dere architektonische Lösung zu finden, die auch die
historischen Mauerfragmente erhält und gelungen in
das Architekturkonzept integriert.
Bereits mit der Auslobung des Architekturwettbe-
werbs war eine städtebauliche und architektonische
Bezugnahme auf die Stadtlandschaft mit ihren Giebel-
häusern und Ziegelfassaden gefordert. Vor dieser Prä-
misse haben die Architekten Konermann Siegmund
den Baukörper des Ulrich-Gabler-Hauses so gestaltet,
dass die historische Situation - mit leichten Vor- und
Rücksprüngen und sechs unterschiedlich steilen Gie-
beln -architektonisch nachempfunden wurde, jedoch
in einer zeitgemäßen Architektursprache. Zusätzlich
ist in dem Konzept die Idee aufgenommen worden,
die Fassade mit größeren Glasflächen zu öffnen, die
zielgenau Ein- und Ausblicke zulassen. Durch die so
im Erdgeschoss über Eck geführte Glasfront haben
auch Passanten die Möglichkeit einer freien Sicht in
das Untergeschoss mit den dortigen archäologischen
Befunden.
Zum Entwurfsgedanken, auch zu dem Umgang mit
den archäologischen Befunden, äußern sich die Ar-
chitekten in einen Interview mit dem Onlinemagazin
german-architects: „Das Gebäude soll sich selbstver-
ständlich und unaufdringlich in das besondere städte-
bauliche und historisch hoch aufgeladene Umfeld ein-
fügen. Überlieferte ortstypische Traditionen werden
sowohl formal als auch in der inneren Struktur aufge-
nommen und neu interpretiert. Die denkmalgeschütz-
ten Fragmente der Vorgängerbebauung (Kellerumfas-
sungswände, Pfeilerstümpfe) werden konzeptionell
genutzt: Keine spolienhafte Konservierung, sondern
Integration in einen möglichst öffentlich zugänglichen
Raum in annähernd historischer Kubatur, der auch
vom öffentlichen Straßenraum aus erlebbar ist und in
diesen ausstrahlt."
Weiter heiß es in dem Interview: „Der Entwurf be-
rücksichtigt die historischen Fragmente und integriert