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Vom Ende her denken?! Archäologie, Denkmalpflege, Planen und Bauen <Veranstaltung, 2014, Leipzig>; Winghart, Stefan [Editor]; Haspel, Jörg [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; ICOMOS / Deutsches Nationalkomitee [Editor]; CW Niemeyer Buchverlage GmbH [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Vom Ende her denken?!: Archäologie, Denkmalpflege, Planen und Bauen : Kolloquium des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS und des Deutschen Archäologischen Instituts in Kooperation mit der Bundesarchitektenkammer, dem Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege : Leipzig, 7. November 2014 = — Hameln: CW Niemeyer Buchverlage, Heft 46.2016

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Vom Ende her denken?!

In der Klosteranlage bildet die ablesbar gestaltete
Topographie der Düne mit einer gepflegten, überall
betretbaren Rasenoberfläche die zusammenhalten-
de Textur des Ortes. Die auch historisch freistehende
Torhalle erhält, als stadtseitiger Zugang zum Kloster,
einen umgebenden Bodenbelag, der sich als Linien-
gradation von Pflasterung zu Rasenfläche im Inneren
der Anlage transformiert. Inmitten des lockeren, aus-
gelichteten Baumbestands erfährt sich der Besucher
in einem kultivierten Park. Geschichte kann hier be-
gangen werden.
Anders als vormals gängige bauliche Vergegenwärti-
gungen, die auch in Lorsch in den 1980er Jahren an
Grabungsorten als Vermittlung vermeintlichen Wis-
sens erstellt wurden, basiert der neue Entwurf auf
der Sprache des Bodens. Der heute als gesichert an-
zusehende bauliche Umfang der Klosteranlage wird
mit topographischen Gesten nacherzählt, das ver-
lorene Volumen wird zu lesbarem Abdruck gekehrt.
Die Umrisse der Klosterkirche sowie die Klausur mit
dem Kreuzgang werden durch Aufhöhung des umlie-
genden Geländes als Abdrücke abgebildet. Mit einer
scharf gezogenen, etwa 35 cm hohen Böschungslinie
wird der Boden quasi zur Schrift gestochen. Die nun
als Abdruck präsenten Gebäudeumrisse machen das
Ausmaß der Klosteranlage und die Zusammenhänge
der wichtigsten Bauten im Raum wieder sichtbar.

Die neue Gestaltung versteht sich hierbei als Ausdruck
eines Verständnisses von Wissen als Prozess. Diese
Prozesshaftigkeit ist darüber hinaus auch in der Ent-
wicklung und Realisierung der Planung und Formge-
bung abzulesen. Diese wurden von den fortlaufenden
archäologischen Arbeiten begleitet und beeinflusst.
Die Klärung der Theorien im Zusammenhang mit den
Grabungen von Behn in den 1930er Jahren konnte
auch mithilfe baubegleitender Untersuchungen bei
punktuellen Eingriffen in den Boden (unter anderem
bei Baumpflanzungen oder Wegebau) fortgeführt
werden. Die gestalterische „Nacherzählung" diente
somit auch als Leitfaden für konkrete archäologische
Fragestellungen und entsprechende Untersuchungen.
Die Rekonstruktionszeichnungen und Grundrisse
nach Behn zwischen Klostermauer und Kirchengebäu-
de zeigen zum Beispiel ein sogenanntes Atrium, also
einen offenen, allseitig durch Gebäude umschlosse-
nen Raum, in dem frei die Königshalle steht. Such-
grabungen während der Entwurfsplanung konnten
die südliche Gebäudekante des Atriums nachweisen,
nicht jedoch die nördliche. Die ursprüngliche Absicht
des Wettbewerbsentwurfes, die die Königshalle um-
grenzenden Gebäude als Abdrücke zu zeigen, wurde
daher im Fortlauf der Planungen aufgegeben. Statt-
dessen wurde ein gestalterisches Element eingefügt,


7 Blick zum Kirchenfragment
Die zahlreichen Besucher finden derzeit ein Fragment des Kirchengebäudes vor, das Zeugnis bisher ungezählter Bauperioden
vom 8. bis zum 18. Jahrhundert und eine Torhalle aus dem 9. Jahrhundert bewahrt. Foto: Hanns Joosten.
 
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