Der Vorgang ist universaler als es zunächst den Anschein hat.
Aus lerntheoretisch fundierten Annahmen ist bekannt, daß die
Beobachtung der Abfolge von identischen oder einander ähn-
lichen Prozessen, Wiederholungen von Handlungssequenzen
also, die Bedeutung dieser Handlungssequenzen in den Au-
gen der Beobachter erhöht. Voraussetzung dabei sind Hin-
weise darauf, daß die Handlungssequenzen von Angehörigen
der eigenen Bezugsgruppen hoch bewertet werden. Dieser
Vorgang läßt sich auf Prozesse der Objektwahrnehmung über-
tragen. Je häufiger Reproduktionen auftauchen, als desto
bedeutsamer wird ihre Basis angesehen, sofern die Reproduk-
tionen im symbolischen Zusammenhang mit geschätzten
Menschen, mit Bezugspersonen also, stehen3. Reproduktio-
nen erhöhen die Bedeutung der Originale. Reproduktionen
können die Attraktivität von Originalen nicht ersetzen.
Mit den vorstehenden Annahmen läßt sich die Attraktivität von
Originalen weitgehend erklären; allerdings ist damit noch
nichts über die Inhalte des Interesses und nichts darüber aus-
gesagt, welche Klassen von Objekten betroffen sind und wel-
che Bedeutungen mit ihnen verknüpft werden.
Mit dem Versuch der Beantwortung dieser Frage können wir
davon ausgehen, daß Objekte und Artefakte selbst nicht die
Grundlage für das Interesse der Öffentlichkeit darstellen, son-
dern vielmehr umgekehrt: daß nämlich Originale als expressive
Symbole für hochbewertete Kulturmuster bezeichnet werden
können, die hiermit öffentliche Sichtbarkeit gewinnen; aller-
dings nur solange, wie die entsprechende kulturelle Grundlage
bestehen bleibt. „Expressiv“ bedeutet in diesem Zusammen-
hang, wie erinnerlich, daß ein Objekt weniger als Mittel zu
einem Zweck benutzt wird, sondern in seinen Anmutungsqua-
litäten selbst das Ziel der Anschauung oder Würdigung dar-
stellt. Charakteristisch für symbolhaft besetzte Objekte ist die
Eigentümlichkeit, daß der kulturelle Bedeutungsgehalt nur zu
einem spärlichen Teil und in Ausnahmefällen aus den Merkma-
len des betreffenden Objektes allein entzifferbar ist. Erst in der
Koppelung von Gegenstand und Objektinterpretation durch
Kulturträger und Meinungsführer für die eher am Rande kultur-
partizipierenden Menschen können Originale als Ursprung, als
augenfällige Hinweise auf dominierende und institutionell be-
deutsame Kulturwerte angeboten werden.
Aus der Symbolhaftigkeit von Originalen folgt weiterhin, daß
bei einem Wandel dominierender Kulturwerte symbolisierte
Inhalte von Objekten sich ebenfalls ändern können; und mit
ihnen ändert sich Bedeutungshorizont und Nutzung der ent-
sprechenden Gegenstände. Aus kulturellen werden kultur-
historische Objekte, sofern sie den Umschwung, also die Ab-
nahme ihrer eher instrumentellen Nutzung überleben; der glei-
che Vorgang kann sich mehrfach wiederholen, weil gerade
auch kulturhistorische Paradigmen von kulturellen Wandlungs-
vorgängen betroffen sind. Häufig wird in Erklärungsversuchen
zur angenommen hohen Valenz von Originalen ein auch heut-
zutage noch vorhandener magischer oder ihr numinoser Cha-
rakter angeführt; doch glaube ich, daß sich Autoren mit dieser
Auffassung täuschen oder aber das Wort „Magie“ im metapho-
rischen Sinne verwenden. Darüber hinaus verdeckt solche
Zuschreibung Zusammenhänge, die auf tiefgreifende kultu-
relle Wandlungsvorgänge hinweisen. Magische Bedeutung -
außerhalb idiosynkratischer Besetzungen - von Objekten
setzt ihre Benutzung im Sinne von Kultobjekten oder zumin-
dest ihre Einbettung in traditionale Kulte und Glaubensvorstel-
lungen voraus. Die heutige Wertschätzung von Originalen und
anderen authentischen Objekten wird aber weniger von Glau-
ben als von kodifizierten Wissensbestandteilen getragen. Die
Beziehung zu derartigen Objekten selbst bleibt für die Betrach-
ter indirekt; sie ist von „Bildung“, und genereller, von der kogni-
tiven Nähe zu Wissensbereichen abhängig, denen die betref-
fenden Objekte analytisch zugeordnet werden können. Die Zu-
schreibung von Objektbedeutungen ist gerade deswegen
nicht Sache des Betrachters, auch wenn es einer privaten Be-
deutungszuweisung bedarf, um nicht gleichgültig zu bleiben.
Kollektiv gesehen erfüllen ausdifferenzierte Instanzen wissens-
bezogener und professionalisierter Art diese Aufgabe; man
braucht also nicht Mitglied dieser Instanz zu sein (etwa Archäo-
loge, Denkmalpfleger, Museologe, Historiker), sondern ledig-
lich Empathie zu diesen Bereichen aufzuweisen. Die aber wird
in erster Linie über weiterführende Schulbildung vermittelt.
Objekthaftigkeit von Wissensbereichen stellt für den Betrach-
ter eher Hinweis auf den Realitätscharakter von Wissensbe-
ständen dar; darüber an anderer Stelle mehr.
Ein weltpolitisches Faktum scheint die Tendenz der Hinwen-
dung zum Original und zum „authentischen“ Objekt noch zu
verstärken. Im Zuge der Überführung instrumentaler Kultur-
objekte in expressive, also der wissensbezogenen Loslösung
von Objekten aus ihren traditionalen Nutzungen, wird eine ur-
sprünglich bedeutsame Eigenschaft von Objekten immer be-
deutungsloser, nämlich die symbolische Repräsentanz einer
Kultur als Träger der zeitgebundenen, politischen Ausrichtung
einer Gesellschaft. Solange dies der Fall ist, erfahren bei inter-
nationalen Feindseligkeiten oder auch bei politischen Revolu-
tionen im traditionellen Kontext die Haltung des Gegners kenn-
zeichnenden Symbole eine ebenso feindselige Bewertung.
Im wissensbezogenen Kontext hingegen ist aufgrund der Ver-
schiebung des symbolischen Gehaltes eine relativ konfliktfreie
expressive Nutzung möglich; dieser Tatbestand wurde be-
kanntlich von der frühen Politk der UNESCO erfolgreich dazu
benutzt, weltweit die Anerkennung der Kulturgeschichte aller
Nationen als gleicherweise bedeutungsvoll und im wertneutra-
len Sinn als gleichwertig zu unterstützen. Als Nebeneffekt ist
jedoch mit dieser Entwicklung eine zwar gewaltfreie, aber
durchaus vorhandene Konkurrenz um je authentische Objekte
aus den von objektbezogenen Wissenschaften kodifizierten
Bereichen verbunden. Als Folge wächst das kulturelle Prestige
eines Staates oder einer anderen Gebietskörperschaft mit
dem Besitz an weltweit bekannten Originalen; das Bestreben
von Kulturpolitikern, möglichst viele authentische Objekte aus-
weisen zu können, wird ebenfalls intensiver. Die hiermit ver-
bundene Ausdehnung des Interessentenkreises fördert die
Konkurrenz noch weiter; Konkurrenz ihrerseits fördert öffentli-
ches Interesse und Nachfrage. Zusammen genommen be-
deutet dies, daß Sammlungen mit Originalen außerhalb ihres
kulturhistorischen und kunstwissenschaftlichen Rahmens als
örtlich, regional oder national bestimmbaren Prestigezuwachs
und als Standortvorteil eingesetzt werden. Ausstellungen als
Mittel der Politik - die warnenden Kritiken daran haben bisher
keine Änderungen herbeiführen können.
Mit der allgemeinen Akzeptanz kulturhistorischer Objekte -
besser: dem Fehlen von Kontroversen hierüber - ist in der Be-
völkerung jedoch keineswegs eine ebenso allgemeine Bereit-
schaft zur Würdigung im fachlich gemeinten Sinne verbunden4.
Originale und authentische Objekte repräsentieren historische
Zusammenhänge, die jedoch selbst unsichtbar bleiben. Au-
thentizität von Objekten aber bezieht sich ausschließlich auf
derartige dem Laien unsichtbare Entstehungs- und frühere
Nutzungsbedingungen. Die nunmehrige Vereinzelung der Ob-
jekte wird vorzugsweise auf abstrakter Ebene aufgehoben;
fachwissenschaftlich gesteuerte Rekonstruktionen beziehen
sich auf kognitiven Nachvollzug vor allem historischer Pro-
zesse.
Dies bedeutet zunächst, daß die Würdigung von Kulturobjek-
ten Wissen voraussetzt, zumindest aber neben einem objekt-
bezogenen Minimalwissen das Von/ertrauen in Echtheit und
kulturelle Bedeutsamkeit des betreffenden Objektes. Mit die-
sem Tatbestand ist weiterhin die Eigenart verbunden, daß
Erlebniswert und Bildungsgehalt der Anschauung direkt von
Art und Ausmaß des Vorwissens eines Betrachters kulturhisto-
rischer Denkmale oder anderer Kulturobjekte abhängig ist.
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Aus lerntheoretisch fundierten Annahmen ist bekannt, daß die
Beobachtung der Abfolge von identischen oder einander ähn-
lichen Prozessen, Wiederholungen von Handlungssequenzen
also, die Bedeutung dieser Handlungssequenzen in den Au-
gen der Beobachter erhöht. Voraussetzung dabei sind Hin-
weise darauf, daß die Handlungssequenzen von Angehörigen
der eigenen Bezugsgruppen hoch bewertet werden. Dieser
Vorgang läßt sich auf Prozesse der Objektwahrnehmung über-
tragen. Je häufiger Reproduktionen auftauchen, als desto
bedeutsamer wird ihre Basis angesehen, sofern die Reproduk-
tionen im symbolischen Zusammenhang mit geschätzten
Menschen, mit Bezugspersonen also, stehen3. Reproduktio-
nen erhöhen die Bedeutung der Originale. Reproduktionen
können die Attraktivität von Originalen nicht ersetzen.
Mit den vorstehenden Annahmen läßt sich die Attraktivität von
Originalen weitgehend erklären; allerdings ist damit noch
nichts über die Inhalte des Interesses und nichts darüber aus-
gesagt, welche Klassen von Objekten betroffen sind und wel-
che Bedeutungen mit ihnen verknüpft werden.
Mit dem Versuch der Beantwortung dieser Frage können wir
davon ausgehen, daß Objekte und Artefakte selbst nicht die
Grundlage für das Interesse der Öffentlichkeit darstellen, son-
dern vielmehr umgekehrt: daß nämlich Originale als expressive
Symbole für hochbewertete Kulturmuster bezeichnet werden
können, die hiermit öffentliche Sichtbarkeit gewinnen; aller-
dings nur solange, wie die entsprechende kulturelle Grundlage
bestehen bleibt. „Expressiv“ bedeutet in diesem Zusammen-
hang, wie erinnerlich, daß ein Objekt weniger als Mittel zu
einem Zweck benutzt wird, sondern in seinen Anmutungsqua-
litäten selbst das Ziel der Anschauung oder Würdigung dar-
stellt. Charakteristisch für symbolhaft besetzte Objekte ist die
Eigentümlichkeit, daß der kulturelle Bedeutungsgehalt nur zu
einem spärlichen Teil und in Ausnahmefällen aus den Merkma-
len des betreffenden Objektes allein entzifferbar ist. Erst in der
Koppelung von Gegenstand und Objektinterpretation durch
Kulturträger und Meinungsführer für die eher am Rande kultur-
partizipierenden Menschen können Originale als Ursprung, als
augenfällige Hinweise auf dominierende und institutionell be-
deutsame Kulturwerte angeboten werden.
Aus der Symbolhaftigkeit von Originalen folgt weiterhin, daß
bei einem Wandel dominierender Kulturwerte symbolisierte
Inhalte von Objekten sich ebenfalls ändern können; und mit
ihnen ändert sich Bedeutungshorizont und Nutzung der ent-
sprechenden Gegenstände. Aus kulturellen werden kultur-
historische Objekte, sofern sie den Umschwung, also die Ab-
nahme ihrer eher instrumentellen Nutzung überleben; der glei-
che Vorgang kann sich mehrfach wiederholen, weil gerade
auch kulturhistorische Paradigmen von kulturellen Wandlungs-
vorgängen betroffen sind. Häufig wird in Erklärungsversuchen
zur angenommen hohen Valenz von Originalen ein auch heut-
zutage noch vorhandener magischer oder ihr numinoser Cha-
rakter angeführt; doch glaube ich, daß sich Autoren mit dieser
Auffassung täuschen oder aber das Wort „Magie“ im metapho-
rischen Sinne verwenden. Darüber hinaus verdeckt solche
Zuschreibung Zusammenhänge, die auf tiefgreifende kultu-
relle Wandlungsvorgänge hinweisen. Magische Bedeutung -
außerhalb idiosynkratischer Besetzungen - von Objekten
setzt ihre Benutzung im Sinne von Kultobjekten oder zumin-
dest ihre Einbettung in traditionale Kulte und Glaubensvorstel-
lungen voraus. Die heutige Wertschätzung von Originalen und
anderen authentischen Objekten wird aber weniger von Glau-
ben als von kodifizierten Wissensbestandteilen getragen. Die
Beziehung zu derartigen Objekten selbst bleibt für die Betrach-
ter indirekt; sie ist von „Bildung“, und genereller, von der kogni-
tiven Nähe zu Wissensbereichen abhängig, denen die betref-
fenden Objekte analytisch zugeordnet werden können. Die Zu-
schreibung von Objektbedeutungen ist gerade deswegen
nicht Sache des Betrachters, auch wenn es einer privaten Be-
deutungszuweisung bedarf, um nicht gleichgültig zu bleiben.
Kollektiv gesehen erfüllen ausdifferenzierte Instanzen wissens-
bezogener und professionalisierter Art diese Aufgabe; man
braucht also nicht Mitglied dieser Instanz zu sein (etwa Archäo-
loge, Denkmalpfleger, Museologe, Historiker), sondern ledig-
lich Empathie zu diesen Bereichen aufzuweisen. Die aber wird
in erster Linie über weiterführende Schulbildung vermittelt.
Objekthaftigkeit von Wissensbereichen stellt für den Betrach-
ter eher Hinweis auf den Realitätscharakter von Wissensbe-
ständen dar; darüber an anderer Stelle mehr.
Ein weltpolitisches Faktum scheint die Tendenz der Hinwen-
dung zum Original und zum „authentischen“ Objekt noch zu
verstärken. Im Zuge der Überführung instrumentaler Kultur-
objekte in expressive, also der wissensbezogenen Loslösung
von Objekten aus ihren traditionalen Nutzungen, wird eine ur-
sprünglich bedeutsame Eigenschaft von Objekten immer be-
deutungsloser, nämlich die symbolische Repräsentanz einer
Kultur als Träger der zeitgebundenen, politischen Ausrichtung
einer Gesellschaft. Solange dies der Fall ist, erfahren bei inter-
nationalen Feindseligkeiten oder auch bei politischen Revolu-
tionen im traditionellen Kontext die Haltung des Gegners kenn-
zeichnenden Symbole eine ebenso feindselige Bewertung.
Im wissensbezogenen Kontext hingegen ist aufgrund der Ver-
schiebung des symbolischen Gehaltes eine relativ konfliktfreie
expressive Nutzung möglich; dieser Tatbestand wurde be-
kanntlich von der frühen Politk der UNESCO erfolgreich dazu
benutzt, weltweit die Anerkennung der Kulturgeschichte aller
Nationen als gleicherweise bedeutungsvoll und im wertneutra-
len Sinn als gleichwertig zu unterstützen. Als Nebeneffekt ist
jedoch mit dieser Entwicklung eine zwar gewaltfreie, aber
durchaus vorhandene Konkurrenz um je authentische Objekte
aus den von objektbezogenen Wissenschaften kodifizierten
Bereichen verbunden. Als Folge wächst das kulturelle Prestige
eines Staates oder einer anderen Gebietskörperschaft mit
dem Besitz an weltweit bekannten Originalen; das Bestreben
von Kulturpolitikern, möglichst viele authentische Objekte aus-
weisen zu können, wird ebenfalls intensiver. Die hiermit ver-
bundene Ausdehnung des Interessentenkreises fördert die
Konkurrenz noch weiter; Konkurrenz ihrerseits fördert öffentli-
ches Interesse und Nachfrage. Zusammen genommen be-
deutet dies, daß Sammlungen mit Originalen außerhalb ihres
kulturhistorischen und kunstwissenschaftlichen Rahmens als
örtlich, regional oder national bestimmbaren Prestigezuwachs
und als Standortvorteil eingesetzt werden. Ausstellungen als
Mittel der Politik - die warnenden Kritiken daran haben bisher
keine Änderungen herbeiführen können.
Mit der allgemeinen Akzeptanz kulturhistorischer Objekte -
besser: dem Fehlen von Kontroversen hierüber - ist in der Be-
völkerung jedoch keineswegs eine ebenso allgemeine Bereit-
schaft zur Würdigung im fachlich gemeinten Sinne verbunden4.
Originale und authentische Objekte repräsentieren historische
Zusammenhänge, die jedoch selbst unsichtbar bleiben. Au-
thentizität von Objekten aber bezieht sich ausschließlich auf
derartige dem Laien unsichtbare Entstehungs- und frühere
Nutzungsbedingungen. Die nunmehrige Vereinzelung der Ob-
jekte wird vorzugsweise auf abstrakter Ebene aufgehoben;
fachwissenschaftlich gesteuerte Rekonstruktionen beziehen
sich auf kognitiven Nachvollzug vor allem historischer Pro-
zesse.
Dies bedeutet zunächst, daß die Würdigung von Kulturobjek-
ten Wissen voraussetzt, zumindest aber neben einem objekt-
bezogenen Minimalwissen das Von/ertrauen in Echtheit und
kulturelle Bedeutsamkeit des betreffenden Objektes. Mit die-
sem Tatbestand ist weiterhin die Eigenart verbunden, daß
Erlebniswert und Bildungsgehalt der Anschauung direkt von
Art und Ausmaß des Vorwissens eines Betrachters kulturhisto-
rischer Denkmale oder anderer Kulturobjekte abhängig ist.
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