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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Umgang mit dem Original — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 7.1988

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Terlau-Friemann, Karoline; Grote, Rolf-Jürgen; Kruse, Karl Bernhard; Schumacher, Martin; Maier, Konrad: Bestandsaufnahme und Voruntersuchung als Grundlage der Denkmalerkenntnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.51140#0041
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Bestandsaufnahme und Voruntersuchung
als Grundlage der Denkmalerkenntnis
Patrizierhaus Am Ochsenmarkt 1
KarolineTerlau-Friemann/Rolf-Jürgen Grote/Karl Bernhard Kruse/Martin Schumacher

Vier Vorträge der an den Voruntersuchungen maßgeblich
beteiligten Denkmalpfleger und Restauratoren bereiteten die
anschließende Besichtigung des Objektes vor. Einführend gab
Frau Terlau-Friemann einen Beitrag zur Hausforschung im Zu-
sammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt
und erläuterte am Beispiel des Gebäudes Am Ochsenmarkt 1
die Typologie Lüneburger Patrizierhäuser. Schumacher trug
die Ergebnisse der Baubestandsaufnahme vor; Kruse gab
einen Einblick in die archäologische Bauforschung, die die
Chronologie der einzelnen Bauphasen ermöglicht. Anschlie-
ßend referierte Grote zur restauratorischen Voruntersuchung
des Hauses, dargestellt an der qualitätvollen Ausmalung der
Räume aus der Zeit vom 16. bis 19. Jahrhundert.
Einführung
Das Stadtbild Lüneburgs wird auch heute noch durch die statt-
lichen Wohnhäuser der einstigen Patriziergeschlechter ge-
prägt, die vor allem durch ihre Beteiligung an dem gewinnbrin-
genden Geschäft der Salzgewinnung und des Salzhandels zu
Reichtum und Einfluß gelangten.
Das sich aus den Salinenpächtern entwickelte Patriziat bildete
über eine lange Zeit eine feste soziale Basis, aus der heraus
neue Impulse wachsen konnten. Diese soziale Oberschicht
bildete eine Konstante. Verdeutlicht wird dies auch durch die
jahrhundertelang in einem Besitz befindlichen Grundstücke.
Das auf diesen Grundstücken errichtete Haus wird als Stamm-
haus der Familie angesehen, das von einer Generation auf die
andere übertragen und als Objekt erhalten bleibt, alsoTradition
demonstriert. In der baulichen Erscheinung drückt sich dieser
Gedanke durch das Pflegen des alten Hauptgebäudes aus.
Die teilweise aus dem 14. Jahrhundert stammenden Gebäude
wurden später nicht abgebrochen, sondern durch Umbauten
den neuen Bedürfnissen angepaßt. Bei den Nebengebäuden
verfuhr man anders. Hier war man gern bereit, ein funktional
und ästhetisch überholtes Gebäude durch ein neues zu erset-
zen und es prunkvoll auszustatten. Diese giebelständigen
Hauptgebäude wurden als Zeichen der Rechts- und Macht-
kontinuität beibehalten, und es wird damit ein adelsähnliches
Verhalten im Patriziat gezeigt.
Die Annäherung an adelige Lebensformen zeigt sich auch in
dem Besitz von Hauskapellen und von größeren Gütern, die
die Patrizier vor der Stadt besaßen. Sie dienten nicht nur der
Kapitalanlage, sondern waren auch für Wohnzwecke herge-
richtet. Für Mußestunden besaßen die Patrizier ferner ihre
Sommer-, Lust- oder Gartenhäuser. Der wirtschaftliche Nie-
dergang der Saline, der sich bereits in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts ankündigte, schränkte die finanzielle Kraft
des Lüneburger Patriziats und des Bürgertums ein und
hemmte damit auch die Bautätigkeit, die, abgesehen von ein-
zelnen neuen Flügelbauten und einigen Umbauten im 17. Jahr-
hundert, fast völlig erlahmte1.
Eine der bedeutendsten Familien waren die von Witzendorffs,
deren Stammhaus gegenüber dem Rathaus, Am Ochsen-
markt, auf dem heutigen Grundstück Nr. 1 liegt. Für diese

Stelle erwähnt der Chronist Lucas Lossius 1566 ein „neues,
geräumiges Haus" des Hartwig Witzendorff.
Bei der Vorbereitung von Baumaßnahmen sind seit Herbst
1985 in diesem Hause überraschend reiche und kulturge-
schichtlich seltene Malereibefunde zutage getreten. Wegen
der Weitläufigkeit des Gebäudes und der im Verlauf der Arbei-
ten in dichter Folge auftretenden Freilegungsbefunde gestal-
tete sich die flächendeckende restauratorische Voruntersu-
chung sehr zeitaufwendig. Schon bald wurde klar, daß nur
eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Bauforschung und
Bauarchäologie eine zutreffende Deutung und Einordnung der
komplexen Wandmalereibefunde gewährleisten kann. Dem
sich rasch konstituierenden objektbezogenen Team gelang es
in einer optimalen personellen, räumlichen und zeitlichen Zu-
sammenarbeit, viele noch ausstehende Fragen zu klären, vor
allem aber, den engen Zusammenhang zwischen Architektur
und Malerei während der verschiedenen Bau- und Umbau-
phasen des Hauses in den Grundzügen zu erkennen und dar-


1 Lüneburg, Patrizierhaus Am Ochsenmarkt 1.

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