Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Umgang mit dem Original — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 7.1988

DOI article:
Weidner, H. P. C.: Umgang mit dem Original
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51140#0040
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Doch bewahren nur solche Gesamtbezüge, wie sie uns in
einem Denkmalbereich entgegentreten, das Denkmal vor
irritierender, seine Denkmalaussage verfälschender Isolierung.
Erst durch die in solchen räumlich-ästhetischen Bezügen ge-
gebene historische Dimension wird das Denkmal eine ver-
ständliche geschichtliche Größe. Ohne die Geschichte seines
Standortes, seiner Umgebung, seines Ortes bleibt die Infor-
mation des Denkmals Stückwerk und unterliegt der Gefahr der
Fehlinterpretation, ja der Verfälschung.
Ein Gedanke zum Abschluß: Auch Denkmalpflege ist Teil von
Geschichte. Die Erfolge wie die Niederlagen des Denkmal-
pflegers werden irgendwann geschichtliche Tatsachen, auch
die Verstöße gegen denkmalpflegerische Grundsätze oder der
Ersatz des Originals: der Nachfolgebau begründet wieder
Originalität, mit der der Denkmalpfleger sich zukünftig ausein-
andersetzen muß. Das ist kein Aufruf zu Gleichmut oder Des-
engagement, vielleicht aber ein Trost.
Hausmann hat mit seiner Zerstörung des mittelalterlichen
Paris in beklagenswerter Weise unermeßliche Kulturwerte zer-
stört. Wer wollte aber deshalb dem Hausmann’schen Paris
den Schutz verwehren?
Ein solcher Schutz wird heute überwiegend durch rechtliche
Regelungen gewährleistet. Sie schaffen eine Art Chancen-
gleichheit für die Bewahrung des Alten gegenüber dem Drang
zum Neuen. Sie sind Spielregeln im politischen Alltagsge-
schäft, aber nicht Selbstzweck. Wo die Überzeugungskraft
des Originals unterstützt durch die begründende Argumenta-
tion des Konservators nicht deutliche Wirkung zeigt, wo eine

Mehrheit der fachlichen Empfehlung nicht folgt, sollten, ja
müssen wir da nicht akzeptieren, daß jede Zeit auch ein Recht
auf seine Entfaltung und damit auf eigene „Originalität“ hat?
Umgang mit dem Original bedeutet für den Denkmalpfleger
Bemühen um weitestgehende Erhaltung. Aber auch dann,
wenn Veränderung erforderlich ist, Wandel eintritt und das Ori-
ginal aufgegeben werden muß, fordert ein solches Umgehen
mit dem Original Auseinandersetzung mit Geschichte und
Suche nach einer zukunftsfähigen Lösung für die Probleme,
die das Original bedrängen.

Anmerkungen
1 Tilmann Breuer, Baudenkmalkunde, Versuch einer Systematik, in:
Denkmalinventarisation in Bayern (= Arbeitsheft 9 des Bayerischen
Landesamtes für Denkmalpflege), München 1981.
2 Vgl. Alois Riegl, Der moderne Denkmalkultus (1903) in: Gesammelte
Aufsätze, Augsburg und Wien 1929. Aber auch schon John Ruskin,
The seven Lamps of Architecture, 1849, hier das Kapitel „The Lamp
of Memory“; deutsch: „Die sieben Leuchter der Baukunst“, Leipzig
1900.
3 Willibald Sauerländer, Erweiterung des Denkmalbegriffs? in: Denk-
malpflege 1975, Dokumentation der Jahrestagung der Vereinigung
der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland,
Goslar, 15.-20. Juni 1975, Hannover 1976.
4 Umberto Eco, Eröffnungsvortrag 16. 9. 1986 auf dem Internationa-
len Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, zitiert nach
„Streichholzbrief, Scheinbar echt also falsch“ in der Wochenzeitung
Die Zeit, Hamburg 1986.

38
 
Annotationen