I Lüneburg, Rathaus. Grundriß Hauptgeschoß.
(1 Gewandhaus, 2 Gerichtslaube (ältester Ratssaal), 3 Alte Kanzlei,
4 Fürstensaal (über 1 und 3), 5 Stadtwaage, 6 Richthaus, 7 Altes Ar-
chiv, 8 Bürgermeisterkörkammer, 9 Laube, 10 Kämmerei (Schreiberei),
II Große Kommissionsstube, 12 Kleine Kommissionsstube, 13 Große
Ratsstube, 14 Grüne Tür, 15 Huldigungssaal, 16 Traubensaal, 17 Ar-
chiv).
beiwand erhielt dagegen massive Schrägpfeiler. Die erwähn-
ten Spannbalken, die im übrigen, wie Georg Dombrowski er-
mittelte, Bestandteile des Dachwerkes waren 4, wurden teil-
weise erneuert und mit neuen Mauerankern versehen. Die
Flachtonnen des Gewölbes im Erdgeschoß sicherte man
durch Holzabstützungen.
Vieles an diesen Maßnahmen hatte provisorischen Charakter
und konnte weitere Schäden nicht verhindern. Wegen der
erwähnten Funktionslosigkeit des Baus wurden nur die aller-
notwendigsten Sicherungen vorgenommen, um die Substanz
einigermaßen zu erhalten.
Im Jahre 1853 wurde Stadtbau meister Holste vom Magistrat
erneut aufgefordert, einen Bericht über den Zustand der
Laube, insbesondere der südlichen Giebelseite, vorzulegen.
Aus der gemeinsam mit dem Kunstmaler Horn und dem Mau-
rermeister v.d. Heyde durchgeführten Untersuchung ergaben
sich die folgenden Vorschläge:
1. „Stilgerechte“ Erneuerung der Rippen, Einfassungen und
des Maßwerks der drei südlichen Fenster, nachdem die far-
bigen Scheiben entfernt worden waren. Restaurierung der
Glasmalereien an Süd- und Ostfenstern.
2. Der eingedrückte Spitzbogen über den mittleren Fenster
sollte neu eingespannt werden.
3. Zur Sicherung des ausgewichenen Giebels war ein Anker
über dessen ganze Breite vorgesehen.
4. Unter den Fenstern sei außen das verwitterte Mauerwerk zu
erneuern.
Den notwendigen Ersatz der hölzernen Verstrebungen durch
massive Strebepfeiler sah Holste für die Mitte der 60iger Jahre
vor und glaubte damit, den Abschluß der Restaurierung vor-
aussehen zu können.
Holstes Kostenvoranschlag wurde in Magistrat und Bürgervor-
steherkollegium offenbar heftig diskutiert. Der herbeigeführte
Beschluß liest sich dann so: „Bei Abstimmung über die Frage,
ob lediglich die Glasmalerei oderauch das ganze Baustück zu
erhalten und für den letzteren Fall für das laufende Jahr statt
des bisher im allgemeinen bewilligten die Summe von 714 Rth.
2 ggr. und nach Ablauf von etwa 15 Jahren für vier massive
Strebepfeiler die Summe von 581 Rth. 6 ggr. zu bewilligen sei,
waren abgesehen von dem Herrn Oberbürgermeister, welcher
erklärte, daß, so sehr er das ganze Baustück erhalten zu
sehen wünsche, doch die Verwendung der gedachten
Summe seiner Überzeugung nach der Stadtcasse bei deren
dermaligen Zustande nicht angesonnen werden könne, beide
Collegien darüber einig, daß nicht nur die Glasmalerei, son-
dern das ganze Baustück zu erhalten und für dasselbe zu-
nächst für das Jahr 1853 die Summe von 714 Rtl. 2 ggr. aus der
Stadt-Gasse zu bewilligen sei und wurde solches durch Ab-
stimmung zum gemeinsamen Beschlüsse erhoben“5.
Der Beschluß der städtischen Kollegien war nicht nur weitsich-
tig, sondern auch folgenreich für die Umgestaltung des Rat-
hauskomplexes.
In den Jahren 1860 bis 1863 wurden die Gebäude zwischen
der Südseite des Rathauses und der anschließenden Waage-
straße abgebrochen, um eben jene zu verbreitern und dem
Rathaus auf dieser Seite ein neues Gesicht zu geben. Zu die-
sem Zweck wurde übrigens auch die Stadtwaage von vor
1375 geopfert. Daß der Nachfolger von Stadtbaumeister Hol-
ste, Eduard Friedrich August Maske, ein Schüler des einflußrei-
chen Hase, der vorhandenen mittelalterlichen Bausubstanz
mit seinen Renovierungsplänen in keiner Weise gerecht
wurde, läßt sich leicht erkennen. Die Verwendung von gelben,
teilweise glasierten, kleinformatigen Maschinenziegeln und
Sandstein für die Sohlbänke und andere Architekturteile band
die Gerichtslaube und die neue Mauer des Rathaushofes nicht
in das Vorgegebene ein, sondern hob sie heraus. Der relativ
schlichte Giebel der Laube wurde durch seitliche Fialen und
eine Kreuzblume an seiner Spitze verunziert. Übrigens stellte
sich bei den Fassadenarbeiten heraus, daß weitere Siche-
rungsmaßnahmen wie Verstärkung des Dachwerks und Neu-
eindeckung des Daches vorgenommen werden mußten. Kalk,
der aus dem Dachstuhl auf die Holztonne der Laube gefallen
und sich hinter den Wandpaneelen angesammelt hatte, mußte
entfernt werden, da er bereits zu einer teilweisen Ablösung der-
selben geführt hatte.
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