preßten Mauerwerksbereiche. Nur in Einzelfällen ist es mög-
lich, schwach verpreßte Bauteile durch ein ausreichend be-
messenes neues Vormauerwerk vor eindringendem Wasser zu
schützen. Es ist außerordentlich schwierig, den Umfang der
Verteilungsintensität des Injektionsgutes im Mauerwerk festzu -
stellen, das sich in aller Regel auch an seinerzeit nicht verpraß-
ten Mauerwerksbereichen findet.
Im Bereich unserer Landeskirche sind etwa 45 Kirchen oder
Kirchtürme derzeit von Treibmineralschäden betroffen. Seit
etwafünf Jahren werden die sehr kostenaufwendigen Instand-
setzungsarbeiten nach Maßgabe der immer knapper werden-
den Finanzierungsmittel betrieben. Dabei konnte es in Einzel-
fällen nicht ausbleiben, zu untersuchen, ob nicht die Aufgabe
einzelner Kirchtürme zwangsläufig ist. Die Beurteilung der
bodenmechanischen Verhältnisse ergab jedoch, daß die sich
infolge eines Abrisses ergebende Hebung des Baugrundes
zerstörende Wirkung auf die nebenstehenden Kirchen gehabt
hätte.
Einzelne Beispiele
- Kirchturm Altenbruch, um 1200, Turmerhöhung 15. Jahr-
hundert, umfangreiche Ausbesserungen 15., 17. und 19.
Jahrhundert, Verpressung, Instandsetzung durch Erneue-
rung des gesamten äußeren Mauerwerkes (Entfernung und
Ersatz der Ausbesserungsphasen mittels Gipsmörtel im
17. Jahrhundert) Erhalt der bemerkenswerten Doppelturm-
anlage im Orts- und Landschaftsbild sowie der überkom-
menen Bauteile aus der Entstehungszeit im Turminneren.
- Kirchturm Hollern, 13. Jahrhundert, vielfache Ausbesserun-
gen, Verpressung, Instandsetzung durch Herstellung eines
hinterlüfteten Vormauerwerkes in der Ebene des ursprüng-
lichen Mauerwerkes, Unterfangung und Neugründung. Er-
halt im Orts- und Landschaftsbild sowie der überkomme-
nen Bauteile im Turminneren.
- St. Cosmaekirchen in Stade, 13. Jahrhundert, Umbau und
Erweiterungen im 15. und 16. Jahrhundert, weitgehende In-
standsetzung und Erweiterung nach Brand im 17. Jahrhun-
dert, Verpressung, Instandsetzung durch Unterfangung
aller Außenwände sowie der Turmpfeiler bis etwafünf Meter
über Gelände, darüber äußere Neuverblendung bis in etwa
zehn Meter Höhe. Die Instandsetzung dauert an. Erhalt der
Gesamtanlage, des Innenraumes mit wertvoller Ausstat-
tung, weniger überkommener Außenwandbereiche.
Originalitätsverluste durch Treibmineralien
Die voranstehenden Beispiele mögen ausreichen, die umfang-
reichen, leider jedoch erforderlichen, Eingriffe zu verdeut-
lichen . Hierbei wird zu bedenken sein, daß ein Verzicht auf die
Instandsetzungen die völlige Aufgabe der betroffenen Ge-
bäude zwangsläufig zur Folge hätte. Darüber hinaus sind über
nahezu alle betroffenen Kirchen vielfache Instandsetzungs-
phasen hinweggegangen, von denen die nun durchgeführten
lediglich weitere Zufügungen sind, die dazu verhelfen, die Le-
bensdauer der Gesamtgebäude und ihrer Erscheinungsbilder
im Ort fortzuschreiben.
Notwendig erscheinende Rand-
bemerkungen
Die massiven Eingriffe in die Gebäude ermöglichen einen Ein-
blick in die Wirksamkeiten durchgeführter Instandsetzungs-
maßnahmen aus jüngerer Zeit. Die Feststellungen sind weit-
gehend bestürzend und zeigen erhebliche Unzulänglichkei-
ten. So ist vor zwölf Jahren eingebauter Zugstahl zu 50 % kor-
rodiert (Lamstedt, St. Johanniskirche Lüneburg u. a.), seitliche
Fundamentverbreiterungen sind wirkungslos (Hollern), Boden-
vergütungen mittels Zementinjektionen aufgelöst (Visselhö-
vede) oder chemische Bodenverfestigung nicht auffindbar (St.
Petri Buxtehude). Diese Feststellungen sind um so bemer-
kenswerter, als das Vertrauen auf durchgeführte Instandset-
zungsmaßnahmen sicherlich verbreitet ist. Was geschieht,
wenn Zugstähle, die die langsamen Verformungen der Ge-
bäude zunächst hindern, dann aber reißen und entspre-
chende Verformungsenergien freisetzen, ohne daß sich die
Schäden vorher erkennen lassen?
Aussprache
Gesprächsleitung: Claus Arendt
Die Ausführungen der drei Referenten wurden im wesentlichen
durch weitere Ergänzungen in ihrem Inhalt bestätigt. Arendt
eröffnete die Diskussion und wies auf ein für ihn wichtiges Er-
gebnis des Vortrages von Arnold hin, der aufzeigte, „wohin das
Pendel ausschlagen kann, wenn nun umgekehrt Technik und
Naturwissenschaften sich der Dinge annehmen, weil die
Denkmalpflege in manchem zu unpräzise formuliert. Das, was
Prof. Wittmann fordert, ist nun das andere Extrem, nämlich die
Auflösung und Versimplifizierung aller Probleme auf Material-
kennwerte. Es liegt darin eine ungeheure Gefahr, weil einige
wenige Werte Auskunft darüber geben sollen, ob etwas erhal-
tenswert ist oder nicht“.
Arendt richtete an Arnold die Frage, welche Grenze eigentlich
die naturwissenschaftliche Hilfe haben kann, da man einesteils
diese" Hilfe zu wenig nutze, anderenteils anderen ein Instru-
ment überlasse, dessen man sich selbst bedienen könne.
Hierauf wiederholte Arnold noch einmal, daß es keine Reduk-
tion der Naturwissenschaften auf die reinen exakten Naturwis-
senschaften geben dürfte, sondern daß die phänomenologi-
sche Betrachtung des Objektes immer die naturwissenschaft-
liche Analyse begleiten müsse.
Arnold führte weiter aus: „Ich glaube, daß das Problem
eigentlich wieder in der individuellen Verständigung liegt. Wie
ich im Vortrag und auch anderweitig erwähnt habe, steht dem
Denkmalpfleger, der im Grunde ein Phänomenologe ist, ein
Analytiker gegenüber und dazwischen fehlt eigentlich der Na-
turwissenschaftler, der Phänomenologe ist. In diesem Punkt
bin ich mit Prof. Burkhardt nicht ganz einig. Naturwissenschaft
ist nicht per Definition nur die exakte Naturwissenschaft - das
ist eigentlich die Reduktion der Naturwissenschaft des 19. und
20. Jahrhunderts. Wenn Sie Naturwissenschaft nur auf die
exakte Wissenschaft beziehen, dann koppeln Sie alle phäno-
menologischen Naturwissenschaften ab, wie zum Beispiel
Botanik, Zoologie, Biologie, alles das was mit der Natur eigent-
75
lich, schwach verpreßte Bauteile durch ein ausreichend be-
messenes neues Vormauerwerk vor eindringendem Wasser zu
schützen. Es ist außerordentlich schwierig, den Umfang der
Verteilungsintensität des Injektionsgutes im Mauerwerk festzu -
stellen, das sich in aller Regel auch an seinerzeit nicht verpraß-
ten Mauerwerksbereichen findet.
Im Bereich unserer Landeskirche sind etwa 45 Kirchen oder
Kirchtürme derzeit von Treibmineralschäden betroffen. Seit
etwafünf Jahren werden die sehr kostenaufwendigen Instand-
setzungsarbeiten nach Maßgabe der immer knapper werden-
den Finanzierungsmittel betrieben. Dabei konnte es in Einzel-
fällen nicht ausbleiben, zu untersuchen, ob nicht die Aufgabe
einzelner Kirchtürme zwangsläufig ist. Die Beurteilung der
bodenmechanischen Verhältnisse ergab jedoch, daß die sich
infolge eines Abrisses ergebende Hebung des Baugrundes
zerstörende Wirkung auf die nebenstehenden Kirchen gehabt
hätte.
Einzelne Beispiele
- Kirchturm Altenbruch, um 1200, Turmerhöhung 15. Jahr-
hundert, umfangreiche Ausbesserungen 15., 17. und 19.
Jahrhundert, Verpressung, Instandsetzung durch Erneue-
rung des gesamten äußeren Mauerwerkes (Entfernung und
Ersatz der Ausbesserungsphasen mittels Gipsmörtel im
17. Jahrhundert) Erhalt der bemerkenswerten Doppelturm-
anlage im Orts- und Landschaftsbild sowie der überkom-
menen Bauteile aus der Entstehungszeit im Turminneren.
- Kirchturm Hollern, 13. Jahrhundert, vielfache Ausbesserun-
gen, Verpressung, Instandsetzung durch Herstellung eines
hinterlüfteten Vormauerwerkes in der Ebene des ursprüng-
lichen Mauerwerkes, Unterfangung und Neugründung. Er-
halt im Orts- und Landschaftsbild sowie der überkomme-
nen Bauteile im Turminneren.
- St. Cosmaekirchen in Stade, 13. Jahrhundert, Umbau und
Erweiterungen im 15. und 16. Jahrhundert, weitgehende In-
standsetzung und Erweiterung nach Brand im 17. Jahrhun-
dert, Verpressung, Instandsetzung durch Unterfangung
aller Außenwände sowie der Turmpfeiler bis etwafünf Meter
über Gelände, darüber äußere Neuverblendung bis in etwa
zehn Meter Höhe. Die Instandsetzung dauert an. Erhalt der
Gesamtanlage, des Innenraumes mit wertvoller Ausstat-
tung, weniger überkommener Außenwandbereiche.
Originalitätsverluste durch Treibmineralien
Die voranstehenden Beispiele mögen ausreichen, die umfang-
reichen, leider jedoch erforderlichen, Eingriffe zu verdeut-
lichen . Hierbei wird zu bedenken sein, daß ein Verzicht auf die
Instandsetzungen die völlige Aufgabe der betroffenen Ge-
bäude zwangsläufig zur Folge hätte. Darüber hinaus sind über
nahezu alle betroffenen Kirchen vielfache Instandsetzungs-
phasen hinweggegangen, von denen die nun durchgeführten
lediglich weitere Zufügungen sind, die dazu verhelfen, die Le-
bensdauer der Gesamtgebäude und ihrer Erscheinungsbilder
im Ort fortzuschreiben.
Notwendig erscheinende Rand-
bemerkungen
Die massiven Eingriffe in die Gebäude ermöglichen einen Ein-
blick in die Wirksamkeiten durchgeführter Instandsetzungs-
maßnahmen aus jüngerer Zeit. Die Feststellungen sind weit-
gehend bestürzend und zeigen erhebliche Unzulänglichkei-
ten. So ist vor zwölf Jahren eingebauter Zugstahl zu 50 % kor-
rodiert (Lamstedt, St. Johanniskirche Lüneburg u. a.), seitliche
Fundamentverbreiterungen sind wirkungslos (Hollern), Boden-
vergütungen mittels Zementinjektionen aufgelöst (Visselhö-
vede) oder chemische Bodenverfestigung nicht auffindbar (St.
Petri Buxtehude). Diese Feststellungen sind um so bemer-
kenswerter, als das Vertrauen auf durchgeführte Instandset-
zungsmaßnahmen sicherlich verbreitet ist. Was geschieht,
wenn Zugstähle, die die langsamen Verformungen der Ge-
bäude zunächst hindern, dann aber reißen und entspre-
chende Verformungsenergien freisetzen, ohne daß sich die
Schäden vorher erkennen lassen?
Aussprache
Gesprächsleitung: Claus Arendt
Die Ausführungen der drei Referenten wurden im wesentlichen
durch weitere Ergänzungen in ihrem Inhalt bestätigt. Arendt
eröffnete die Diskussion und wies auf ein für ihn wichtiges Er-
gebnis des Vortrages von Arnold hin, der aufzeigte, „wohin das
Pendel ausschlagen kann, wenn nun umgekehrt Technik und
Naturwissenschaften sich der Dinge annehmen, weil die
Denkmalpflege in manchem zu unpräzise formuliert. Das, was
Prof. Wittmann fordert, ist nun das andere Extrem, nämlich die
Auflösung und Versimplifizierung aller Probleme auf Material-
kennwerte. Es liegt darin eine ungeheure Gefahr, weil einige
wenige Werte Auskunft darüber geben sollen, ob etwas erhal-
tenswert ist oder nicht“.
Arendt richtete an Arnold die Frage, welche Grenze eigentlich
die naturwissenschaftliche Hilfe haben kann, da man einesteils
diese" Hilfe zu wenig nutze, anderenteils anderen ein Instru-
ment überlasse, dessen man sich selbst bedienen könne.
Hierauf wiederholte Arnold noch einmal, daß es keine Reduk-
tion der Naturwissenschaften auf die reinen exakten Naturwis-
senschaften geben dürfte, sondern daß die phänomenologi-
sche Betrachtung des Objektes immer die naturwissenschaft-
liche Analyse begleiten müsse.
Arnold führte weiter aus: „Ich glaube, daß das Problem
eigentlich wieder in der individuellen Verständigung liegt. Wie
ich im Vortrag und auch anderweitig erwähnt habe, steht dem
Denkmalpfleger, der im Grunde ein Phänomenologe ist, ein
Analytiker gegenüber und dazwischen fehlt eigentlich der Na-
turwissenschaftler, der Phänomenologe ist. In diesem Punkt
bin ich mit Prof. Burkhardt nicht ganz einig. Naturwissenschaft
ist nicht per Definition nur die exakte Naturwissenschaft - das
ist eigentlich die Reduktion der Naturwissenschaft des 19. und
20. Jahrhunderts. Wenn Sie Naturwissenschaft nur auf die
exakte Wissenschaft beziehen, dann koppeln Sie alle phäno-
menologischen Naturwissenschaften ab, wie zum Beispiel
Botanik, Zoologie, Biologie, alles das was mit der Natur eigent-
75