Kann nicht eine Universität gewonnen werden, Forschungen
mit unseren Fragenstellungen zu betreiben, deren Ergebnisse
praxisbezogen und anwendbar sind?“
Werner betonte in bezug auf die Forderung von Mörsch nach
mehr praktischen Vorkenntnissen, daß die Erforschung der
Problemstellungen um die Treibmineralien für ihn ein Erkennt-
nisprozeß gewesen sei und er im Laufe dieses Erkenntnispro-
zesses überhaupt erst gelernt habe, die richtigen Fragen zu
stellen, was für die Ergebnisse von entscheidender Bedeutung
ist. Außerdem bekräftigte er die oben angesprochene Frage,
daß der Architekt der Koordinator der ganzen Dinge sein
müßte. Ferner wies er auf die Veröffentlichung seiner For-
schungsergebnisse hin1.
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde darauf aufmerksam
gemacht, daß die eben behandelten Probleme, wie sie Werner
vorführte, in Karlsruhe untersucht werden und dorthin gemel-
det werden sollten. Es gibt dort im Sonderforschungsbereich
315 ein Teilprojekt, das sich mit diesen ganz speziellen Fragen
(Ingenieurmaßnahmen des Verpressens und Vernadelns) be-
schäftigt, Bauten, an denen Schäden auftraten, dokumenta-
risch verzeichnet und bereits Ergebnisse publizierte2.
Möller: „Mich haben zwei Dinge bestürzt. Erstens wissen
wir heute eigentlich gar nicht mehr, wer vor 15 Jahren Maßnah-
men veranlaßt hat. Da klingt so ein bißchen aus dem Stillen
auch die Frage nach der Verantwortung an. Vor 15 Jahren ha-
ben wir auch schon von selten der Denkmalpflege auf solche
Probleme bei derVerpressung des Mauerwerks hingewiesen.
Leider vergeblich und gelegentlich konfrontiert mit der Autori-
tät hochgestellter kirchlicher Würdenträger: Wir sind viel älter,
wir müssen das sehr viel besser wissen. Wie man das bewer-
ten kann, sei dahingestellt. Daß eine derartige Gewichtsverla-
gerung in einem Bauwerk auf den sehr schwierigen Untergrün-
den der niedersächsischen Böden zu Problemen führen
mußte, das war also ohne lange Untersuchungen aus Empirie
leicht in die Gespräche einzubringen. Und so kennen Sie auch
die Geschichte von dem Stützpfeiler an der Hauptkirche BMV
in Wolfenbüttel: Da war ein ganz renommierter Mann, der
international als der große Statiker gilt und der kleine Denkmal-
pfleger stand mit seiner Argumentation ganz allein dagegen.
Aufgrund des weichen Bodens ist der vollgepumpte Pfeiler
vom Langhaus abgerissen worden und mußte - abermals mit
hohen Kosten und Zuschüssen - völlig neu aufgerichtet wer-
den.
Zweitens zu der Frage der naturwissenschaftlichen Argumen-
tation und deren Verständnis als Notwendigkeit für die Denk-
malpflegen Ein typisches Beispiel aus einem Randgebiet, das
aber unerhört wichtig ist: Wir werden von der Bundespost
ständig mit Argumentationen über die Notwendigkeit der Fern-
meldetürme und der Schaffung eines zweiten, verkabelten Ver-
bundnetzes mit einer Beweisführung konfrontiert, die ein
Nichtfachmann weder nachvollziehen noch verstehen kann.
Aus dieser Position hat eine Institution wie die von Minister
Schwarz-Schilling ein leichtes Spiel: alle Gegenargumente
sehr schnell durch lange, kaum durchschaubare Berechnun-
gen und schließlich durch Hinweis auf die finanziellen Mehrauf-
wendungen zu entkräften. Es sind also in der Tat nicht nur
diese, sondern auch andere Bereiche, wo es dann wirklich
auch sehr schwer wird für den Konservator, naturwissen-
schaftlich-technische Begründungen nachzuvollziehen. Auch
wenn ich mir klar werde, daß es gerade von diesem Ansatz her
wichtig ist, sich nicht hoffnungslos technischem Wissen, das
immer dichter wird, auszuliefern.“
Mörsch wies noch einmal auf die Wichtigkeit der Art der Fra-
gestellung hin. Dies veranschaulichte er an dem Thema Stein-
härtung. „Sie kennen sicherlich fast alle die Altstadt von Bern.
Herr Arnold hat den Molassesandstein gezeigt, der in der
Schweiz sehr weite Anwendung findet und zu großen Proble-
men geführt hat. Es ist zum Beispiel zur Zeit nicht nur in der
schweizerischen Öffentlichkeit, sondern auch bei den schwei-
zerischen Denkmalpflegern z. B. ein Tabu nicht nach in den
Stein dringenden Schutzsystemen zu fragen, sondern nach
auf dem Stein sitzenden Schutzsystemen zu suchen. Obwohl
z. B. die Altstadt von Bern bis in das 18. Jahrhundert mit Kalk-
putzschlämmen diesen Stein geschützt hat, werden also un-
sere denkmalpflegerischen Fragen an die Naturwissenschaft
immer in die Richtung der in den Stein hineindringenden Mittel
gestellt.
Das führt mich zu einem zweiten Punkt, der auch damit zu-
sammenhängt. Ich glaube, wir sollten uns hüten, nur danach
zu fragen, ob ein neues Mittel erkennbar schädigungsfrei sein
wird, ob der neue Kunststoff genügend tief in den Stein hinein-
dringt, um keine schädlichen Krusten zu bilden, ob er nicht
klebt, nicht verschmutzt, nicht vergilbt, sondern wir sollten uns
auch klarmachen oder jedenfalls fragen, wie sehr auch der
bauphysikalisch gutartige Eingriff eben doch das Original in
seiner Materialität verändert: ob er z. B. den Alterungsvorgang
nicht kürzer, auch nicht häßlicher, aber anders gestalten wird,
als wenn dieses neue Material nicht eingebracht worden wäre.
Wir haben vor vielen Jahren einmal dieses Acrylverfahren dis-
kutiert, das von Dingbach in Essen angeboten wurde, und
nach genügend Proben hat man uns versichert, daß es in die
Objekte eindringt. Aber wir müssen uns fragen, wird damit
nicht das Objekt eigentlich zu seinem angeblichen Schutz
materiell ausgetauscht? Auf eine andere Weise ausgetauscht
als durch die Kopie?“
Zum Schluß faßte Arnold noch einmal die wichtigsten Er-
gebnisse in drei Punkte zusammen:
1. Denkmalpfleger müssen in der Lage sein, ihre Interessen
genau zu artikulieren, sie müssen selbst an das Bundesmi-
nisterium für Forschung und Technologie herantreten, ihre
Fragen präzise stellen und die Problemstellung klar definie-
ren.
2. Die meisten Denkmäler lassen sich durch den Handwerker
sanieren und instandsetzen, nur höchstens 10 % der Fälle
bedürfen der Hilfe und des Rates der Naturwissenschaftler.
3. Der Denkmalpfleger kann nicht in allen Bereichen Kennt-
nisse haben und benötigt in bestimmten Fällen spezielle
Analysen.
„Er wird in Zukunft gerade bei den schwierigen Fällen einen In-
terpreten brauchen, der beide Bereiche gut kennt, nämlich die
Naturwissenschaft und das Anliegen des Denkmalpflegers.
So steht - nicht kurzfristig -, ich meine nicht in den nächsten
Jahren, die Frage der Ausbildung von Naturwissenschaftlern in
Verwitterungskonservierungsforschung auf Hochschulebene
allgemein zur Debatte.“
Arendt: „Herr Arnold hat im Prinzip zusammengefaßt, wor-
auf es ankommt. Wichtig ist, daß wir von unserer Seite die For-
derung an die Naturwissenschaft und an die Technik konkreti-
sieren und daß diese interdisziplinäre Zusammenarbeit tat-
sächlich auch von unserer Seite her ermöglicht wird. Ich denke
doch, daß das ein Thema ist, das die Vereinigung künftig sehr
intensiv beschäftigen wird. Ich bedanke mich sehr bei unseren
drei Vortragenden.“
Anmerkungen
1 A. Werner, Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 5, 1985,
48 ff.
2 Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke: Baugefüge, Konstruk-
tionen, Werkstoffe. Sonderforschungsbereich 315 Universität Karls-
ruhe (TH):
a) Forschungsprogramm 1985, Berlin 1987.
b) Jahrbuch 1986, Berlin 1987.
c) H. Schmidt, DKD 45,1987, Heft 1, S. 25f.
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mit unseren Fragenstellungen zu betreiben, deren Ergebnisse
praxisbezogen und anwendbar sind?“
Werner betonte in bezug auf die Forderung von Mörsch nach
mehr praktischen Vorkenntnissen, daß die Erforschung der
Problemstellungen um die Treibmineralien für ihn ein Erkennt-
nisprozeß gewesen sei und er im Laufe dieses Erkenntnispro-
zesses überhaupt erst gelernt habe, die richtigen Fragen zu
stellen, was für die Ergebnisse von entscheidender Bedeutung
ist. Außerdem bekräftigte er die oben angesprochene Frage,
daß der Architekt der Koordinator der ganzen Dinge sein
müßte. Ferner wies er auf die Veröffentlichung seiner For-
schungsergebnisse hin1.
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde darauf aufmerksam
gemacht, daß die eben behandelten Probleme, wie sie Werner
vorführte, in Karlsruhe untersucht werden und dorthin gemel-
det werden sollten. Es gibt dort im Sonderforschungsbereich
315 ein Teilprojekt, das sich mit diesen ganz speziellen Fragen
(Ingenieurmaßnahmen des Verpressens und Vernadelns) be-
schäftigt, Bauten, an denen Schäden auftraten, dokumenta-
risch verzeichnet und bereits Ergebnisse publizierte2.
Möller: „Mich haben zwei Dinge bestürzt. Erstens wissen
wir heute eigentlich gar nicht mehr, wer vor 15 Jahren Maßnah-
men veranlaßt hat. Da klingt so ein bißchen aus dem Stillen
auch die Frage nach der Verantwortung an. Vor 15 Jahren ha-
ben wir auch schon von selten der Denkmalpflege auf solche
Probleme bei derVerpressung des Mauerwerks hingewiesen.
Leider vergeblich und gelegentlich konfrontiert mit der Autori-
tät hochgestellter kirchlicher Würdenträger: Wir sind viel älter,
wir müssen das sehr viel besser wissen. Wie man das bewer-
ten kann, sei dahingestellt. Daß eine derartige Gewichtsverla-
gerung in einem Bauwerk auf den sehr schwierigen Untergrün-
den der niedersächsischen Böden zu Problemen führen
mußte, das war also ohne lange Untersuchungen aus Empirie
leicht in die Gespräche einzubringen. Und so kennen Sie auch
die Geschichte von dem Stützpfeiler an der Hauptkirche BMV
in Wolfenbüttel: Da war ein ganz renommierter Mann, der
international als der große Statiker gilt und der kleine Denkmal-
pfleger stand mit seiner Argumentation ganz allein dagegen.
Aufgrund des weichen Bodens ist der vollgepumpte Pfeiler
vom Langhaus abgerissen worden und mußte - abermals mit
hohen Kosten und Zuschüssen - völlig neu aufgerichtet wer-
den.
Zweitens zu der Frage der naturwissenschaftlichen Argumen-
tation und deren Verständnis als Notwendigkeit für die Denk-
malpflegen Ein typisches Beispiel aus einem Randgebiet, das
aber unerhört wichtig ist: Wir werden von der Bundespost
ständig mit Argumentationen über die Notwendigkeit der Fern-
meldetürme und der Schaffung eines zweiten, verkabelten Ver-
bundnetzes mit einer Beweisführung konfrontiert, die ein
Nichtfachmann weder nachvollziehen noch verstehen kann.
Aus dieser Position hat eine Institution wie die von Minister
Schwarz-Schilling ein leichtes Spiel: alle Gegenargumente
sehr schnell durch lange, kaum durchschaubare Berechnun-
gen und schließlich durch Hinweis auf die finanziellen Mehrauf-
wendungen zu entkräften. Es sind also in der Tat nicht nur
diese, sondern auch andere Bereiche, wo es dann wirklich
auch sehr schwer wird für den Konservator, naturwissen-
schaftlich-technische Begründungen nachzuvollziehen. Auch
wenn ich mir klar werde, daß es gerade von diesem Ansatz her
wichtig ist, sich nicht hoffnungslos technischem Wissen, das
immer dichter wird, auszuliefern.“
Mörsch wies noch einmal auf die Wichtigkeit der Art der Fra-
gestellung hin. Dies veranschaulichte er an dem Thema Stein-
härtung. „Sie kennen sicherlich fast alle die Altstadt von Bern.
Herr Arnold hat den Molassesandstein gezeigt, der in der
Schweiz sehr weite Anwendung findet und zu großen Proble-
men geführt hat. Es ist zum Beispiel zur Zeit nicht nur in der
schweizerischen Öffentlichkeit, sondern auch bei den schwei-
zerischen Denkmalpflegern z. B. ein Tabu nicht nach in den
Stein dringenden Schutzsystemen zu fragen, sondern nach
auf dem Stein sitzenden Schutzsystemen zu suchen. Obwohl
z. B. die Altstadt von Bern bis in das 18. Jahrhundert mit Kalk-
putzschlämmen diesen Stein geschützt hat, werden also un-
sere denkmalpflegerischen Fragen an die Naturwissenschaft
immer in die Richtung der in den Stein hineindringenden Mittel
gestellt.
Das führt mich zu einem zweiten Punkt, der auch damit zu-
sammenhängt. Ich glaube, wir sollten uns hüten, nur danach
zu fragen, ob ein neues Mittel erkennbar schädigungsfrei sein
wird, ob der neue Kunststoff genügend tief in den Stein hinein-
dringt, um keine schädlichen Krusten zu bilden, ob er nicht
klebt, nicht verschmutzt, nicht vergilbt, sondern wir sollten uns
auch klarmachen oder jedenfalls fragen, wie sehr auch der
bauphysikalisch gutartige Eingriff eben doch das Original in
seiner Materialität verändert: ob er z. B. den Alterungsvorgang
nicht kürzer, auch nicht häßlicher, aber anders gestalten wird,
als wenn dieses neue Material nicht eingebracht worden wäre.
Wir haben vor vielen Jahren einmal dieses Acrylverfahren dis-
kutiert, das von Dingbach in Essen angeboten wurde, und
nach genügend Proben hat man uns versichert, daß es in die
Objekte eindringt. Aber wir müssen uns fragen, wird damit
nicht das Objekt eigentlich zu seinem angeblichen Schutz
materiell ausgetauscht? Auf eine andere Weise ausgetauscht
als durch die Kopie?“
Zum Schluß faßte Arnold noch einmal die wichtigsten Er-
gebnisse in drei Punkte zusammen:
1. Denkmalpfleger müssen in der Lage sein, ihre Interessen
genau zu artikulieren, sie müssen selbst an das Bundesmi-
nisterium für Forschung und Technologie herantreten, ihre
Fragen präzise stellen und die Problemstellung klar definie-
ren.
2. Die meisten Denkmäler lassen sich durch den Handwerker
sanieren und instandsetzen, nur höchstens 10 % der Fälle
bedürfen der Hilfe und des Rates der Naturwissenschaftler.
3. Der Denkmalpfleger kann nicht in allen Bereichen Kennt-
nisse haben und benötigt in bestimmten Fällen spezielle
Analysen.
„Er wird in Zukunft gerade bei den schwierigen Fällen einen In-
terpreten brauchen, der beide Bereiche gut kennt, nämlich die
Naturwissenschaft und das Anliegen des Denkmalpflegers.
So steht - nicht kurzfristig -, ich meine nicht in den nächsten
Jahren, die Frage der Ausbildung von Naturwissenschaftlern in
Verwitterungskonservierungsforschung auf Hochschulebene
allgemein zur Debatte.“
Arendt: „Herr Arnold hat im Prinzip zusammengefaßt, wor-
auf es ankommt. Wichtig ist, daß wir von unserer Seite die For-
derung an die Naturwissenschaft und an die Technik konkreti-
sieren und daß diese interdisziplinäre Zusammenarbeit tat-
sächlich auch von unserer Seite her ermöglicht wird. Ich denke
doch, daß das ein Thema ist, das die Vereinigung künftig sehr
intensiv beschäftigen wird. Ich bedanke mich sehr bei unseren
drei Vortragenden.“
Anmerkungen
1 A. Werner, Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 5, 1985,
48 ff.
2 Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke: Baugefüge, Konstruk-
tionen, Werkstoffe. Sonderforschungsbereich 315 Universität Karls-
ruhe (TH):
a) Forschungsprogramm 1985, Berlin 1987.
b) Jahrbuch 1986, Berlin 1987.
c) H. Schmidt, DKD 45,1987, Heft 1, S. 25f.
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