erbaut wurde. Die neupompejanische Malerei haben wir zu-
nächst aufgrund der Analogie zum Lindenhof ebenfalls in die
50er Jahre datiert. Die Malereien befinden sich allerdings in
einem kleinen Raum, der als Schleuse zum Garten gedient
haben mag und der vollgestopft ist mit Theaterrequisiten und
ähnlichem; erst bei genauerem Betrachten beziehungsweise
nach Wegrücken derTische war zu sehen, daß die Ausmalung
jünger ist als die Gesamtheizungsanlage, die relativ sicher erst
um 1917 im Haus eingebaut wurde. Allerdings war auch 1889
bereits eine erste Heizanlage errichtet worden, so daß wir im
Hinblick auf Datierungen immer vorsichtiger geworden sind.
Eigentliche Probleme mit Fassungen ergeben sich im allgemei-
nen aufgrund des Materials. Nur im Lindenhof finden wir all-
seits ein Wachs/Öl-Gemisch. Im Gegensatz dazu wurde in
sämtlichen anderen - mir bekannten! - Villen in Leimfarbe ge-
malt.
Abgesehen vom Material-Abbau und von der steten Notwen-
digkeit des Renovierens - verstärkt durch die Heizungstätig-
keit - ergeben sich Probleme durch die Erneuerungsbedürf-
nisse wechselnder Bewohner, neuer Eigentümer: Seit den
20er Jahren dieses Jahrhunderts sind die Villen immer wieder
einem Besitzerwechsel unterworfen gewesen, und Sie wissen
alle, wie das Malerhandwerk arbeitet. Ich finde noch in alten
Gutachten die Anweisung „säuberlich abkratzen und abwi-
schen“, was sicher befolgt wurde. Zum zweiten wurde die
„Kultur“ des Tapezierens, die in Bayern und auch in diesem Be-
reich unbekannt war, in den 1950er Jahren „eingeschleust“,
wobei dann noch mit Dispersionen darauf gemalt wurde. (Ge-
rade jetzt erst begegnete mir ein Architekt, der - offenbar als
neuesten „denkmalpflegerischen“ Clou - mit Mineralfarben
auf Rauhfasertapeten gehen wollte).
Einige Beispiele zu Vorzustand und der Aufgabenstellung: wie
hier in der Rotunde im Lindenhof ergeben sich vor allem Fra-
gen unmittelbarer Substanzsicherung - eben der Ölmalerei
zum Teil sind die Probleme besser lösbar durch den Umstand,
daß diese Villa in städtischem Besitz ist und regelmäßige
erhebliche finanzielle Zuwendungen des Freistaates Bayern
erhält, so daß immer wieder ein Raum restauriert werden
kann. In Alwind differenziert sich das Bild von einer anderen
Seite her. Im Posterholungsheim war es gerade jetzt im bun-
desrepublikanischen Zeitalter notwendig, daß den Postlern
jeweils gleichgroße Raumeinheiten zur Verfügung gestellt wer-
den. Diese unabdingbare Voraussetzung versuchten wir eini-
germaßen reversibel in große Räume, für die kein historischer
Befund vorlag, einpassen zu lassen. Demgegenüber liegen
Untersuchungsergebnisse für öffentliche Räume, Gänge und
Treppen vor. Dabei geht es nun also um Rekonstruktionen.
Problem eins ist, daß wir lediglich Reste der Schablonenmale-
rei finden, Ansatzpunkte für Rekonstruktionen in Motivhinwei-
sen und Farbnuancen, die Frage der Vollständigkeit, mit der ich
den Befund für den ganzen Raum decken kann. Problem zwei
ist das Material. Soll wieder in Leimfarbe ausgeführt werden,
ergibt sich die Möglichkeit des Akzeptierens eines geringfügi-
gen Zusatzes von Acryl oder Dispersionen in den Bereichen
(wie etwa hier das Treppenhaus), an die die Bedingung größe-
rer Wischfestigkeit gestellt wird.
Bleiben wir noch bei der Frage der Vollständigkeit. Die Schwie-
rigkeit pro Raum wird verstärkt von der Schwierigkeit der Voll-
ständigkeit von Raumfolgen. Das Erkennen der Probleme wird
stark erleichtert durch das Anlegen von Musterfeldern oder
Musterachsen, die die Lücken klar aufzeigen. Des weiteren
haben einzelne Räume - wie hier der Vorraum des Treppen-
hauses - Veränderungen erfahren. Die Reichspost zog Hohl-
kehle und rotmarmorartige Bodenplatten, Pfeilerverkleidun-
gen und eine entsprechende Heiznischenausbildung ein. Bei
solchen späteren Veränderungen stellt sich natürlich die
Frage, ob wir gegebenenfalls den Befund als Fragment stehen
lassen können. Im Lindenhof stellt sich diese Frage nicht, da,
auch begründet durch die Ölmalerei, größere Zusammen-
hänge vorgegeben sind; die Schließung der Fehlstellen ist also
sozusagen als Monumentalretusche - wenn man es auf das
ganze Haus bezieht - zu lösen. In Alwind bestehen von vorn-
herein nur Fragmente. Gegen das Stehenlassen solcher Frag-
mente spricht auf jeden Fall, daß die „Fassungen“ der 1950er
Jahre (und darin unterscheidet sich wohl der Profanbau allge-
mein vom Kirchenbau) eigentlich ohne Aussagekraft für die al-
ten Raumeinheiten sind.
Zum zweiten spricht dagegen, daß die Befunde selber dispa-
rat über die Räume verteilt und klein sind - aufgrund des vor-
her genannten säuberlichen Abkratzens ergeben sich einfach
keine größeren Flächen, so daß wir keine zusammenhängen-
den Motivreihen vorstellen könnten, sondern immer nur brief-
markenweise Ausschnitte aus einem sich insgesamt weitge-
hend oder doch ansatzweise schließenden Gebilde. Als drittes
spricht gegen das Stehenlassen von Fragmenten der meist re-
duzierte Zustand der Oberflächen und viertens die mangelnde
Akzeptanz durch den Bauherrn.
Desweiteren spricht gegen das Fragmentarische, daß da-
durch das, was den gründerzeitlichen Stil ausmacht, nicht
mehr abgelesen werden kann. (Am Beispiel der Befunde und
der Muster im Wintergarten von Alwind lassen sich viele Pha-
sen der Schwierigkeiten und Problemstellungen erläutern.)
Der Stil erfordert eine klare Linienführung; er erfordert ge-
schlossene Flächen und glatte Oberflächen.
Darüber hinaus ergibt sich aus dem Beispiel eines Zwischen-
gangs, wie stark gleichwohl ein spezieller Duktus vorliegen
kann.
Im weiteren ergibt sich immer wieder ein Stilwechsel, auch in
Stilmischungen von neuetruskisch zu neumanieristisch zu
neumittelalterlich und so weiter. Somit ist die Schließung der
Fragmente notwendig auch im Hinblick auf die gesamträum-
lichen Zusammenhänge. Dabei fallen weitere Fehlpunkte auf,
etwa Maserierung von Fenstern und Türen, die Frage des Bo-
dens oder des - ehemaligen? - Vorhandenseins von Stuck. In
der Villa Spengelin ist die räumliche Einheit wiederhergestelit
worden, wie die Einblicke in verschiedene Zimmer zeigen. In
der Ausführung durch den Kirchenmaler wurden Fehlstellen-
wie fehlender Stuck aufgrund älterer Abdrucke - auf maleri-
sche Weise ersetzt bzw. ergänzt. Ich möchte betonen und es
dreimal unterstreichen, daß derartige Rekonstruktionen nur
auf malerischem Wege geleistet werden können und dürfen.
Das besitzt den Vorteil, daß die Lösung nicht als Definitivum
verstanden werden kann. Auch die heutige Leimfarbe altert,
der Abbau der Zellulose ist „gesichert" und die Abwaschbar-
keit ist nach wie vor gegeben. Nur auf der Basis des maleri-
schen Weges besteht wirklich die Möglichkeit eines Einbin-
dens jüngerer Zustände oder des Überspielens von Neuerun-
gen.
An den Veränderungen baulicher Art durch die Reichspost (Bö-
den, Treppenstufen, aufgeputzte Kehlen, Einbaumöbel) verän-
dere ich meinerseits nichts; der Eingriff der Post von 1936
bleibt rekonstruierbar. Auch die verschiedene künstlerische
Dichte inerhalb der Raumfolgen kann mittels freierer, allein auf
malerischem Weg gewonnener Rekonstruktionen zu einer
stimmigen Einheit zusammengefaßt werden.
Halten wir anhand des Alwind’schen Treppenhauses noch ein-
mal fest, daß wir, was den Stil des 19. Jahrhunderts, der Grün-
derzeit anlangt, durchaus noch auf der Stufe des Kennenler-
nens stehen. Trifft das vielleicht für uns nur bedingt zu, so doch
in hohem Maß für den Benutzer - Eigentümer wie Post, Kir-
chengemeinde, wie Werbeagentur oder die Stadt Lindau. Erst
über Versuche, wie sie hier vorgestellt wurden, ist das Ver-
ständnis für die Zeit zu wecken. Gerade durch die Rekonstruk-
tion größerer Einheiten besteht die Chance, einerzunehmend
interessierten Öffentlichkeit einen ganzen Kulturkreis vorzu-
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nächst aufgrund der Analogie zum Lindenhof ebenfalls in die
50er Jahre datiert. Die Malereien befinden sich allerdings in
einem kleinen Raum, der als Schleuse zum Garten gedient
haben mag und der vollgestopft ist mit Theaterrequisiten und
ähnlichem; erst bei genauerem Betrachten beziehungsweise
nach Wegrücken derTische war zu sehen, daß die Ausmalung
jünger ist als die Gesamtheizungsanlage, die relativ sicher erst
um 1917 im Haus eingebaut wurde. Allerdings war auch 1889
bereits eine erste Heizanlage errichtet worden, so daß wir im
Hinblick auf Datierungen immer vorsichtiger geworden sind.
Eigentliche Probleme mit Fassungen ergeben sich im allgemei-
nen aufgrund des Materials. Nur im Lindenhof finden wir all-
seits ein Wachs/Öl-Gemisch. Im Gegensatz dazu wurde in
sämtlichen anderen - mir bekannten! - Villen in Leimfarbe ge-
malt.
Abgesehen vom Material-Abbau und von der steten Notwen-
digkeit des Renovierens - verstärkt durch die Heizungstätig-
keit - ergeben sich Probleme durch die Erneuerungsbedürf-
nisse wechselnder Bewohner, neuer Eigentümer: Seit den
20er Jahren dieses Jahrhunderts sind die Villen immer wieder
einem Besitzerwechsel unterworfen gewesen, und Sie wissen
alle, wie das Malerhandwerk arbeitet. Ich finde noch in alten
Gutachten die Anweisung „säuberlich abkratzen und abwi-
schen“, was sicher befolgt wurde. Zum zweiten wurde die
„Kultur“ des Tapezierens, die in Bayern und auch in diesem Be-
reich unbekannt war, in den 1950er Jahren „eingeschleust“,
wobei dann noch mit Dispersionen darauf gemalt wurde. (Ge-
rade jetzt erst begegnete mir ein Architekt, der - offenbar als
neuesten „denkmalpflegerischen“ Clou - mit Mineralfarben
auf Rauhfasertapeten gehen wollte).
Einige Beispiele zu Vorzustand und der Aufgabenstellung: wie
hier in der Rotunde im Lindenhof ergeben sich vor allem Fra-
gen unmittelbarer Substanzsicherung - eben der Ölmalerei
zum Teil sind die Probleme besser lösbar durch den Umstand,
daß diese Villa in städtischem Besitz ist und regelmäßige
erhebliche finanzielle Zuwendungen des Freistaates Bayern
erhält, so daß immer wieder ein Raum restauriert werden
kann. In Alwind differenziert sich das Bild von einer anderen
Seite her. Im Posterholungsheim war es gerade jetzt im bun-
desrepublikanischen Zeitalter notwendig, daß den Postlern
jeweils gleichgroße Raumeinheiten zur Verfügung gestellt wer-
den. Diese unabdingbare Voraussetzung versuchten wir eini-
germaßen reversibel in große Räume, für die kein historischer
Befund vorlag, einpassen zu lassen. Demgegenüber liegen
Untersuchungsergebnisse für öffentliche Räume, Gänge und
Treppen vor. Dabei geht es nun also um Rekonstruktionen.
Problem eins ist, daß wir lediglich Reste der Schablonenmale-
rei finden, Ansatzpunkte für Rekonstruktionen in Motivhinwei-
sen und Farbnuancen, die Frage der Vollständigkeit, mit der ich
den Befund für den ganzen Raum decken kann. Problem zwei
ist das Material. Soll wieder in Leimfarbe ausgeführt werden,
ergibt sich die Möglichkeit des Akzeptierens eines geringfügi-
gen Zusatzes von Acryl oder Dispersionen in den Bereichen
(wie etwa hier das Treppenhaus), an die die Bedingung größe-
rer Wischfestigkeit gestellt wird.
Bleiben wir noch bei der Frage der Vollständigkeit. Die Schwie-
rigkeit pro Raum wird verstärkt von der Schwierigkeit der Voll-
ständigkeit von Raumfolgen. Das Erkennen der Probleme wird
stark erleichtert durch das Anlegen von Musterfeldern oder
Musterachsen, die die Lücken klar aufzeigen. Des weiteren
haben einzelne Räume - wie hier der Vorraum des Treppen-
hauses - Veränderungen erfahren. Die Reichspost zog Hohl-
kehle und rotmarmorartige Bodenplatten, Pfeilerverkleidun-
gen und eine entsprechende Heiznischenausbildung ein. Bei
solchen späteren Veränderungen stellt sich natürlich die
Frage, ob wir gegebenenfalls den Befund als Fragment stehen
lassen können. Im Lindenhof stellt sich diese Frage nicht, da,
auch begründet durch die Ölmalerei, größere Zusammen-
hänge vorgegeben sind; die Schließung der Fehlstellen ist also
sozusagen als Monumentalretusche - wenn man es auf das
ganze Haus bezieht - zu lösen. In Alwind bestehen von vorn-
herein nur Fragmente. Gegen das Stehenlassen solcher Frag-
mente spricht auf jeden Fall, daß die „Fassungen“ der 1950er
Jahre (und darin unterscheidet sich wohl der Profanbau allge-
mein vom Kirchenbau) eigentlich ohne Aussagekraft für die al-
ten Raumeinheiten sind.
Zum zweiten spricht dagegen, daß die Befunde selber dispa-
rat über die Räume verteilt und klein sind - aufgrund des vor-
her genannten säuberlichen Abkratzens ergeben sich einfach
keine größeren Flächen, so daß wir keine zusammenhängen-
den Motivreihen vorstellen könnten, sondern immer nur brief-
markenweise Ausschnitte aus einem sich insgesamt weitge-
hend oder doch ansatzweise schließenden Gebilde. Als drittes
spricht gegen das Stehenlassen von Fragmenten der meist re-
duzierte Zustand der Oberflächen und viertens die mangelnde
Akzeptanz durch den Bauherrn.
Desweiteren spricht gegen das Fragmentarische, daß da-
durch das, was den gründerzeitlichen Stil ausmacht, nicht
mehr abgelesen werden kann. (Am Beispiel der Befunde und
der Muster im Wintergarten von Alwind lassen sich viele Pha-
sen der Schwierigkeiten und Problemstellungen erläutern.)
Der Stil erfordert eine klare Linienführung; er erfordert ge-
schlossene Flächen und glatte Oberflächen.
Darüber hinaus ergibt sich aus dem Beispiel eines Zwischen-
gangs, wie stark gleichwohl ein spezieller Duktus vorliegen
kann.
Im weiteren ergibt sich immer wieder ein Stilwechsel, auch in
Stilmischungen von neuetruskisch zu neumanieristisch zu
neumittelalterlich und so weiter. Somit ist die Schließung der
Fragmente notwendig auch im Hinblick auf die gesamträum-
lichen Zusammenhänge. Dabei fallen weitere Fehlpunkte auf,
etwa Maserierung von Fenstern und Türen, die Frage des Bo-
dens oder des - ehemaligen? - Vorhandenseins von Stuck. In
der Villa Spengelin ist die räumliche Einheit wiederhergestelit
worden, wie die Einblicke in verschiedene Zimmer zeigen. In
der Ausführung durch den Kirchenmaler wurden Fehlstellen-
wie fehlender Stuck aufgrund älterer Abdrucke - auf maleri-
sche Weise ersetzt bzw. ergänzt. Ich möchte betonen und es
dreimal unterstreichen, daß derartige Rekonstruktionen nur
auf malerischem Wege geleistet werden können und dürfen.
Das besitzt den Vorteil, daß die Lösung nicht als Definitivum
verstanden werden kann. Auch die heutige Leimfarbe altert,
der Abbau der Zellulose ist „gesichert" und die Abwaschbar-
keit ist nach wie vor gegeben. Nur auf der Basis des maleri-
schen Weges besteht wirklich die Möglichkeit eines Einbin-
dens jüngerer Zustände oder des Überspielens von Neuerun-
gen.
An den Veränderungen baulicher Art durch die Reichspost (Bö-
den, Treppenstufen, aufgeputzte Kehlen, Einbaumöbel) verän-
dere ich meinerseits nichts; der Eingriff der Post von 1936
bleibt rekonstruierbar. Auch die verschiedene künstlerische
Dichte inerhalb der Raumfolgen kann mittels freierer, allein auf
malerischem Weg gewonnener Rekonstruktionen zu einer
stimmigen Einheit zusammengefaßt werden.
Halten wir anhand des Alwind’schen Treppenhauses noch ein-
mal fest, daß wir, was den Stil des 19. Jahrhunderts, der Grün-
derzeit anlangt, durchaus noch auf der Stufe des Kennenler-
nens stehen. Trifft das vielleicht für uns nur bedingt zu, so doch
in hohem Maß für den Benutzer - Eigentümer wie Post, Kir-
chengemeinde, wie Werbeagentur oder die Stadt Lindau. Erst
über Versuche, wie sie hier vorgestellt wurden, ist das Ver-
ständnis für die Zeit zu wecken. Gerade durch die Rekonstruk-
tion größerer Einheiten besteht die Chance, einerzunehmend
interessierten Öffentlichkeit einen ganzen Kulturkreis vorzu-
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