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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Aus Berliner Bauakten
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0019
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unter Anwendung mehrgeschossiger Schuppenanla-
gen u. dergl. so gestaltet werden, daß sie die städte-
bauliche Entwicklung Groß-Berlins möglichst wenig
behindern. Es ist zu wünschen, daß die Denk-
schrift die Beachtung der zuständigen Stellen findet
und daß die beteiligten Ressorts in zielbewußter und
einheitlich gerichteter Zusammenarbeit die Lösung
dieser dringlichen Fragen in Angriff nehmen.
Denn drückender wie ein Festungsgürtel umschließen
gegenwärtig die Bahn- und Gleisanlagen den Stadt-
körper Berlins und unterbinden durch ihre schweren
Bastionen den Ausbau und die Durchführung radialer
Straßenzüge, sogenannter Ausfallstraßen, was die
Stadtverwaltung bei den Millionenbauten der Swine-
münder und der Fennbrücke, die durch die Bahnhöfe
„Gesundbrunnen“ und „Moabit“ veranlaßt worden
sind, zum Nachteil des Stadtsäckels bereits hat er-
fahren müssen.
Sind demnach von seifen der staatlichen Eisen-
bahnverwaltung für eine Förderung der groß-
städtischen Entwicklung der Reichshauptstadt die
entscheidenden Schritte noch abzuwarten (denn auch
die Frage der Elektrisierung der Stadtbahn ist bisher
endgültig noch nicht geregelt worden), so ist anderer-
seits der dem privaten Unternehmertum überlassene
Ausbau des Berliner Schnellbahnnetzes in diesem
Jahre wesentlich gefördert worden. Im Juli ist die
neue Linie der Hoch- und Untergrundbahn-Gesell-
schaft, die im Anschluß an die Stammbahn vom
Spittelmarkt über Alexanderplatz nach dem Nord-
ring führt, eröffnet und so dem Norden endlich die
längst erforderliche Schnellverbindung mit der Innen-
stadt und, darüber hinaus, mit dem Westen gegeben
worden. Die neue Bahn hat eine Streckenlänge
von fünf Kilometern und ist in der Schönhauser
Allee vom Senefelderplatz ab als Hochbahn in den
Außenbezirken weitergeführt worden. Die Bahn
unterfährt zwischen den Bahnhöfen Inselbrücke und
Klosterstraße die Spree in einem rund 125 m breiten,
mit seiner Sohle etwa um unter dem Spreespiegel
liegenden Tunnel, der in Eisenbeton ausgeführt ist
und, gegen etwaige Verletzungen durch Schiffsanker,
eine Schutzdecke aus etwa 8 mm starken Eisen-
blechen erhalten hat. Die architektonische Ausbil-
dung der Bahnhöfe erfolgte nach den Plänen von
Alfred Grenander; sie ist künstlerisch bei weitem
ausgereifter als die Anlagen des II. und III. Bau-
abschnitts. Die Hochbahnstrecke zeigt gegenüber
den älteren Viaduktkonstruktionen des ersten Bau-
abschnittes auch in konstruktiver Hinsicht verschie-
dene Neuerungen. Für die neuen Viadukte sind
vollwandige Träger benutzt worden, während die
alten Bahnstrecken in Gitterwerk ausgeführt sind.
Auch bei den Bahnhöfen der neuen Strecke ist diese
Konstruktionsweise einheitlich durchgeführt worden:
zwischen dem Gerüst genieteter Träger sind breite
Blechplatten als Wandungen befestigt; das häßliche
Wellblech ist ganz vermieden. Der architektonische

Eindruck hat durch diese Änderung wesentlich
gewonnen. Durch die Vollwandigkeit der Kon-
struktion ist den Eisenbauten wieder das Maß von
Körperlichkeit gegeben worden, das ihnen bisher
gefehlt hat, das aber für eine wirkungsvolle räum-
liche Erscheinung nicht entbehrt werden kann.
Zum 1. Oktober ist die Eröffnung einer weiteren
Zweiglinie, der Wilmersdorf-Dahlemer Bahn, zu
erwarten, durch die das Schnellbahnnetz Berlins eine
weitere Vermehrung von 7,2 km erfahren wird.
Diese Linie ist von den beteiligten Gemeinden mit
eigenen Mitteln erbaut worden, während der Betrieb
der Hochbahngesellschaft übergeben ist. Bis zur Pod-
bielski-Allee in Dahlem ist die Linie als Untergrund-
bahn ausgebaut, von da wird sie als Einschnittbahn
durch das noch unbebaute Gelände der Kolonie
Dahlem fortgeführt. Die Ausbildung der Bahnhöfe
läßt in künstlerischer Beziehung vieles zu wünschen
übrig. Wie wenig man hier den Sinn der Bau-


August Endell
(B.D.A),
Berlin

Trabrennbahn in Mariendorf.
Detail der Rückfrontder I. Platz-
Tribüne. (Vergl. Tafel 17-18)

Architektonische Rundschau 1914
Seite 7
 
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