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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Ausbildung und Prüfungen des Architekten, [1]: Eine Umfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0045
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Der Zeitgewinn muß

Michael Kurz, Augs-
burg-Göggingen

Katholische Kirche in Pfersee - Augsburg.
Blick gegen den Altar. ^Vergl. Tafel 62—66)

empfundene stark betonte Künstlertum, endlich
durch ein zumeist mangelhaft entwickeltes Ver-
antwortlichkeitsgefühl. So kommt es, daß der
Baugewerkschüler trotz seiner meist lückenhaften
Allgemeinbildung den Vorzug erhält als ein solid
erzogener, brauchbarer und zuverlässiger Arbeiter,
und daß der Hochschüler schwere Enttäuschungen
überwinden und jahrelang seine technischen Kennt-
nisse erweitern und verbessern muß, ehe er dem Bau-
gewerkschüler gegenüber an Boden gewinnt. Ohne
Zweifel liegen die Ursachen dieser Erscheinung in der
mangelhaften Ausbildung des Hochschülers. Da das
Studium unter keinen Umständen zeitlich verlängert
werden darf, so müssen gewisse Lehrgegenstände
eingeschränkt oder zweckentsprechender betrieben
und andere ausgebaut werden. Eine Einschränkung
vertragen alle jene Fächer der ersten vier Semester,
deren gründliches Studium schon an den Mittel-
schulen betrieben wird: Mathematik, Physik, Chemie,
darstellende Geometrie usw.
in der Hauptsache zur Er-
weiterung der Kenntnisse der
Baukonstruktionen und Bau¬
materialien verwendet wer¬
den. Auch darin ist Ihnen
unbedingt zuzustimmen, daß
der Baukonstruktions¬
unterricht an den Tech¬
nischen Hochschulen eine
starke Betonung erfahren
und ähnlich wie es in Süd¬
deutschland schon bei den
Professuren für die Ent-
wurfsarbeit geschieht, Prak¬
tiker mit Namen dafür ge-
wonnen werden müßten. Der
Lehrer dieses Faches muß
durch und durch Praktiker
sein. Die wissenschaftlich
ausgebaute Theorie der Bau-
konstruktionen könnte da¬
neben, wie ja auch von
Ihnen angeregt wurde, im-
mer noch in besonderen Vor-
trägen eine der Hochschule
würdige Vertretung finden.
Der allgemeine Baukonstruk¬
tionsunterricht an einer Tech-
nischen Hochschule sollte
eigentlich von einem all¬
seitig tüchtigen Fach¬
kollegen ausgeübt werden
und nicht von einem Nur-
Konstrukteur. Es wäre
sehr erfreulich, wenn der
Gegensatz zwischen Kon¬
struktion und Kunst ganz
und gar verschwände. Es

ist gar nicht einzusehen, warum ein tüchtiger
Baukünstler nicht zugleich auch ein guter Konstruk-
teur sein sollte und umgekehrt. Das Liebäugeln
gewisser Salonarchitekten unserer Zeit mit ihrer
konstruktiven Unbeholfenheit ist bezeichnend für
die Verkennung der eigentlichen Bedeutung unseres
Berufes, ebenso bezeichnend wie der Umstand, daß
mehr wie je Dilettanten als Baumeister und Archi-
tekten tätig sind. Brunellesco leitete die Renaissance
ein mit einer konstruktiven Tat, und soll die Bau-
kunst unserer Tage regeneriert werden, dann müssen
wir der Technik des Bauens selbst wieder die ge-
bührende Bedeutung schenken, denn nur auf diesem
Wege liegen neue Möglichkeiten. Die Baukon-
struktion müßte mehr im Sinne der Bau-
gewerkschulen gelehrt werden, nur statt in der
großen Breite mit entsprechender Vertiefung. Es
schadet dabei gar nichts, wenn die maßgebenden
Stellen einmal einen gründlichen Einblick in
die Leistungen der technischen Mittel-

Architektonische Rundschau 1914
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