Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

DOI Artikel:
Ausbildung und Prüfungen des Architekten, [2]: Eine Umfrage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0059
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Theodor Richter (B.D.A.) & Arbeiterkolonie
Fritz Heß, Loschwitz b. Dresden Schmölln i. Sa.


Maurer-, Zimmer- oder Tischlergewerbe, auch tatsäch-
lich erlernt werden. Der „Herr Volontär“, der nur auf
dem Bau herum- und den Handwerkern im Wege
steht, muß verschwinden. Es wäre gut, wenn in
die Möglichkeiten zu einer gediegenen praktischen
Vorbildung etwas Organisation gebracht werden
könnte, denn es ist jetzt sehr schwer, geeignete Aus-
bildungsstätten zu erkunden oder nachzuweisen.
Eine Forderung, die bei dieser Gelegenheit auch
wieder mit allem Nachdruck erhoben werden muß, ist
die, daß den Lehrenden an den Hochschulen wie an
den Mittelschulen die Fühlung mit der Praxis
nicht verloren gehen darf. Nur dann kann
die Ausbildung der Studierenden und Bauschüler
den sich immer weiter steigernden Anforderungen
der Neuzeit genügen. Es ist keine Schädigung der
Privatarchitekten, wenn die Forderung immer und
immer wieder erhoben wird, daß nötigenfalls der
Staat selbst durch Überweisung geeigneter Auf-
gaben diesem billigen Verlangen nachzukommen
hat. Nur Übelwollen oder schlimme Kurzsichtigkeit
können den Gesichtswinkel, unter dem diese Forde-
rungen zu betrachten sind, verrücken.
Den Wissenden, welchen die Reihe glänzender
Architektennamen geläufig ist, die nicht über das

Abiturium, sondern über die Bauschule zur techni-
schen Hochschule — manchmal sogar nicht einmal
mehr zu ihr — aber immer zur Anerkennung ihres
Schaffens und Könnens gelangt sind, ist es längst nicht
mehr zweifelhaft, daß künstlerische Veranlagung auf
unseren technischen Hochschulen kaum eine geeignete
Stätte findet, wenn sie sich mit allen Prüfungsnöten
abfinden soll. Dem Maler, dem Bildhauer steht der
Zutritt zur Akademie nur auf Grund der Befähi-
gung offen. Aus dem Bauernbub kann der mit allen
Titeln, Orden und sonstigen Ehrenbezeugungen aus-
gezeichnete Künstler werden, sofern er nur Talent
hat und ein Könner wird. Dem Urbildner, dem
Architekten, aber hilft kein Können, kein Werke-
schaffen; er muß erst durch die Tretmühle aller
Prüfungen, er muß sich Riesenballast auf packen
lassen, nur um ihn wieder möglichst schnell ab-
werfen zu können, wenn er endlich ans wirkliche
Schaffen und Werken gelangt.
Bei uns im deutschen Vaterland ist halt vieles
immer noch sehr blöd, und darum ist es herrlich,
wenn einmal jemand frisch und fröhlich, unbe-
kümmert und tatendurstig dazwischen fährt. Dazu
mag der Verfasser dann auch aufrichtig beglück-
wünscht sein.

Architektonische Rundschau 1914
Seite 47
 
Annotationen