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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Former, Alexander: Erweiterung von Baudenkmälern
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0084
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Bildhauer : Richard Kuhnert, Berlin.
Architekt: Eugen Schmohl, Berlin


Keramischer Schmuck vom Warenhaus
A. Wertheim am Moritz platz in Berlin


Die künstlerische Gesamtauffassung stand den Alten
eben höher als ein bestimmter Formenkanon.
Unsere Zeit ist wohl gerechter geworden in der
Würdigung aller früheren Stile, dagegen aber auch
leider wesentlich unsicherer in der eigenen schöpfe-
rischen Kraft. In ihrer festen künstlerischen Über-
zeugung haben die alten Meister ganz besonders bei
Erweiterungsbauten meist instinktiv das Richtige
getroffen. Der mittelalterliche Dom ist durch den
Anbau der prachtvollen barocken Schönborn-Kapelle
nicht in seiner Wirkung geschädigt worden, wohl
aber durch die mittelalterlich sein sollenden Türme,
die im 19. Jahrhundert ausgebaut wurden.
Wir sehen, daß man schon seit vielen Jahrhun-
derten Baudenkmäler verändert und ausgebaut hat.
Man machte dieses früher, indem man das Alte dem
neuen Zwecke und dem neuen Geschmacke anpaßte,
nicht umgekehrt. Daß das Neue dem alten Ge-
schmacke angepaßt wurde, und der Zweck den
historischen Rücksichten sich beugen mußte, ist erst
eine „Errungenschaft“ des 19. Jahrhunderts. Die
alten Zeiten wollten nicht in einem bestimmten Stil
schaffen, dieser Begriff war ihnen fremd, nein, sie
lösten die Aufgaben ihrer Zeit so trefflich wie mög-

lich im Sinne ihrer Zeit mit den jeweiligen techni-
schen und künstlerischen Zielen, nicht wissen-
schaftlich-historischen. Dieses ist es, was auch wir
wieder erstreben müssen, wenn wir es den Alten
gleichtun wollen. Ihre künstlerischen Absichten
dürfen und sollen wir übernehmen, nicht die Einzel-
heiten, diese müssen sich im Hinblick auf die Ge-
samtharmonie aus Zweck, Material, Konstruktion
und Zeitgeschmack entwickeln. Wenn wir so die
Geschichte auffassen, so wird unser daraus ent-
springendes künstlerisches Schaffen den späteren
Archäologen einmal ebenso als Forschungsgebiet
dienen, wie es für uns die Schöpfungen früherer
Zeiten tun. Mit Anbringung von Täfelchen und
Nachlesen in Archiven zur Feststellung des wahren
Alters, wie es Dr. Hauptmann vorschlug, ist es da
nicht getan, nein, durch innere Wahrhaftigkeit sollen
unsere Bauten überzeugen, denn nur dann haben
sie auch später einen historischen Wert.*)
*) Zur näheren Erläuterung sei auch hingewiesen auf:
„Die Wiederherstellung von Bauten im 19. Jahrhundert, ins-
besondere die Wiederherstellung der Alexanderkirche zuWildes-
hausen in Oldenburg im Jahre 1908—09.“ Von Dr.-Ing. Alex-
ander Former. Paul Neff Verlag (Max Schreiber), Eßlingen a. N.,
1912. Preis M. 3.—.

Architektonische Rundschau 1914
Seite 72
 
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