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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 30.1914

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Langen, Gustav: Gemeinsame Arbeit der einzelnen Architekten im Städtebau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42063#0108
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Abb. 2. Die Heilig-Geist-Kapelle in Berlin, früherer Zustand, jetzt mit Verständnis ausgebaut zum
Hörsaal der Handelshochschule


presse sein kann, nur bedingten Wert beimessen.
Die zweite Verständigungsmöglichkeit ist das Be-
trachten der Bauwerke selbst und das ernste Er-
wägen ihrer Wirkung in sich selbst und zur Nach-
barschaft. Hier in gemeinsamer Besprechung die
Gesamtwirkung von Farbe, Material, Massenwir-
kung, Detailausbildung und alle übrigen künstleri-
schen Gesichtspunkte eingehend zu behandeln, wäre
ein sicherer Weg zu einer Verständigung, die zur
Schaffung harmonischer Gesamtgebilde in der Wirk-
lichkeit führen müßte. Mit einer solchen gegen-
seitigen Kritik behielten gleichzeitig die Architekten
den Einfluß in eigener Hand, den sie bei dem immer
größer werdenden allgemeinen Interesse an baulichen
Fragen sonst den kommenden Kritiken der Tages-
presse zum Teil abtreten müßten. Dazu gehört aber
als drittes ein nicht nur in offiziellen Vereins-
veranstaltungen und gelegentlichen Festen zu pflegen-
der Zusammenhalt, sondern ein über die heutigen
Zustände noch erheblich hinausgehendes engeres Zu-
sammenarbeiten, kurz der Kulturzusammenhang
höherer Art, dessen Fehlen wir heute leider in den
meisten Ständen und im Gesamtleben der heutigen
Zeit vermissen und der das Leben des einzelnen erst
gehaltvoll macht und mit großen, gemeinsam er-
reichbaren Zielen adelt. Dieser Zusammenhang ist
selten einem Stande so notwendig, wie den Archi-
tekten, da sie ja, im Gegensatz zu den Malern, Bild-
hauern, Musikern, zu den Ärzten, Rechtsgelehrten,
Kaufleuten und den meisten anderen Berufen, ge-
meinsam ein Gesamtwerk hinzuzusetzen haben, das
als Straße, Baublock, Gebäudegruppe, Platz, als
Stadtteil, ja als Gesamtstadt mit Händen zu greifen
ist und mit seinem ganzen Wesen auf Harmonie und
freundnachbarlichen Beziehungen beruht. Weit über
das abstrakte Gebäude des Staates und die Organi-
sation der Kirche und anderer Lebensmächte hinaus

ist ja die Stadt das Gebilde, welches unsere heutige
wie die ehemalige Kultur sinnfällig verkörpert oder
doch verkörpern soll.
Gewiß ist nicht zu verkennen, daß einem solchen
Zusammenschluß eine ganze Reihe zentrifugaler
Kräfte — persönliche Neigung und Abneigung, Ab-
hängigkeit vom Bauherrn, von Bodenbesitz und
anderen Mächten, persönliches Selbständigkeitsge-
fühl und nicht zum wenigsten die Tatsache gegen-
seitiger Konkurrenz — entgegenwirken. Um so mehr
haben wir jedoch die Pflicht, an allen irgend mög-
lichen Stellen die Hebel anzusetzen, um die unserer
Zeit so notwendige Bewegung ins Rollen zu bringen.
Hier kann unteranderem auch das Wandermuseum
für Städtebau, Siedelungswesen und Wohn-
wesen ein Helfer sein, indem es durch das Mittel bild-
licher Darstellung die Hauptziele dieser gemeinsamen
Arbeit zeigt, indem es durch sein periodisches Dasein
in den verschiedenen Städten der Architektenschaft
Anregung auch zu persönlichem Zusammenschluß
gibt und nicht zum wenigsten durch den möglichst
zahlreichen Besuch aller Volkskreise, von den höch-
sten Vertretern der Behörden bis zum Arbeiter, die
ja heute sämtlich in weitgehendem Maße Bauherren
sind, Verständnis für die gemeinsamen Ziele, auch
in den Kreisen der Auftraggeber, verbreitet. Das
ernste Verantwortlichkeitsgefühl, welches den Bau-
herren für die auch volkswirtschaftlich so schwer-
wiegende Festlegung nationaler Werte im Bauwesen
gegeben werden muß, wird eine Hauptstütze zur
städtebaulichen Gesundung des Gesamtbauwesens
sein.
Im folgenden soll ein kurzer Überblick über das
gegeben werden, was das Wandermuseum zu dieser
Frage dem einzelnen zu sagen hat.
Die Möglichkeit, an alten Städtebildern Studien
im Sinne dieser Ausführungen zu machen, war

Architektonische Rundschau 1914
Seite 96
 
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