schmücken; sie entnehmen ihre Lehrkräfte vor-
wiegend den Kreisen der bewährten älteren Be-
amten, offenbar, weil sie ihre Aufgabe in erster
Linie darin sehen, Baubeamte heranzubilden.
Darin besteht der grundsätzliche Unterschied
zwischen dem Lehrbetriebe besonders unserer nord-
deutschen Hochschulen und demjenigen der freien
Akademien. Der Künstler kann sich nur in absoluter
Freiheit entwickeln; der Zwang, seine Studien nach
einem vorgeschriebenen Programm, in steter Rück-
sicht auf das Examen zu betreiben, bedeutet für ihn
eine drückende Einengung seines Entwicklungs-
dranges. Dazu kommt, daß die Baukunst im
eigentlichen Sinne im Organismus der Technischen
Hochschule einen Fremdkörper bildet. Außer den
vorbereitenden Fächern (Baukonstruktionslehre und
Statik) hat sie mit den übrigen technischen Wissen-
schaften nichts gemein. Ja, man kann sagen, daß
sie durch das Fehlen jeglicher anderen künstlerischen
Betätigung an der Technischen Hochschule geradezu
Not leidet. Welche mächtige Anregung würde das
so unendlich viel lebhafter pulsierende, schöpferische
Leben der Kunstakademien, die stete Berührung mit
Malern, Bildhauern und Kunstgewerblern unseren
jungen Architekten bieten! Wieviel anregender wäre
auch für die Lehrenden der stete Gedankenaustausch
mit gleichgesinnten Künstlerseelen, als mit wesens-
fremden, auf ganz entgegengesetzten Gebieten
schaffenden Mathematikern und Ingenieuren! Auch
bietet die heutige Kunstgewerbeschule mit ihren
Lehrwerkstätten den Studierenden die beste Ge-
legenheit, die Holzbearbeitung, die Konstruktion von
Möbeln, die Metallbearbeitung u. dergl., kurz, die
so überaus wichtige Technik des Innenausbaues, die
an der Technischen Hochschule völlig vernachlässigt
wird, in eigener praktischer Betätigung zu erlernen;
ganz abgesehen von der weit günstigeren Gelegen-
heit, sich zum plastischen, räumlichen Sehen, zu einer
nicht bloß dilettantenhaften Fähigkeit im dekorativen
Zeichnen, Malen und Modellieren heranzubilden.
Wir müssen uns endlich einmal eingestehen, daß
die Baukunst nur infolge eines Irrtums heute ihre
Pflegstätte an den Technischen Hochschulen ge-
funden hat. Während früher ihre Jünger durchaus
sich als Künstler fühlten und ihre Ausbildung an
den Akademien und unter der Leitung einzelner her-
vorragender Meister zu vollenden suchten, so für
eine stetige schöpferische Entwicklung der Bau-
gedanken und Bauformen Gewähr leistend, geriet
im Anfang des 19. Jahrhunderts die Baukunst ganz
in den Bann des sich mächtig entwickelnden In-
genieurbauwesens, mit dem sie sich im technisch und
architektonisch ausgebildeten Baubeamten zu einem
unfruchtbaren Zwitterwesen vereinigte. Diese archi-
tektonische Ausbildung des Ingenieurs bestand in
einem äußerlichen Aneignen historischer Stilformen,
mit deren Hilfe er alle vorkommenden Aufgaben
des gesamten Bauwesens zu lösen sich befähigt
glaubte.*) Erst ganz allmählich vollzog sich dann
die Loslösung des „Hochbaues“ vom Tiefbau und
ist in gewissen Verwaltungen heute noch nicht
ganz durchgeführt. Die letzte Folgerung der rein-
lichen Scheidung zweier gänzlich verschiedener
Berufe wäre, wie gesagt, die Ausbildung der Archi-
tekten vorwiegend an Kunstakademien und Kunst-
gewerbeschulen. Ich möchte hier auf die vorbildliche
Architekturabteilung verweisen, die Wilhelm Kreis
an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule geschaffen
hat und die ganz ausgezeichnete Erfolge bei ihren
Schülern erzielt.
Ja, aber das Examen! Freilich, es paßt nicht gut
in den freien Betrieb der Kunstakademie. Ist auch
für den freien Baukünstler ebensowenig notwendig
wie für andere Künstler. Allerdings mag ihm be-
sonders heute, wo die Berufsbezeichnung „Architekt“
vogelfrei und das Urteil des Publikums, von dem er
doch sehr abhängig ist, so verworren ist, eine äußerliche
Unterscheidung vom mangelhaft ausgebildeten Auch-
architekten erwünscht sein. Es wäre denkbar, daß
die Akademie ihren Schülern nach einer gewissen
Zeit erfolgreichen Studiums auch ohne besondere
Prüfung ein Diplom verliehe („Dipl.-Arch.“); oder
wenn man eine Prüfung für unvermeidlich erachtet,
daß diese nach der oben erwähnten Vorprüfung (die
natürlich für den Besuch der Akademie unerläß-
liche Bedingung sein müßte) wesentlich verein-
facht und dabei doch in ihrer auslesenden Wirkung
verschärft werden könnte.
Auch die Ausbildung des Baubeamten würde
durch den geschilderten Studiengang nur gewinnen.
An sich sollte ja zwischen dem als schaffenden
Architekten tätigen Beamten und dem vom Staate
beauftragten Privatarchitekten so wenig ein Unter-
schied bestehen, daß der erstere überhaupt entbehr-
lich wäre, um so mehr, als gerade durch das Moment
der festen, lebenslänglichen Anstellung und Pensions-
berechtigung das künstlerische Niveau gegenüber
dem um jede einzelne Aufgabe in schärfstem Wett-
bewerb ringenden, mit seiner ganzen Persönlichkeit
verantwortlichen Privatarchitekten eher herabge-
drückt als gehoben wird. Durchaus unentbehrlich
sind aber baukünstlerisch gebildete Verwaltungs-
beamte als Erzieher in Staat und Gemeinde, die ver-
ständnisvoll fördernd, beratend, schützend wirken.
Sind sie befähigt, im freien Wettbewerb sich künst-
lerisch lohnende Aufgaben zu erobern, um so besser!
Nur „kraft ihres Amtes“ dürften sie nicht alle
größeren Neubauten an sich reißen, bevor sie be-
wiesen haben, daß sie es wirklich besser können als
die anderen!
So erscheint für den Beamten außer diesem
Studiengang lediglich noch eine Ausbildung und
Prüfung im Verwaltungsdienst notwendig, die dann
*) Diese sinnwidrige Bastardierung feiert ihre schlimmste
Orgie in dem für Architekten einzig erreichbaren akademischen
Grade eines „Diplomingenieurs“ und „Doktoringenieurs“.
Architektonische Rundschau 1914
Seite 19
wiegend den Kreisen der bewährten älteren Be-
amten, offenbar, weil sie ihre Aufgabe in erster
Linie darin sehen, Baubeamte heranzubilden.
Darin besteht der grundsätzliche Unterschied
zwischen dem Lehrbetriebe besonders unserer nord-
deutschen Hochschulen und demjenigen der freien
Akademien. Der Künstler kann sich nur in absoluter
Freiheit entwickeln; der Zwang, seine Studien nach
einem vorgeschriebenen Programm, in steter Rück-
sicht auf das Examen zu betreiben, bedeutet für ihn
eine drückende Einengung seines Entwicklungs-
dranges. Dazu kommt, daß die Baukunst im
eigentlichen Sinne im Organismus der Technischen
Hochschule einen Fremdkörper bildet. Außer den
vorbereitenden Fächern (Baukonstruktionslehre und
Statik) hat sie mit den übrigen technischen Wissen-
schaften nichts gemein. Ja, man kann sagen, daß
sie durch das Fehlen jeglicher anderen künstlerischen
Betätigung an der Technischen Hochschule geradezu
Not leidet. Welche mächtige Anregung würde das
so unendlich viel lebhafter pulsierende, schöpferische
Leben der Kunstakademien, die stete Berührung mit
Malern, Bildhauern und Kunstgewerblern unseren
jungen Architekten bieten! Wieviel anregender wäre
auch für die Lehrenden der stete Gedankenaustausch
mit gleichgesinnten Künstlerseelen, als mit wesens-
fremden, auf ganz entgegengesetzten Gebieten
schaffenden Mathematikern und Ingenieuren! Auch
bietet die heutige Kunstgewerbeschule mit ihren
Lehrwerkstätten den Studierenden die beste Ge-
legenheit, die Holzbearbeitung, die Konstruktion von
Möbeln, die Metallbearbeitung u. dergl., kurz, die
so überaus wichtige Technik des Innenausbaues, die
an der Technischen Hochschule völlig vernachlässigt
wird, in eigener praktischer Betätigung zu erlernen;
ganz abgesehen von der weit günstigeren Gelegen-
heit, sich zum plastischen, räumlichen Sehen, zu einer
nicht bloß dilettantenhaften Fähigkeit im dekorativen
Zeichnen, Malen und Modellieren heranzubilden.
Wir müssen uns endlich einmal eingestehen, daß
die Baukunst nur infolge eines Irrtums heute ihre
Pflegstätte an den Technischen Hochschulen ge-
funden hat. Während früher ihre Jünger durchaus
sich als Künstler fühlten und ihre Ausbildung an
den Akademien und unter der Leitung einzelner her-
vorragender Meister zu vollenden suchten, so für
eine stetige schöpferische Entwicklung der Bau-
gedanken und Bauformen Gewähr leistend, geriet
im Anfang des 19. Jahrhunderts die Baukunst ganz
in den Bann des sich mächtig entwickelnden In-
genieurbauwesens, mit dem sie sich im technisch und
architektonisch ausgebildeten Baubeamten zu einem
unfruchtbaren Zwitterwesen vereinigte. Diese archi-
tektonische Ausbildung des Ingenieurs bestand in
einem äußerlichen Aneignen historischer Stilformen,
mit deren Hilfe er alle vorkommenden Aufgaben
des gesamten Bauwesens zu lösen sich befähigt
glaubte.*) Erst ganz allmählich vollzog sich dann
die Loslösung des „Hochbaues“ vom Tiefbau und
ist in gewissen Verwaltungen heute noch nicht
ganz durchgeführt. Die letzte Folgerung der rein-
lichen Scheidung zweier gänzlich verschiedener
Berufe wäre, wie gesagt, die Ausbildung der Archi-
tekten vorwiegend an Kunstakademien und Kunst-
gewerbeschulen. Ich möchte hier auf die vorbildliche
Architekturabteilung verweisen, die Wilhelm Kreis
an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule geschaffen
hat und die ganz ausgezeichnete Erfolge bei ihren
Schülern erzielt.
Ja, aber das Examen! Freilich, es paßt nicht gut
in den freien Betrieb der Kunstakademie. Ist auch
für den freien Baukünstler ebensowenig notwendig
wie für andere Künstler. Allerdings mag ihm be-
sonders heute, wo die Berufsbezeichnung „Architekt“
vogelfrei und das Urteil des Publikums, von dem er
doch sehr abhängig ist, so verworren ist, eine äußerliche
Unterscheidung vom mangelhaft ausgebildeten Auch-
architekten erwünscht sein. Es wäre denkbar, daß
die Akademie ihren Schülern nach einer gewissen
Zeit erfolgreichen Studiums auch ohne besondere
Prüfung ein Diplom verliehe („Dipl.-Arch.“); oder
wenn man eine Prüfung für unvermeidlich erachtet,
daß diese nach der oben erwähnten Vorprüfung (die
natürlich für den Besuch der Akademie unerläß-
liche Bedingung sein müßte) wesentlich verein-
facht und dabei doch in ihrer auslesenden Wirkung
verschärft werden könnte.
Auch die Ausbildung des Baubeamten würde
durch den geschilderten Studiengang nur gewinnen.
An sich sollte ja zwischen dem als schaffenden
Architekten tätigen Beamten und dem vom Staate
beauftragten Privatarchitekten so wenig ein Unter-
schied bestehen, daß der erstere überhaupt entbehr-
lich wäre, um so mehr, als gerade durch das Moment
der festen, lebenslänglichen Anstellung und Pensions-
berechtigung das künstlerische Niveau gegenüber
dem um jede einzelne Aufgabe in schärfstem Wett-
bewerb ringenden, mit seiner ganzen Persönlichkeit
verantwortlichen Privatarchitekten eher herabge-
drückt als gehoben wird. Durchaus unentbehrlich
sind aber baukünstlerisch gebildete Verwaltungs-
beamte als Erzieher in Staat und Gemeinde, die ver-
ständnisvoll fördernd, beratend, schützend wirken.
Sind sie befähigt, im freien Wettbewerb sich künst-
lerisch lohnende Aufgaben zu erobern, um so besser!
Nur „kraft ihres Amtes“ dürften sie nicht alle
größeren Neubauten an sich reißen, bevor sie be-
wiesen haben, daß sie es wirklich besser können als
die anderen!
So erscheint für den Beamten außer diesem
Studiengang lediglich noch eine Ausbildung und
Prüfung im Verwaltungsdienst notwendig, die dann
*) Diese sinnwidrige Bastardierung feiert ihre schlimmste
Orgie in dem für Architekten einzig erreichbaren akademischen
Grade eines „Diplomingenieurs“ und „Doktoringenieurs“.
Architektonische Rundschau 1914
Seite 19