Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 18.1948/​1950

DOI Artikel:
Nierhaus, Rolf: Eine klassizistische Fortuna-Terrakotte aus Murg (Ldkrs. Säckingen): ein Beitrag zur Ikonographie der Fortuna
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42247#0107

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Eine klassizistische Fortuna-Terrakotte aus Murg

103

staltung im Bild die neu entdeckte Göttin von St. Aubin-sur-Mer (Calvados)
ist41), ist abzulehnen.
Wenn man den Gegenstand im rechten Arm der Statuette lieber als ein kleines
Kind ansprechen will, wäre es naheliegend, an eine Eirene-Figur in der Tra-
dition der Eirene des Kephisodot42) zu denken. Damit kommen wir wieder auf
’Ayatb] Denn der Eirene zeitlich und ikonegraphisch nächst verwandt
ist eine nur literarisch bei Pausanias überlieferte Kultstatue der Tyclie in
Theben mit dem Kind auf dem Arm, an deren Schöpfung ein Zeitgenosse und
und Landsmann des Kephisodot, Xenophon von Athen, zusammen mit dem
Thebaner Kaiiistonikos maßgeblich beteiligt war4S). Schon Pausanias betont in
seinem Bericht über die Statue ihren ikonographischen Zusammenhang mit
der Eirene, wobei die Eirene offenbar als Vorbild gedient hat. Auch von der
Insel Melos ist eine Kultstatue der Tyche gesichert, die sich mit dern rechten
Arm auf eine Säule stützt und in ihrem linken ein kleines Kind trägt44). Sie
dürfte ins 4. Jhdt. v. Chr. anzusetzen sein. Indessen scheint das Motiv des
kleinen Kindes auf dem Arm der Mutter oder Amme (so deutet Pausanias das
Motiv) als Abzeichen der segenspendenden Tyche keine Nachfolge gefunden
zu haben. Es fehlt im Hellenismus offenbar ganz. M. W. alleinstehend ist die
Verwendung der Eirene mit dem Kind als Tyche einer Stadt mit der Mauer-
krone auf dem Kopf auf einer kaiserzeitlichen Kuchenform aus Trier 4S). Die
griechischen Münzbilder der Eirene wie die römischen der Pax und diejenigen
der Tyche-Fortuna kennen jedenfalls diese Göttinnen mit dem Kind auf dem
Arm nicht46), wie ja überhaupt die Gestalt der griechischen Eirene in der Kai-
serzeit fast ganz untergeht und statt ihrer cü|iÖvo:aals das griechische Äqui-
valent der Pax Romana, des durch die römische Herrschaft und ihre Rechts-
satzungen bewirkten friedlichen Ausgleichs aller Spannungen auftritt47); deren
Abzeichen sind aber andere als diejenigen der Eirene des 4. Jhdts. v. Chr. und
stehen hier nicht zur Erörterung.
Auch die auf den kaiserzeitlichen Münzbildern seit Trajan vorkommende
Frauenfigur mit dem kleinen Kind auf dem Arm hilft in unserm Zusammen-
hang nicht weiter. Die Figur bezieht sich teils auf die Alimentationsstiftungen
der Kaiser für stadtrömische Kinder 48), teils auf die proles August a, die
Nachkommenschaft Marc-Aurels als Caesar zu Lebzeiten des Antoninus Pius so-
wie auf diejenige des Lucius Verus und des Commodus. Diese Münzen feiern un-
ter Antoninus Pius gelegentlich in Pietas mit einem: Kind auf dern Arm und einem,

«) H. Möbius, Arch. Anz. 58, 1843, 139 ff., Abb. 1—4; Y. Bequignon, Monum. Piot
43, 1947/48, 83 ff. u. Taf. 11. Weitere Beispiele: Fortuna aus dem Villenbad in
Pölich (Ldkrs. Trier): 30. Ber. Röm.-Germ. Komm. 1941, Taf. 5, 1. — Relief vom
Lindenhof in Zürich: E. Vogt, Der Lindenhof in Zürich (1948) Taf. 31, 2 und
S. 139 f., wo weitere Belege.
42) Springer-Wolters a. a. O. 327 Abb. 606.
43) Pausanias IX, 16, 1—2; dazu RE. 1678; ML. 1358 ff.
«) Die Nachweise s. ML. 1350 f.; 1359. — RE. 1648.
45) Germania 19, 1935, 338 Abb. 1; Trier. Zeitschr. 9, 1934, Taf. 19, 2.
46) Vgl. Engelhard 37.
47) Vgl. Bosch a. a. O. (s. Anm. 21) 184 f.
48) So unter Trajan: P. L. Strack, Unters, zur röm. Reichspräg, des 2. Jhdts. I: Die
Reichsprägung z. Zt. d. Trajan (1931) 188 f. Nr. 405 und Taf. 7. — Unter Hadrian:
Ebda. II: Die Reichspräg. z. Zt. d. Hadrian (1933) 59 Nr. 526. —Unter Antoninus
Pius zu Ehren der vergöttlichten Faustina d. Ä.: Ebda. III: Die Reichspräg,
z. Zt. d. Anton. Pius (1937) 97 f. Nr. 433—434. 1248 und Taf. 6.
 
Annotationen