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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 18.1948/​1950

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Kimmig, Wolfgang: [Rezension von: Richard Pittioni, Die urgeschichtlichen Grundlagen der europäischen Kultur]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42247#0354

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Buchbesprechungen

gültigen Übersicht über den von Jahr zu Jahr steigenden und immer schwerer
überschaubaren urgeschichtlichen Fundstoff Europas. An solchen Darstellungen
mangelt es freilich nicht: Von Gustav Kossinnas „Deutscher Vorgeschichte“ und
Carl Schuchhardts Büchern über „Alteuropa“ und „Vorgeschichte von Deutschland“,
von Ernst Wahles „Vorgeschichte des deutschen Volkes“ und „Deutsche Vorzeit“
bis zu den jüngsten Versuchen etwa Friedrich Behns „Vor- und Frühgeschichte“
oder „Kultur der Urzeit“ spannt sich ein weiter Rahmen, der zudem noch durch
eine Reihe außerdeutscher Autoren wie Joseph Dechelette, Nils Aberg und Gor-
don Childe eine nicht unbeträchtliche Ausweitung erfährt. Aber es liegt in der
Natur der Sache, daß alle diese „Analysen“ meist eine eigenwillige und persönliche
Darstellung lieben, daß sich zudem unwillkürlich Schwerpunkte bilden, die bei dem
immer mehr um sich greifenden Spezialistentum auch in der Urgeschichtswissen-
schaft wohl unvermeidlich sind.
Pittionis „Grundlagen“ versuchen hier einen neuen Weg einzuschlagen. Schon im
Vorwort betont der Verfasser, daß ihm daran gelegen sei, persönliche Auffassun-
gen so weit als möglich auszuschalten. Oberstes Ziel wäre die referierende Wie-
dergabe sachlich erarbeiteter Forschungsergebnisse.
Nach einer kurzen Übersicht über die „Grundbegriffe“ der Urgeschichtswissenschaft
werden in fünf großen Abschnitten die urgeschichtlichen Zeitperioden von der äl-
teren Steinzeit bis zur jüngeren Eisenzeit abgehandelt. Ein knappes Literaturver-
zeichnis und ein Schlagwortregister beschließen das Buch. Jeder Zeitperiode ist
eine Chronologietabelle beigefügt, aus der die einzelnen Kulturen miteinander in
Beziehung gesetzt und den absoluten Zeitwerten gegenübergestellt werden. Da der
räumliche Vergleich von Anatolien bis Spanien und von Nordeuropa bis zum Mit-
telmeer reicht, liegt es auf der Hand, daß man hier vielfach anderer Auffassung
sein kann, doch bleibt die Nützlichkeit solcher Übersichten unbestritten. Spezielle
Chronologiesysteme etwa für die nordische Bronzezeit oder für Italien werden kurz
erläutert. Für Mitteleuropa werden die Reineckeschen Stufen im wesentlichen über-
nommen. Hier vermissen wir etwa die modifizierenden und wohl begründeten Vor-
schläge Friedrich Holstes für die Bronzezeit. Auch die Stellung der Urnenfelder-
kultur kommt nicht klar zum Ausdruck, wenn die Stufe B einmal als jüngere Ur-
nenfelderkultur (S. 185), ein anderes Mal als Stufe B der Hallstattkultur (S. 274)
umschrieben wird. Solche Unstimmigkeiten sind jedoch angesichts der verwirren-
den Vielfalt der Auffassungen wohl kaum zu vermeiden.
141 meist zeichnerische Abbildungen, deren Güte leider oft sehr zu wünschen übrig
läßt, sollen dem Leser den Gang der Darstellung erleichtern helfen. Verfasser hat
sich bemüht, hier das jeweils Typische auszuwählen, was ihm in vielen Fällen gut
gelungen ist. Der ungeschulte Leser kann sich so z. B. schnell über den Haupt-
formeninhalt der Monteliusstufen I—VI oder über die norditalischen Gruppen der
älteren Eisenzeit orientieren. Aber auch hier muß man wieder einschränkend fest-
stellen, daß ein Großteil des Fundstoffes gar nicht oder nur ungenügend abgebildet
worden ist. So genügen etwa die keramischen Formen des westeuropäischen
Neolithikums (S. 96) in keiner Weise, aus Mitteldeutschland fehlen so wichtige
Gruppen' wie Schönfeld, Balberg oder die Kugelamphorengruppe völlig, das ge-
samte englische Neolithikum ist mit nur einem Gefäß vertreten. Gleiches gilt für
die folgenden Epochen. In der Bronzezeit ist das Mittelmeergebiet, Ungarn und der
Norden reichlich bedacht, während etwa die Schweiz, Süddeutschland und Frank-
reich sehr stiefmütterlich behandelt sind. Bronzen der Urnenfelderkultur sind aus
ihrem Gesamtverbreitungsgebiet zahlreich abgebildet, während etwa bei der Ke-
ramik nur eine sehr einseitige Auswahl ostalpiner Formen wiedergegeben ist. In
der älteren Eisenzeit kann man sich gut über Italien und den Raum der ehemaligen
Donaumonarchie orientieren, während man über Süddeutschland und Frankreich
nahezu nichts erfährt. In der jüngeren Eisenzeit endlich fehlt etwa jegliches Bild-
material über so ausgeprägte Gruppen wie die Marnekultur Frankreichs oder die
Hunsrück-Eifelkultur Westdeutschlands.
Solche Beispiele ließen sich vermehren. Vergleichen wir etwa die Pittionische Bild-
auswahl mit dem Xbergschen Bilderatlas, so scheint uns letzterer besser geglückt
zu sein, wenngleich auch dieser an denselben Schwierigkeiten krankt, die darin
bestehen, daß es fast unmöglich scheint, den ungeheuren Fundstoff mit den vor-
handenen Geldmitteln in glücklicher Weise zu koordinieren. Dazu kommt als wei-
 
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