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Badische Kunst: Jahrbuch d. Vereinigung Heimatliche Kunstpflege, Karlsruhe — 1.1903

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Schmitthenner, Adolf: Der erste Reiter: eine Geschichte aus uralter Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.52611#0015
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Ihn habe ich erschlagen, erwiderte der Vater, aber sie nicht, das
hat ein anderer getan.
Er betrachtete seine rechte Hand und schauderte, dann schleuderte
er sie an die Felswand und schüttelte heftig den Kopf. Drauf sah er
eine Weile sinnend vor sich nieder. Der Mond war über die Wipfel
der Bäume gekommen, und ein Wind strich in der Ferne vorbei, denn
von weitem klang ein Rauschen und verklang.
Nun weiss ich es, raunte der Vater und fasste seinen Sohn um den
Knöchel der linken Hand. Du hast mich nach der Mutter rufen hören?
Ja, Vater. Du hast geschrieen, wie du ehedem schrieest, wenn du
mit Jagdbeute nahtest. Dann legte die Mutter ihr Gerät beiseite und
sagte zu mir: der Vater kommt, wir gehen ihm entgegen. Seit die
Mutter tot ist, kommst du still nach Hause.
Ja, so ist es: ich habe der Mutter gerufen, flüsterte der Vater.
Weisst du, der andere war bei mir und drückte mir die Kehle zu und
wollte mir das Herz einschlagen. Da hab’ ich der Mutter gerufen, dass
sie mich rette. Und sie kam und verscheuchte ihn.
Gewiss war es so, sagte der Sohn; auch er flüsterte. Denn die
Mutter hatte nur einen Schritt zu dir: sie war bei mir.
Bei dir?
Ja, bei mir. Sie kommt oft zu mir.
Erzähle!
Sie kam zu mir und beugte sich über mein Lager und wollte mich
tränken. Dabei schaute sie mich an mit ihren hellen strahlenden Augen.
Es war lichter Tag in der Höhle, und die Sonne schien herein.
Ich wehrte ihr und sagte: ich bin zu gross, Mutter, und trinke zu
stark. Ich würde dir das Blut aussaugen. Aber es ist gut, dass du
gekommen bist, Mutter. Das Herz ist mir so schwer. Ich will dir
mein Leid klagen.
Da strich sie mir das Haar aus der Stirne und sah mir in die
Augen und fragte: was fehlt dir, mein Sohn?
Gib mir ein Weib, Mutter! Aber eines wie du bist, so gross wie
du, und mit so weisser Haut, wie deine ist, und Haare von Sonnengold
muss sie haben wie du, und auch so grosse lachende Augen, wie
du sie hast.
Da lachte sie mich an und nickte und küsste mich an den Mund
und richtete mich auf. Ich sass auf meinem Lager und schmiegte

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