Als der Sohn vor die Höhle kam, hatte der Vater schon das Tier
ausgeweidet und das Eingeweide vergraben und kauerte nun auf dem
Boden und drehte das Feuerholz im Stein. In weitem Bogen ging der
Sohn an ihm vorüber, damit nicht der Luftzug das Flämmchen erlösche,
und er verschwand in der Höhle. Aber alsogleich kam er wieder
heraus und sagte:
Wir haben Besuch gehabt, aber nicht von einem Tier. Unser
Gerät ist verrückt und verstellt, und meine Schale ist nimmer da.
Dann ging er an den Brunnen und löschte seinen Durst.
Er hatte seine Arme auf einen Sims des Felsens gestemmt und
hielt die dürstenden Lippen an den Born. Das Wasser schlug wider
seine Brust, und an Hüften und Schenkeln hingen klare Tropfen.
Als er sich wieder aufrichtete, folgten seine Augen dem nieder-
plätschernden Wasser. Da sah er dicht an dem Fleck, wo er seine rechte
Hand aufgestützt hatte, etwas goldiges blinken im Sonnenschein. Es war ein
langes, blondes Haar, das in einem Felsenritz festgeklemmt war. Seine
beiden Enden flatterten in dem Hauche, der die jungen Buchenwipfel
geschwellt hatte und der jetzt um den Felsen strich der Morgensonne zu.
Das hast du getan, Mutter, flüsterte er leise.
Das Herz schlug ihm bis zum Halse hinauf, und seine Finger
zitterten, als er das gefangene Haar löste. Er brachte es aus der
Klemme, ohne dass es zerriss. Es war zart und fein wie ein Sonnen-
strahl. Er hielt es der Sonne entgegen; da flimmerte es wie Gold.
Er mass es an seinem linken Arm: es reichte von der Arm Wurzel bis
über die Fingerspitze hinaus. Da schlang er das Haar um seinen
Handknöchel und zog eine Schleife. Dann streckte er die Arme gen
Himmel und rief schmerzvoll: du hast mir ein Weib geschickt, Mutter,
aus deinem Geschlecht; sie kam und fand mich nicht!
Unterdessen hatte der Vater Feuer entzündet. Er legte dürre
Gräser und Reisig auf das brennende Heu und sagte mit kurzem Aufblick:
Du entbehrst der Gattin; ich weiss es.
Sie war hier, klagte der Sohn, und sie fand mich nicht.
Ein Weib war hier, erwiderte der Vater und betrachtete die Fuss-
spuren im feuchten Lehm. Aber auch ein Mann war da, und ich rate
dir nicht, einem Manne sein Weib zu rauben.
Der Sohn schüttelte den Kopf und sagte: ich weiss, du schickst
mir eine Jungfrau, Mutter!
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ausgeweidet und das Eingeweide vergraben und kauerte nun auf dem
Boden und drehte das Feuerholz im Stein. In weitem Bogen ging der
Sohn an ihm vorüber, damit nicht der Luftzug das Flämmchen erlösche,
und er verschwand in der Höhle. Aber alsogleich kam er wieder
heraus und sagte:
Wir haben Besuch gehabt, aber nicht von einem Tier. Unser
Gerät ist verrückt und verstellt, und meine Schale ist nimmer da.
Dann ging er an den Brunnen und löschte seinen Durst.
Er hatte seine Arme auf einen Sims des Felsens gestemmt und
hielt die dürstenden Lippen an den Born. Das Wasser schlug wider
seine Brust, und an Hüften und Schenkeln hingen klare Tropfen.
Als er sich wieder aufrichtete, folgten seine Augen dem nieder-
plätschernden Wasser. Da sah er dicht an dem Fleck, wo er seine rechte
Hand aufgestützt hatte, etwas goldiges blinken im Sonnenschein. Es war ein
langes, blondes Haar, das in einem Felsenritz festgeklemmt war. Seine
beiden Enden flatterten in dem Hauche, der die jungen Buchenwipfel
geschwellt hatte und der jetzt um den Felsen strich der Morgensonne zu.
Das hast du getan, Mutter, flüsterte er leise.
Das Herz schlug ihm bis zum Halse hinauf, und seine Finger
zitterten, als er das gefangene Haar löste. Er brachte es aus der
Klemme, ohne dass es zerriss. Es war zart und fein wie ein Sonnen-
strahl. Er hielt es der Sonne entgegen; da flimmerte es wie Gold.
Er mass es an seinem linken Arm: es reichte von der Arm Wurzel bis
über die Fingerspitze hinaus. Da schlang er das Haar um seinen
Handknöchel und zog eine Schleife. Dann streckte er die Arme gen
Himmel und rief schmerzvoll: du hast mir ein Weib geschickt, Mutter,
aus deinem Geschlecht; sie kam und fand mich nicht!
Unterdessen hatte der Vater Feuer entzündet. Er legte dürre
Gräser und Reisig auf das brennende Heu und sagte mit kurzem Aufblick:
Du entbehrst der Gattin; ich weiss es.
Sie war hier, klagte der Sohn, und sie fand mich nicht.
Ein Weib war hier, erwiderte der Vater und betrachtete die Fuss-
spuren im feuchten Lehm. Aber auch ein Mann war da, und ich rate
dir nicht, einem Manne sein Weib zu rauben.
Der Sohn schüttelte den Kopf und sagte: ich weiss, du schickst
mir eine Jungfrau, Mutter!
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