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Badische Kunst: Jahrbuch d. Vereinigung Heimatliche Kunstpflege, Karlsruhe — 1.1903

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Schmitthenner, Adolf: Der erste Reiter: eine Geschichte aus uralter Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.52611#0024
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Der Vater streckte sich auf sein Lager. Er lag auf dem Rücken
und legte die gefalteten Arme unter die schwarzen Haare.
Wohin? rief er dem Sohne nach.
Ich will meine Trinkschale suchen! lautete die Antwort.
Sie kam schon aus der Ferne.
Oben auf dem Gipfel des Felsens stand die blanke Gestalt und
schaute auf der Mutter Grab.
Mutter, lebe wohl! Ich gehe zu dem Weib, das du mir beschert hast.
Er neigte das Haupt und lauschte.
Noch einmal hör’ ich das Brünnlein der Heimat rauschen. Noch
einmal und nimmermehr.
Und er wandte sich und schritt der Morgensonne entgegen.
* *
*
Es war in den fünften Tag, dass Herde auf Herde dahinjagte,
alle desselben Wegs, das Stufengelände herab in das Tal hinein und
dann rechts und links vom Flusse nach der Niederung am grossen
Strom. Von fernher kamen die vordersten dieser wandernden Völker.
Es mochte ein grosser Steppenbrand sein, der die weidenden Scharen
zusammengetrieben und vor sich her gescheucht hatte, und aus der
wilden Flucht war eine rastlose, pfeilgeschwinde Reise geworden, die,
je länger sie währte, um so drängender und sehnsüchtiger wurde, von
der Hochebene hinab über die welligen Hügel des Vorlandes in die
Schluchten des Gebirges und durch das Flusstal dem breiten Strom-
lande zu, nach dessen Triften sich die schnaubenden Nüstern streckten.
Die Herden, durch deren Weidegebiet die Reise ging, wurden
bestürzt und unruhig. Die Hengste standen und schauten zu und
schauten nach. Und dann fingen auch ihnen an die Weichen zu
zittern. Sie hoben den Fuss und setzen sich langsam in Trab. Die
Herde zog sich zusammen, und wie unter dem dumpfen Drang einer
gefühlten Notwendigkeit zog sie des gleichen Weges dahin, zuerst lang-
sam und vorsichtig, aber bald war es als ob unsichtbare Geisselhiebe
die Flanken träfen. Sie rasten dahin in derselben wilden Jagd wie
ihre Wegbahner.
Staunend sahen die Menschen, die vereinzelt auf der langen Strecke
hausten, den Zug an sich vorüberbrausen; und wenn die scheuen,
wilden Tiere, die um ihre Hütte schweiften, sich in heller Mondnacht

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