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Badische Kunst: Jahrbuch d. Vereinigung Heimatliche Kunstpflege, Karlsruhe — 1.1903

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Schmitthenner, Adolf: Der erste Reiter: eine Geschichte aus uralter Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.52611#0027
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Mutter! flüsterte er leise und ehrfurchtsvoll. Sie stand hinter ihm.
Aber er wagte nicht, zurückzuschauen.
Im Osten wurde es helle. Und die ersten Pfeile der Sonne flogen
herauf, nicht dicht bei einander, — in Abständen, aber über den ganzen
weiten Himmel hin, dort einer, und dort einer, und rosige Streifen
zeichneten ihre Bahn. Und es glühte auf und es wogte herauf der
zarte leidenschaftliche Hauch der kommenden Sonne.
Die Rosse wieherten, ihre Mähnen sträubten sich. Rücken an
Rücken glitten, sausten, donnerten sie vorbei, immer näher und näher.
Dem Jüngling stoben die Steine um das Haupt, jetzt peitschte ein
Schweif seine Lenden, jetzt schnaubte der Odem an seiner Nase. Er
aber zog sich zusammen, wie der Luchs tut, und kauerte zum Sprung.
Denn seine Mutter beugte sich über ihn und wies mit dem ausge-
streckten Arm dem Morgenrot entgegen über die wehenden, wirbelnden
Mähnen hinweg und raunte ihm zu: dort! dort! dort ist dein Weib!
Ein Sprung, — und er hing in der Mähne. Er kniete auf dem
Rücken, die Mähne wand er um die eine Faust, — um die andere Faust, —
und jetzt ritt er das Tier, so wie der Alp den Menschen reitet.
Die Stute stutzte, dann stieg sie in die Höhe und suchte die Last
herunterzuwerfen. Aber der Reiter schloss die Schenkel um die Weichen
des Pferdes und grub die Arme immer tiefer in das Dickicht der
Mähne. Eine Weile stand das Pferd zitternd vor Entsetzen, dann jagte
es dahin in sinnloser Angst. Es brach quer durch die Reihen der
stürmenden Genossen und raste einen Hügel hinauf, vor dem Schatten
hoher Fichten scheute es zurück und schoss wie ein Pfeil den Hügel
hinab, brach sich zum zweitenmal Bahn durch den flutenden Strom
der Leiber und warf die Beine rasend in die Luft. Aber der Mensch
auf seinem Rücken klammerte sich fester und fester. Jetzt warf sich
das Ross auf den aufgestampften Wiesengrund und wälzte sich, um
seinen Meisterer zu meistern. Aber der war abgesprungen und der
Todesgefahr entronnen. Als das Pferd sich wieder aufrichtete und
siegesfroh wieherte, weil der Rücken ledig war, da hing ihm der Mensch
schon wieder in der Mähne. Er wurde geschleift, er flog neben dem
Tiere her, aber jetzt stemmte er den linken Fuss an die Weiche der
Stute. Das Pferd zuckte zusammen und stöhnte auf, als es zum ersten-
male die Ferse des Menschen spürte, und im nächsten Augenblick sass
ihm der Überwinder wieder reitend im Rücken. Als er sich zum

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