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Baensch-Drugulin, Egbert Johannes [Hrsg.]; Sütterlin, Ludwig [Hrsg.]; Gutenberg, Johannes [Gefeierte Pers.]
Marksteine aus der Weltlitteratur in Originalschriften: zur Erinnerung an das fünfhundertjährige Geburtsfest des Altmeisters Johannes Gutenberg — Leipzig: Offizin W. Drugulin, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.37369#0124
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ÜBERSETZUNG.

Das Ende der fünfziger und der Anfang der sechziger Jahre (des neunzehnten
Jahrhunderts) werden eine bedeutsame Epoche in unsrer Geschichte bleiben.
Die damals unternommenen Reformen entsprachen seit langer Zeit vor-
handenen, aus schweren Vorgängen der früheren Geschichte ererbten Be-
dürfnissen des russischen Volkes. Die Reformen lösten praktische Fragen
und befriedigten zugleich die sittliche Empfindung der Gesellschaft: so die
Bauernbefreiung, die Reformen im Gerichtswesen und in der Landschafts-
verwaltung, eine gewisse Erleichterung der äusseren Lage der Presse, diese
wesentliche Bedingung für Fortschritte der Litteratur; so der Anfang der Be-
mühungen um die Volksschule. Es ist begreiflich, dass Reformen, die in den
Gesamtbestand des russischen Lebens eingriffen, einen Konflikt der zwei ein-
ander entgegengesetzten Ordnungen der Dinge hervorriefen. Die Reformen be-
gegneten vom ersten Anfang an feurigen Anhängern und erbitterten Gegnern;
diese wollten einerseits, in ihrer Selbstsucht befangen, sich von den gewohnten
Lebensformen nicht trennen, andrerseits begriffen sie, nicht selten ganz auf-
richtig, gar nicht die Möglichkeit der Einführung neuer Formen, zweifelten
sogar an der Möglichkeit der Ausführung von Reformen. Die Thatsachen
haben sie widerlegt. Die Regierung fand unter den Vertretern der Gesellschaft
Männer, die zunächst im stände waren, den gordischen Knoten der Bauern-
frage zu lösen, einen Plan zur Reform des Gerichtswesens zu entwerfen und
auszuführen, die Sache der Selbstverwaltung der Landschaft auf gesunde
Grundlage zu stellen; im Schosse der Gesellschaft fanden sich eifrige Förderer
der Volksschule u. s. w. Jetzt, wo diese Reformen — so oder so — geschichtlich
werden, wo die letzten handelnden Personen jener Epoche ihre irdische Lauf-
bahn vollenden, tritt vor die Gesellschaft der Gegenwart eine lange Reihe
von Biographien und Nekrologen mit den Namen der Männer, die in edler,
verständiger und aufopfernder Weise dem grossen Werke gedient haben.
Woher fanden sich diese Männer zusammen ? Es ist kein Zweifel, dass zu ihrer
Ausbildung gerade jene Litteratur der ausgehenden dreissiger, darnach der
vierziger Jahren mitgewirkt hat, die zu der Zeit die einzige freie Bahn und
das einzige Werkzeug für das öffentliche Denken war. Gerade diese Litteratur
hat in ihren besten Vertretern auf dem Gebiete der Kunst und der Wissen-
schaft die hohe Auffassung der öffentlichen Pflichten gelehrt, hat den Glauben
an den sittlichen Wert des Volkes und an die Volkskräfte eingegeben, hat


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