Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bałus, Wojciech
Krakau zwischen Traditionen und Wegen in die Moderne: zur Geschichte der Architektur und der öffentlichen Grünanlagen im 19. Jahrhundert — Stuttgart: Steiner, 2003

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57161#0021
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Städtebauliche Entwicklung

Krakau nahm zur Zeit des Zerfalls des polnischen Staates beinahe den gleichen
Raum ein wie zur Zeit seiner Gründung im Jahre 1257 und war noch immer von
mittelalterlichen Wehrmauern umgeben (Abb. 1). Die Altstadt, seit dem frühen
Mittelalter mit der Herrscherresidenz auf dem Wawelhügel verbunden, war nach
Magdeburger Recht gegründet worden und stellte ein Beispiel für eine schach-
brettartige urbane Anlage mit oval verlaufenden Wehrmauern dar. Die im Jahre
1772 erfolgte Eingemeindung einiger Vororte (z.B. Wesola und Piasek) und
zweier bisheriger Satellitenstädte (Kazimierz und Kleparz)20 sowie die Beseiti-
gung der mittelalterlichen Wehrmauern, an deren Stelle der erste Stadtpark, die
Planty, angelegt wurde (1822-1830), erlaubte es, in den folgenden dreißiger Jah-
ren einen Plan zur Verschönerung Krakaus zu erarbeiten. Jenes erste komplexe
städtische Projekt sah keinen weitreichenden Eingriff in die vorgefundene städte-
bauliche Struktur vor, sondern zielte eher auf eine Sanierung des bestehenden
Zustandes und eine Neuordnung der Vororte ab21.
Auch die Errichtung der Festung Krakau zerstörte das bis dahin vorhandene
urbane Gefüge vorerst nicht. Die neuen Wälle entstanden auf einem ähnlichen
Grundriß wie die mittelalterlichen, lediglich einige hundert Meter weiter
(Abb. 2)22. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das historische
Zentrum nicht angetastet, auch keine Schneisen für neue Straßen oder Plätze (wie
z.B. in Paris) geschlagen, so daß also die alte, schachbrettförmige Anlage über-
dauerte. Neue Stadtteile entstanden ausschließlich zwischen den Planty und dem
Festungswall. Dies wurde zusätzlich durch das Vorhandensein sogenannter
Demolationsreversen außerhalb der Befestigungsanlagen begünstigt, die die Ei-
gentümer auf Verlangen der militärischen Machthaber bedingungungslos zum
Zerstören ihrer Gebäude zwangen. Die Straßen in den neuen Stadtteilen wurden
entweder in Verlängerung der aus dem alten Zentrum herausführenden Straßen
oder als deren Querverbindungen angelegt. Im Endeffekt erhielt Krakau in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine radial-ringförmige Stadtform mit dem
Hauptmarkt als Zentrum und dem von den Planty als der Grenze zwischen der
mittelalterlichen Stadt und den Stadtteilen des 19. Jahrhunderts gebildeten Grün-
gürtel.
Als 1906 die Festungsgrenze endlich verschoben wurde und im Jahr darauf die
Stadt das Territorium der ehemaligen Festungsanlagen (Glacis) für die Summe
von einer Million Kronen kaufte, eröffnete sich die langersehnte Möglichkeit,

20 BOROWIEJSKA-BIRKENMAJEROWA, Maria/DEMEL, Juliusz: Dzialalnosc urbanistycz-
na i architektoniczna Senatu Wolnego Miasta Krakowa w latach 1815-1846 [Die städtebauliche
und architektonische Tätigkeit des Senats der Freien Stadt Krakau in den Jahren 1815-1846].
Warszawa 1963 (Studia i Materialy do Teorii i Historii Architektury i Urbanistyki 4), 26.
21 Ebd., 68-70.
22 DEMEL (wie Anm. 10) 304. - BOGDANOWSKI, Janusz: Warownie i zielen twierdzy
Krakow [Forts und Grünanlagen der Festung Krakau]. Krakow 1979.
 
Annotationen