Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bałus, Wojciech
Krakau zwischen Traditionen und Wegen in die Moderne: zur Geschichte der Architektur und der öffentlichen Grünanlagen im 19. Jahrhundert — Stuttgart: Steiner, 2003

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57161#0074
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Monumentis Patriae naufragio ereptis
(Fazit)

Im Jahre 1895 ließ Graf Emeryk Hutten-Czapski einen Pavillon zu seinem soeben
erstandenen kleinen Stadtpalast an der Wolska-Straße (heute Pilsudski-Straße)
hinzubauen. Der Pavillon, von Tadeusz Stryjenski und Jozef Pokutyriski noch im
selben Jahr entworfen und bis 1897 erbaut, sollte Ausstellungszwecken dienen1.
Czapski ließ seine große Sammlung von Büchern, Handschriften, Kunstwerken
und vor allem Münzen und Medaillen in Krakau unterbringen, um sie hier dem
Publikum zugänglich zu machen. Der Pavillon trägt an seinem Hauptgesims eine
symptomatische Inschrift: MONUMENTIS PATRIAE NAUFRAGIO EREPTIS. Die
Sammlung war nicht nur das Resultat seiner reinen Freude am Kunstgenuß, son-
dern wurde von Czapski auch als eine patriotische Aufgabe gesehen2. Das naufra-
gium Polens schuf das Bedürfnis, die Reste der nationalen Überlieferungen und
Schätze zu retten. Das Krakau der Zeit der Autonomie wurde als ein Ort betrach-
tet, an dem diese geretteten monumenta patriae - wie die Sammlungen Czarto-
ryskis oder Czapskis - eine Heimstatt finden konnten. Krakau war also einerseits
ein stiller und sicherer Hafen, weit von den Stürmen der Geschichte entfernt. An-
dererseits aber waren alle Vorhaben und aktiven Handlungen unter dem Druck der
Erinnerung an die historische Katastrophe Polens und mit dem Bewußtsein stän-
diger Flexibilität der Geschichte, an diesem Ort unternommen worden. Daß die
Geschichte einen guten ebenso wie einen schlechten Verlauf nehmen kann, lag
gerade in Krakau auf der Hand. Die Westfassade des „Querschiffs“ der Tuchhal-
len, die Tomasz Prylinski während der Restaurierung des Gebäudes errichtet hatte,
zierten im Bereich der Attika zwei weibliche Büsten. Der Stern und der Mond
über ihren Stirnen weisen daraufhin, daß die Figuren den Morgen und den Abend
darstellen. Zwei Kartuschen unter den Fenstern tragen lateinische Inschriften.
Links steht geschrieben: NATALE SOLUM DULCEDINE CUNCTOS DUCIT ET
IMMEMORES NON SINIT ESSE SUI, und rechts: ILLA NON EST CIVITAS, CUM
LEGES IN EA NIHIL VALENT, CUM MOS OCCEDIT PATRIUS. Die Stadt könne
also nur dann blühen, wenn im Land Recht herrsche. Mit dem Sieg der Willkür sei
sie dem Untergang geweiht. Man solle die Geschichte beachten, dürfe deren Feh-
ler nicht wiederholen, müsse in der Gegenwart vorsichtig handeln und den mögli-
chen Verlauf der Zukunft einbeziehen. Diesen Gedanken verkündigt die schon

1 KOCÖJOWA, Maria: „Pami^tkom ojczystym ocalonym z burzy dziejowej“. Muzeum Eme-
ryka Hutten Czapskiego (Stankdw-Kraköw) [„Den in den Stürmen der Geschichte geretteten natio-
nalen Erinnerungsschätzen“. Das Museum von Emeryk Hutten Czapski (Stariköw-Kraköw)].
Krakow 1978, 84f.
2 Ebd., passim. - HACZEWSKA, Bogumila/KORCZYNSKA, Elzbieta: Emeryk Hutten-Czap-
ski. The Exhibition of his Collection. In: Emeryk Hutten-Czapski, wystawa kolekcji w stulecie
smierci - Emeryk Hutten Czapski. An Exhibition of his Collection on the Centenary of his Death.
Katalog der Ausstellung im Nationalmuseum Krakau. Krakow 1997, 22-33, hier 22-24.
 
Annotationen