während der letzten zwei Tage unaufhörlich spielen
lassen, um an die guten Gesinnungen des russischen
Kabinets zu Gunsten des Friedens zu appelliren;
er hat die schwersten Verwicklungen in Aussicht
gestellt, die eine kategorische Ablehnung nach sich
ziehen würde.
Diesen Morgen ließ der Kaiser Alexander den
Staatskanzler und Hrn. v. Seniavin rufen, um
sie von der Entscheidung, die er gefaßt und von
dem Wunsche, daß sie sofort dem Grafen Esterhazy
initgetbeilt werde, in Kenntniß zu setzen. Der
Unterstaatssekrekär des Auswärtigen wurde beauf-
tragt, die Note der Staatskanzlei dem österreichi-
schen Gesandten zu überbringen. Gleichzeitig ging
der kurzgefaßte Inhalt dieser Note durch den Tele-
graphen nach Wien ab. Die Eröffnung des Grafen
Ncfflrode an den Grafen Esterhazy beginnt mit
den Worten: „Um einen neuen Beweis der fried-
lichen Gesinnungen zu liefern, welche ihn im
Interesse des europäischen Gleichgewichts beleben,
hat der Kaiser, mein erlauchter Herr, öffentlich
den Werth zu erkennen geben wollen, den er auf
die Befestigung der Freundschaftsbande legt, die
ihn mit dem Wiener Hofe und den andern Höfen
Europa's vereinigen."
Der Kaiser scheint in diesen schwierigen Um-
ständen nur Nach bei sich selbst geholt zu haben.
Er hat dlos den Großfürsten Nikolaus mit der
delikaten Mission beauftragt, seine Entscheidung
dem Großfürsten Konstantin mitzutheilen. Wir
werden hier erst morgen erfahren, was bei dieser
Zusammenkunft vorgefallen ist . . . Die Vertreter
der auowärtigen Mächte begaben sich auf die Staats-
kanzlei, um der Negierung des Kaisers Glück zu
wünschen. Graf Esterhazy war nicht der Letzte
unter ihnen. Er schien sehr erfreut über den un-
erwarteten Ausgang seiner Mission; aber er sand
den Grafen Neffcirode zurückhaltend und wenig
geneigt, sich weichherzig gehen zu lasten. Als Graf
Esterhazy nach Hause zurückkam, machte er sich
an die Abfassung des Berichtes, den er morgen
seinem Kabinet schicken dürfte und den der erste
Sekretär seiner Gesandtschaft, Hr. v. Szechcnyi,
nach Wien bringen wirb.
Der Eindruck, den die Nachricht von der Ent-
schließung des Kaisers auf die Bevölkerung der
Hauptstadt machte, war folgender: große Ungläu-
bigkeit bei den nieder» Klaffen; in den höchsten,
wo man rascher und bester erfährt, was vorgeht,
ein tiefes Erstaunen und einige Aeußerungen von
Unzufriedenheit. ... Es bilden sich Gruppen
und überall spricht man von Nichts, als von der
großen Neuigkeit. Ein gewisser Theil macht kein
Hehl aus seiner Zufriedenheit; aber die Altrusten
sind betroffen und scheuen sich nicht, zu sagen, daß
der Kaiser Alexander keinen Diplomaten finden
wird, um seine Unterschrift unter einen Frieden zu
setzen , ter unter diesen Umständen geschloffen wurde.
Aus St. Petersburg, 17. Januar, gehen
dem "Constitutionnel" zu der Miltheilung vom
16. d., aus der wir einen Auszug bringen, er-
gänzende Bemerken zu, denen wir das Wichtigere
entnehmen wollen. Es heißt darin u. A..-'
Die gemäßigte Partei sagt nichts und ihre
Hauptglieder beobachten eine außerordentliche Zu-
rückhaltung. Anders ist es bei der Kriegspartei;
sie speit Feuer und Flammen und klagt den Fürsten
Gortschakoff laut des Verraths an. . . Die all-
russische Partei prophezeit eine zweite Sündfluth,
wenn der jetzige Kaiser, ohne dazu durch die Waffen
gezwungen zu sein, auf die Bedingungen eingeht,
deren Inhalt ihm Graf Esterhazy offiziell über-
brachte. Im klebrigen gibt das Benehmen des
Zaarcn Anlaß zu den verschiedensten Versionen.
Die Einen sind der Ansicht, daß das Petersburger
Kabinet bei der Annahme der österreichischen Vor-
schläge auch diesmal nichts Anderes beabsichtige,
als die Partikularinteresten Deutschlands von den
allgemeinen Interessen Europa's, welche die West-
mächte vertreten, zu trennen. Die Andern be-
haupten, daß fein russischer Diplomat den Frie-
densschluß auf solchen Grundlagen unterzeichnen
werde; denn wir seien weit entfernt von den Jah-
ren 1634 und 1711, wo Wladislaw, König von
Polen, dem Zaaren Michael die Annahme des
Titels "Selbstbeherrscher aller Neusten" untersagen
und Achmer Peter I. zwingen konnte, seine Festungen
Taganrog, Camennoi-Zatum und Samara zu schlei-
fen. So lautet überall die Sprache der Korphäen
der russischen Partei, die sich in dem Augenblick
geschlagen sieht, wo sie sich auf dem Gipfel des
Sieges wähnte. In der That ist auch die Haupt-
stadt seit gestern in merkwürdiger Aufregung. Es
ist übrigens nicht unwahrscheinlich, daß, in Folge
des von unserer Negierung seit einiger Zeit be-
folgten Kompensationssystems, Fürst Alexander
Gortschakoff von Wien abberufen wird. . . . Was
die Unterredung der beiden Brüder des Kaisers
über die getroffene Entschließung betrifft, welche
Großfürst Nikolaus dem Großfürsten Konstantin
zu überbringen beauftragt war, so enthalte ich mich,
aus guten Gründen, Näheres zu berichten. Nur
so viel will ich sagen, daß sie äußerst stürmisch war.
Verantwortlicher Herausgeber N. Adlon. — Druck und Verlag von N. Adlon m Heidelberg.
lassen, um an die guten Gesinnungen des russischen
Kabinets zu Gunsten des Friedens zu appelliren;
er hat die schwersten Verwicklungen in Aussicht
gestellt, die eine kategorische Ablehnung nach sich
ziehen würde.
Diesen Morgen ließ der Kaiser Alexander den
Staatskanzler und Hrn. v. Seniavin rufen, um
sie von der Entscheidung, die er gefaßt und von
dem Wunsche, daß sie sofort dem Grafen Esterhazy
initgetbeilt werde, in Kenntniß zu setzen. Der
Unterstaatssekrekär des Auswärtigen wurde beauf-
tragt, die Note der Staatskanzlei dem österreichi-
schen Gesandten zu überbringen. Gleichzeitig ging
der kurzgefaßte Inhalt dieser Note durch den Tele-
graphen nach Wien ab. Die Eröffnung des Grafen
Ncfflrode an den Grafen Esterhazy beginnt mit
den Worten: „Um einen neuen Beweis der fried-
lichen Gesinnungen zu liefern, welche ihn im
Interesse des europäischen Gleichgewichts beleben,
hat der Kaiser, mein erlauchter Herr, öffentlich
den Werth zu erkennen geben wollen, den er auf
die Befestigung der Freundschaftsbande legt, die
ihn mit dem Wiener Hofe und den andern Höfen
Europa's vereinigen."
Der Kaiser scheint in diesen schwierigen Um-
ständen nur Nach bei sich selbst geholt zu haben.
Er hat dlos den Großfürsten Nikolaus mit der
delikaten Mission beauftragt, seine Entscheidung
dem Großfürsten Konstantin mitzutheilen. Wir
werden hier erst morgen erfahren, was bei dieser
Zusammenkunft vorgefallen ist . . . Die Vertreter
der auowärtigen Mächte begaben sich auf die Staats-
kanzlei, um der Negierung des Kaisers Glück zu
wünschen. Graf Esterhazy war nicht der Letzte
unter ihnen. Er schien sehr erfreut über den un-
erwarteten Ausgang seiner Mission; aber er sand
den Grafen Neffcirode zurückhaltend und wenig
geneigt, sich weichherzig gehen zu lasten. Als Graf
Esterhazy nach Hause zurückkam, machte er sich
an die Abfassung des Berichtes, den er morgen
seinem Kabinet schicken dürfte und den der erste
Sekretär seiner Gesandtschaft, Hr. v. Szechcnyi,
nach Wien bringen wirb.
Der Eindruck, den die Nachricht von der Ent-
schließung des Kaisers auf die Bevölkerung der
Hauptstadt machte, war folgender: große Ungläu-
bigkeit bei den nieder» Klaffen; in den höchsten,
wo man rascher und bester erfährt, was vorgeht,
ein tiefes Erstaunen und einige Aeußerungen von
Unzufriedenheit. ... Es bilden sich Gruppen
und überall spricht man von Nichts, als von der
großen Neuigkeit. Ein gewisser Theil macht kein
Hehl aus seiner Zufriedenheit; aber die Altrusten
sind betroffen und scheuen sich nicht, zu sagen, daß
der Kaiser Alexander keinen Diplomaten finden
wird, um seine Unterschrift unter einen Frieden zu
setzen , ter unter diesen Umständen geschloffen wurde.
Aus St. Petersburg, 17. Januar, gehen
dem "Constitutionnel" zu der Miltheilung vom
16. d., aus der wir einen Auszug bringen, er-
gänzende Bemerken zu, denen wir das Wichtigere
entnehmen wollen. Es heißt darin u. A..-'
Die gemäßigte Partei sagt nichts und ihre
Hauptglieder beobachten eine außerordentliche Zu-
rückhaltung. Anders ist es bei der Kriegspartei;
sie speit Feuer und Flammen und klagt den Fürsten
Gortschakoff laut des Verraths an. . . Die all-
russische Partei prophezeit eine zweite Sündfluth,
wenn der jetzige Kaiser, ohne dazu durch die Waffen
gezwungen zu sein, auf die Bedingungen eingeht,
deren Inhalt ihm Graf Esterhazy offiziell über-
brachte. Im klebrigen gibt das Benehmen des
Zaarcn Anlaß zu den verschiedensten Versionen.
Die Einen sind der Ansicht, daß das Petersburger
Kabinet bei der Annahme der österreichischen Vor-
schläge auch diesmal nichts Anderes beabsichtige,
als die Partikularinteresten Deutschlands von den
allgemeinen Interessen Europa's, welche die West-
mächte vertreten, zu trennen. Die Andern be-
haupten, daß fein russischer Diplomat den Frie-
densschluß auf solchen Grundlagen unterzeichnen
werde; denn wir seien weit entfernt von den Jah-
ren 1634 und 1711, wo Wladislaw, König von
Polen, dem Zaaren Michael die Annahme des
Titels "Selbstbeherrscher aller Neusten" untersagen
und Achmer Peter I. zwingen konnte, seine Festungen
Taganrog, Camennoi-Zatum und Samara zu schlei-
fen. So lautet überall die Sprache der Korphäen
der russischen Partei, die sich in dem Augenblick
geschlagen sieht, wo sie sich auf dem Gipfel des
Sieges wähnte. In der That ist auch die Haupt-
stadt seit gestern in merkwürdiger Aufregung. Es
ist übrigens nicht unwahrscheinlich, daß, in Folge
des von unserer Negierung seit einiger Zeit be-
folgten Kompensationssystems, Fürst Alexander
Gortschakoff von Wien abberufen wird. . . . Was
die Unterredung der beiden Brüder des Kaisers
über die getroffene Entschließung betrifft, welche
Großfürst Nikolaus dem Großfürsten Konstantin
zu überbringen beauftragt war, so enthalte ich mich,
aus guten Gründen, Näheres zu berichten. Nur
so viel will ich sagen, daß sie äußerst stürmisch war.
Verantwortlicher Herausgeber N. Adlon. — Druck und Verlag von N. Adlon m Heidelberg.