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Nachrichten vom Kriegsschauplatz.
Aus dem Norden.
Wien, 27. Januar. Obwohl die Rüstungen
die Bedeutung nicht mehr haben, die sie noch vor
kurzem hatten, so ist es doch von Interesse, zu
erfahren, welche Anstalten die Russen getroffen
batten, um dem gegen sie heranziehenden Unge-
wittcr die Stirne zu bieten. Seit dem Zusammen-
tritte des Pariser Kriegsrathes war ein Hauptau-
genmerk der russischen Strategen namentlich aus Polen
gerichtet. Die Festungen dieses Königreichs, an
deren Herstellung durch 45 Jahre die größten
Summen verwendet wurden, sind alle nach einem
Defensivspstem erbaut, welches würdig ist, die
Aufmerksamkeit aller Strategen auf sich zu ziehen.
Diese Festungen wurden nun auf ein Jahr ver-
proviantirt, so daß es den Anschein hat, als hätten
die Russen daran gedacht, sich in Polen nicht im
freien Felde, sondern nur hinter ihren Verschanzun-
gen zu vertheidigen. Dort ziehen sic auch ihre
Garde- und Reservebivisionen zusammen, die übrigen
mobilen Streitkräfte werden nach Sitomir, Kischeneff
und Nikolajcff, nach Finnland und in die Krimm
dirigirt. Ueberdies ist der Militärgouverneur von
Orenburg bemüht, Murawjcff's Armee zu ver-
stärken. In der That bildet die Aufstellung der
russischen Armee ein kriegerisches Bild der Defen-
sive in einer ungeheuer» Ausdehnung dar. Diese
Rüstungen dürften aber auch nach abgeschlossenem
Waffenstillstände schwerlich unterbrochen werden.
Krimm.
Baktschi-Serai. Fürst Gortschakoff hat,
bevor er die Krimm und die ihm anvertraute Ar-
mee verlassen, am l2. d. M. im Hauptquartier
von Baktschi-Serai folgenden Armee-Befehl erlassen:
Indem ich dem allerhöchsten Willen zufolge
zu einer andern Bestimmung eile, nehme ich von
Euch Abschied, meine tapfern Kameraden! Ich über-
gebe meinem würdigen Nachfolger die in Schlachten
gehärtete Armee, dre den Schutz des Vaterlandes
und die Freude des Kaisers ausmachte. Eure
Tapferkeit und Sclbstvcrläugnung, tapfere Krieger,
werten stets in meinem Herzen lebendig bleiben.
Ich banke Euch herzlich für die Treue, die Ihr
inmitten des wechselvollen Kampfes des Jahres
1855 mir bewiesen habt, eines Kampfes, der immer
denkwürdig bleibt und in dem Ihr die Halbinsel
Krimm gegen die zahlreichen Feinde, die über bis
jetzt in der Kriegsgeschichte beispiellose Mittel ver-
fügten , beschütztet.
Aus Kertsch melden Briefe englischer Offiziere
vom 6. d., daß die Erwartung eines feindlichen
Angriffes daselbst noch immer nicht geschwunden
sei. Spione hatten gemeldet (wovon schon früher

die Rede war), daß ein 5000 Mann starker rus-
sischer Vortrab blos 3 Wegstunden vor der Stadt
stehe. Auf diese Nachricht hin wurden die Ver-
schanzungen verstärkt und alle zugänglichen Punkte
mit Geschützen besetzt. Es fehlte weder an Munition
noch an Proviant, um mehrere Wochen auszu-
halten. Die Truppe war vom besten Geiste be-
seelt, sieht in ihren neuen, aus England gelieferten
Uniformen prachtvoll aus, ist gut besoldet und
genährt, vortrefflich cinererzirt und disziplinirt,
mäßig und folgsam, wie man es kaum erwartet
hatte. Gesetzübertrctungen kommen wie bei jeder
Truppe vor, aber nur als Ausnahmen von der
Regel. Das Hauptverdienst dieser Metamorphose
schreiben Alle dem guten Takte und der Thätigkett
des kommandirenden Generals Vivian zu. Nur
Eines ist ihm noch nicht gelungen: die Eifersucht
der königl. Offiziere gegen die Offiziere der indi-
schen Armee zum Schweigen zu bringen.
Von den 5 Docks, welche nebst 2 großen
Bassins das ganze Gebäude bildeten, sind 3 voll-
ständig gesprengt. Einige noch stehende Mauer-
stücke werden durch die letzten Erplosionen oder
durch die Hand zerstört werden.
Deutschland.
Karlsruhe, 29. Januar. Am vergangenen
Sonnabend, den 26., waren Se. Königl. Hoheit
der Regent, nach den uns aus Berlin zugehenden
Mlttheilungen, zur Familientafel bei JZ. KK. HH.
dem Prinzen und der Frau Prinzessin von Preußen
geladen; Abends beehrten Höchstdieselben den zweiten
Opernhausball, auf welchem Ihre Majestäten,
sowie sämmtliche Mitglieder der Königlichen Familie
anwesend waren, mit Höchstihrer Gegenwart. Am
Sonntag nahmen Se. Königl. Hoheit an dem
Gottesdienst in der Mathäi-Kirche Theil und
wohnten dann einer zur Feier des hundertjährigen
Geburtstags Mozart's in der Singakademie ver-
anstalteten musikalischen Aufführung bei. Zum
Diner waren Se. Königl. Hoheit zu Ihren Maje-
stäten ungeladen. Die freien Stunden widmen
Se. Königl. Hoheit der Besichtigung der Kunst-
schätze und Merkwürdigkeiten Berlins, sowie dem
Besuche berühmter Gelehrten und Künstler.
— 30. Januar. Die Karlsruher Zeitung
hat in Nr. 28 ihres Blattes bereits mitgetheilt,
daß die höchste Sanktion der Beschlüsse der letzten
Generalsynode, so weit sie die innern Angelegen-
heiten unserer evangelischen Landeskirche betreffen,
noch vor der Abreise Sr. Königl. Hoheit des Re-
genten nach Berlin erfolgt ist. Wir sind jetzt in
der Lage, das betreffende Aktenstück selbst mittheilcn
zu können. Dasselbe lautet:
 
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