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auf die diesseitige Linie gezogen werden; nur bleibt
noch immer zu bedauern, Laß eine Verbindung
von Waldshut mit Zürich in Bälde nicht erreicht
werben wird, wie sie früher in Aussicht stand.
Frankreich.
Paris, 15. Juni. Die Tauffeicr ist gestern
mit dem höchsten Glanze vor sich gegangen. Eine
ungeheure Menge, welche durch die mit Len Ver-
gnügenszügen ankommenden Massen von Fremden
mit jedem Augenblicke wuchs, drängte sich schon
am frühen Mittage in Len Straßen, durch welche
der Zug von Len Tuilerien nach der Notre-Dame-
Kirche kommen sollte und als gegen 3 Uhr die
Linie und die Nationalgarde eintraf, um Spalier
zu bilden, war Las Gedränge bereits so groß,
daß es ihnen nur mit Mühe gelang, die unzähl-
bare Menge auf die breiten Trottoirs zurückzubrin-
gen. Gegen 41/2 Uhr verkündete das Wirbeln
der Trommeln das Herannaben einer hochstehenden
Persönlichkeit. Es war der Kardinal-Legat, der
sich nach der Kathedrale begab. Eine Schwadron
Jäger zu Pferd mit der Musik eröffnete den Zug.
Hierauf folgten zwei sechsspännige Wagen mit dem
Gefolge des Legaten, dem Kreuze und seinem Hute,
einem Pallastpräfekten und einem Kämmerer des
Kaisers; in dem dritten achtspännigen Wagen be-
-sand sich Se. Em. der Kardinal-Legat in rothem
Habit. Der Kardinal wurde von der Bevölkerung
mit lebhaften Zeichen der Sympathie begrüßt, welche
er freundlich erwicdcrte und von Zeit zu Zeit den
Segen an die respektvoll das Haupt entblößende
Menge ertheilte. Zwei Schwadronen Dragoner
schloffen Len Zug. An ter Kathedrale wurde der
Legat von dem Erzbischof an der Spitze seines
Kapitels empfangen, während die Musik die Mo-
tette „Di 68 Lotrus" ausführte. Der prachtvolle
kaiserliche Zug verließ die Tuilerien um 5 Uhr
und bewegte sich in der bereis mitgetheiltcn Ord-
nung nach der Notre-Dame-Kirche, wo derselbe
wenige Minuten vor 6 Uhr anlangte. Auf dem
ganzen Wege ertönte unaufhörliches Hochrufen auf
den Kaiser, die Kaiserin und den kaiserlichen Prin-
zen. Der kleine Prinz (mit seinen unverkennbar
napoleonischen Zügen) wurde von der Gouvernante
aufrecht an Len Wagenschlag gehalten und blickte
freundlich erstaunt auf die in der That freudig be-
wegte Menge, die das liebliche Kmd mit unbe-
schreiblichem Enthusiasmus begrüßte und seinen
Wagen von Len Fenstern aus mit Blumensträußen
überschüttete. Ihre Majestäten stiegen an dem mit
einer prachtvollen Vorhalle geschmückten Hauptpor-
tale der ehrwürdigen, welthistorischen Kathedrale
ab, wo ihnen ter Erzbischof und sein Kapitel bis

an den mit Blumen bestreuten Platz vor der Kirche
cntgegenkam.
Nachdem der Kaiser und die Kaiserin Las Kreuz
verehrt und Las Weihwasser empfangen batten,
wurden sie unter einem von Kaplänen getragenen
Himmel, unter dem vorgeschriebenen Zeremoniell,
zu ihrem Throne, dem Hauptaltare gegenüber,
geführt. Der Kardinal-Legat verließ nun seinen
Thron, um Las „Vorn Oreator" anzustimmen und
nahm dann die verschiedenen Zeremonien, der Taufe
vor, wie sie für den Fall der bereits empfangenen
provisorischen Taufe im Ritus vorgeschrieben sind.
Das Taufgefäß, dessen man sich bediente, war
jenes, welches nach einer Tradition der heilige
Ludwig von den Kreuzzügen mitgebracht hat und
womit die Kinder des heil. Königs getauft worden
sind. Es ist aus damaszirtem Kupfer, im schönsten
persischen Styl des 12. Jahrhunderts. Nach be-
endigter Taufe nahm der Kaiser den Prinzen aus
den Händen der Gouvernante und zeigte ihn aus-
rechtstehend der Versammlung. Da ertönte unge-
heurer Jubel in den Gewölben des Doms rind der
Ruf: '/Es lebe der Kaiser!" übertönte das Rau-
schen der Musik und fand außerhalb der Kirche
ein weit hin schallendes Echo.
Von der Kirche aus begaben sich Ihre Maje-
stäten um 7 Uhr nach dem Stadthause, nm dem
von der Stadt Paris veranstalteten Banket beizu-
wohnen, welches in dem großen Festsaalc stattfand,
der mit aller Pracht ausgeschmückl war, welche Luruö
und Geschmack ei finden können. Die Fatzade und
der Platz des Stadthauses waren eben so wie die
Rue Rivoli und der Thurm St.-Jacques-la-Bouchera
prachtvoll beleuchtet (das Gedränge war aber so
groß, daß man an den Stadthaus-Platz selbst nur
nach unglaublicher Mühe und Geduld gelangen
konnte.) Der Kaiser und die Kaiserin verließen
das Stadthaus nach IOV2 Uhr, nachdem sie noch
dem Scinepräsekten und Len Mitgliedern des Mu-
nizipalrathes ihre Befriedigung mit dem glänzenden
Feste ausgesprochen hatten. Auf dem Wege nach
den Tuilerien, wohin Ihre Majestäten durch die
Hundcrtgarten eskortirt wurden, begrüßte sie das
so dicht gedrängte Volk, daß die kaiserliche Equi-
page kaum Platz finden konnte, mit demselben Enthu-
siasmus, wie bel ihrer Ankunft.
Unter den in den andern Stadttheilen beleuch-
teten öffentlichen Gebäuden zeichnete sich (außer
einer großen Menge geschmackvoll beleuchteter Pri-
vathäuscr) besonders die Börse aus, wo die Agents
Lu Change einen prachtvollen Triumphbogen mit
der Inschrift: „au krinee imperial" errichtet hatten.
Das eigentliche Volksfest, welches mit den Gratis-
vorstellungen in allen Theatern um 1 Uhr beginnt,
 
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