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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 21.1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.48816#0078
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Das Loggbuch des Kapitams Eiseicknger.
Roman
von
Balduin Möllhanscn.
(Fortsetziing.) (Nachdruck verboten.)
arnabas Rostig war es in der That,
welcher jetzt eintrat, — der Kapitain Eisen-
finger frisch und selbstbewußt, wie er eben
ans einem Klciderladen hcrvorgegangen.
Statt in den: gewöhnlichen blauen Jacket,
Prangte er nämlich in einem der Gelegen-
heit entsprechenden feierlichen schwarzen An-
zuge, Welchem man allerdings ansah, daß er vor einer
Stunde noch in eineni offenen Geschäft mit Geringeren
seines Geschlechtes an einem und dem-
selben Riegel gehangen hatte. Dazu
eine sehr feine gelbe Weste, blendend
weiße, aber zerknitterte Wäsche, ein Paar
noch unaufgeweitete Glacehandschuhe, zier-
lich gehalten von einer eisernen Klammer,
und endlich in der lebendigen Hand einen
funkelnagelneuen Cylinderhut, in welchem
Wan sich zur Roth hätte spiegeln können.
„Herr Rostig?" fragte Eulenberg
näher tretend.
„Rostig, zu dienen," gab dieser zu,
und stolz herablassend neigte er das Haupt
ein wenig, „Barnabas Rostig, unter
Meunden auch bekannt als Kapitain
Eifensinger," und zur Erklärung hob er

„Und ich bcdaurc, nicht warten zu
können," unterbrach Barnabas Rostig
den alten Herrn, für welchen die Kunde,
daß er nicht der Geheimrath sei, ihn
erheblich nachsichtiger stimmte, „Sie be-
streifen, mein bester Herr Eulenberg, es
ist keine Sache so gut, daß sie nicht
Messer sein könnte, allein in diesem be-
sonderen Falle muß ich darauf dringen,
wfort bei Ihrem Herrn Prinzipal vor-
fassen zu werden."
„Würden Sie vielleicht die Güte

uic artammer mit den Handschuhen e
Por, „nebenbei habe ich die Ehre, --
hochwürdigen Pastor Nathanael Rostig
älterer Bruder zu sein. Wenn sch aber
heute schon in aller Frühe aus hier hielt,
so werden der Herr Gchcimrath —"
„Bitte, Herr Rostig," fiel Eulenberg
freundlich ein, „mein'Name ist Eulen-
berg, meine Stellung die eines Dispo-
nenten, und als solcher bedaure ich,
Ihnen mittheilen zu müssen, daß der Ge-
heimrath von Kohlgart jetzt noch keine Be-
suche empfangen kann. Möchten Sie
hingegen die Güte haben, nach einer
Stunde —"

es denn auf mich nehmen, Sie trotz der etwas unge-
wöhnlichen Stunde anzumelden."
Barnabas Rostig vergnügte sich unterdessen damit,
einige Male auf und ab zu wandeln. Die Comptoir-
eule hatte ihm unstreitig gefallen. Indem er sich im
Geist mit derselben beschäftigte, verflieg er sich einmal
sogar zu der halblauten Bemerkung: „Die reine See-
jungfer mit ihrem feuchten Lockenbehang" — und dieser
Name ging Eulenbcrg nie mehr verloren — „aber ein
gutes Gesicht. Hoffentlich sieht der Prinzipal weniger
umgänglich aus, oder mein Schlachtplan erleidet heil-
lose Havarie. Zum Henker mit der Gutmütigkeit."
Auf dem anderen Ende des Korridors ging eine
Thüre, und als er sich darnach umsah, kam Eulcnberg
ihm mit den Worten entgegen: „Der Herr Geheimrath
lassen bitten," und an ihm vorbeischlüpfend raunte er
ihm zu: ,
Sie zuvor.

Begeben Sie sich nur hinein, aber klopfen
' Dann eilte er in der Richtung nach den
Comptoirräumen davon, während Bar-
nabas Rostig mit einem zufriedenen ,AII
riß-bt" festen Schrittes sich auf die be-
zeichnete Thüre zu bewegte.
Auf sein kräftiges Pochen erfolgte ein
dünnes Herein. Der Geheimrath saß in
tadelloser Haltung vor dein Schreibtische,
und obwohl Eulenberg ihn eben erst ver-
lassen hatte, so ernst in den Inhalt eines
Briefes Pertieft, daß Barnabas Rostig
kaum seinen Augen traute. Zugleich
glätteten die großen, langgenägcltcn
Finger mechanisch die lordmäßigen Bart-
behänge, um bald darauf ebenso mecha-
nisch — der angemeldete Fremde konnte
nach der ihm ertheilten Schilderung nur
ein sehr einfacher Mann sein, auf den so
etwas Eindruck machte — mit der Ordens-
schleife zu tändeln.
„Ich wünsche dem Herrn Geheim-
rath einen guten Morgen," sprach Bar-
nabas Rostig.
„Guten Morgen," antwortete der Ge-
heimrath vollkommen ausdruckslos, ohne
die Blicke von dem Papier zu erheben.
lieber Rostig's Antlitz eilte ein wun-
derlicher Ausdruck. Flüchtig hielt er
eine kleine Umschau, und da immer noch
keine einladende Aufforderung an ihn
erging, rollte er einen der zur Hand
stehenden Polsterstühle neben den Schreib-
tisch, worauf er sich behaglich nicderließ
und den neuen Hut neben sich auf den
Teppich stellte.
Bei dieser Bewegung sah der Gc-
heimrath auf und gerade in des Kapi-
tains Eisenfinger munter blickende Augen.
Das würdevolle Erstaunen, mit welchem
er die unerhörte Freiheit strafte, ver-
fehlte indessen den Eindnick auf du
kriegsgerüsteten alten Barschem ^ui
anstatt vor lauter Respekt gewisscrmaßui
in sich znsammcnzusinken, bemerkte rr

haben, mit dem Charakter Ihres Anliegens mich ver-
traut zu machen?" erwiederte Eulenberg besänftigend,
„ich könnte dann zwischen Ihnen und dem Herrn
Geheimrath vermitteln."
„Danke schönstens, mein guter Herr," versetzte Bar-
nabas Rostig, und der unglückselige schwarze Tuchrock
krachte in allen Nähten vor der Gewalt, mit welcher
er sich in die Brust warf, „im Sturm genügt zwar
jeder Hafen, allein das findet hier keine Anwendung.
Sagen Sie nur dem Herrn Geheimrath, die Angelegen-
heit sei sehr dringend: sie müsse herunter von meiner
Seele, wenn ich nicht daran ersticken solle wie ein
Karpfen, den man in einen Haufen Streusand steckte."
lieber der Comptoireule kleines Antlitz eilte ein
gutmüthiges Lächeln. Es war ersichtlich, trotz des
wunderlichen Wesens flößte der Fremde ihr einen hohen
Grad von Achtung ein.
„Das klingt allerdings gefährlich; und so will ich

Marquis v. Salisbury, der neue englische Ministerpräsident.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 78)
 
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