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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 21.1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.48816#0290
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Ei» glücklicher Fang. Nach einem Gemälde von L. W. Hottenroih. (S. LS5)

(Nachdruck verboten.)
der Schrift steht, !

seiner grenzenlosen Bestürzung, „jetzt, da ich alt ge-
worden bin —"
„Du gibst also zu, Dich von der Werthlosigkeit Deines
Papiers überzeugt zu haben? Daraus ergibt sich, daß
Du auch in Zukunft nichts davon zu hoffen hast. Ent-
schließe Dich daher schnell, wähle von zwei Uebeln das
kleinere und händige mir das Schriftstück aus."
Die Entschiedenheit, mit welcher Gertrudis ihre
Forderung stellte, blieb nicht ohne Wirkung auf Bart-

Das Loggbuch des Kapitams Lisenfinger.
Roman
von
Balduin Mollhanscn.
(Fortsetzung.)
aß die Nummer Eins in
weiß ich so sicher, wie
SU, ich Dich vor mir sitzen
sehe," warf Bartlett
.. ... achselzückend ein, doch
(Uft) schien heimliche Span-
. „„ uung seine Augen zu
vergrößern; „sie steht aus der Außen-
seite und bedeutet: Erster Klaffe oder
sehr wichtig."
. »Die Nummer ist in der That
sehe wichtig," bestätigte Gertrudis.
„Aber ist Dir denn nie eingesallen,
daß auch ein Schriststück Nummer
Zwei angesertigt sein könnte, welches
die Fortsetzung des Schriftstückes
Nummer Eins wäre?"
Bestürzt fuhr Bartlett empor.
In seinem Antlitz arbeitete es, als
hätte er gewaltsam nach Klarheit
des Geistes gerungen. Ein Gedanke,
vüe der eben angeregte, hatte zu
kvcit außerhalb seines Gesichtskreises
gelegen, um ihn gleich fassen zu
können. Erst allmählig verrietst
sich in seinen angespannten Zügen
erwachendes Berständniß. Da ihm
aber die Worte zu einer sofortigen
Erwiederung fehlten, hob Gertru-
dis nach einer kurzen Pause wieder
an: „Was würdest Du sagen,
Wenn jene Fortsetzung in meine
Hände gelangt wäre; wenn ich die
Mittel besäße, da, wo Du mit
Deinen fruchtlosen Nachforschungen
endigtest, den Weg, der Dich an's
Ziel führte, weiter zu verfolgen?"
Mit einem wilden Fluch sprang
Bartlett ans.
„Weib," schrie er, in unbe-
zähmbarer Wuth beide Fäuste au)
seine Schläfen pressend, „willst Du
mit Deinen Verrücktheiten mich eben-
falls wahnwitzig machen, auf daß
ich Dich hier erwürge?"
„Danach fragte ich Dich sucht,
erwiedertc Gertrudis kalt, „sch will
nur von Dir hören, wessen ich nnch
M versehen hätte, wenn ich Dir
den Beweis für die Wahrheit memer
Behauptung vorlegtc."
„Jetzt — jetzt erst nach zwan-
zig Jahren?" stöhnte Bartlett m

lett. Indem aber seine Zweifel an der Zuverlässigkeit
der ungeahnten Enthüllung mehr und mehr schwanden,
sann er auf Mittel, aus derselben für sich selbst den
denkbar größten Vortheil zu ziehen. Welcher Art jene
Mittel waren, das verrieth sich in dem eigenthümlichen
Zittern seiner Lippen, in dem sich tückisch zuspitzenden
Blick der Augen, die sich Plötzlich heftig rötheten.
„Das ist eine starke Zumuthung," begann er vor-
! sichtig, und Glcichmuth erheuchelnd warf er sich wie-
der auf den Stuhl, „und wenn ich
auch nicht an Deine Vorspiegelun-
gen glaube, so wäre doch möglich,
daß zu meinem Wegweiser ein
anderer gehörte. Zeigtest Du mir
indessen einen solchen, so müßte
dessen Wirkung zuvor doch erst
erprobt werden. Dazu wäre ich
allerdings bereit. Gemeinschaftlich
mit Dir wollte ich mich an Ort
und Stelle begeben; dann aber wäre
ich nicht abgeneigt, sollten Deine
Angaben nicht auf einer Täuschung
beruhen, mit Dir mich in den Erfolg
zu theilen."
„Sehr großmüthig," versetzte
Gertrudis gelassen, „allein Du über-
siehst etwas. Zunächst vergißt Du,
auf welche Art Du in den Besitz
des Dokumentes gelangtest, ferner
daß nichts in der Welt mich dazu
bewegen könnte, mit einem Räuber
und Mörder in irgend einer Ange-
legenheit gemeinschaftliche Sache zu
machen. Du gibst mir das Schrift-
stück heraus, oder die Folgen fallen
auf Dein Haupt."
„Und ich sage' Dir zum an-
deren Male, daß ich lieber hänge,
bevor ich einem Anderen ein An-
recht an das einräume, was durch
zwanzigjährigen Besitz mein unan-
tastbares Eigenthum geworden ist.
Nein, ständen alle Vigilance-Comi-
t«s der Welt um mich herum und
drohten sie mit Pech und Schwefel,
so würde ich das Papier nicht her-
ausgeben. Und sicher genug ver-
steckt habe ich es obenein; die ganze
Insel könnten sic umkehren, ohne
es zu finden. Das ist meine letzte
Antwort!" Lauernd beobachtete er
das Mienenspiel der alten Frau.
„So muß ich freilich ein anderes
Verfahren einschlagen, und ich denke,
Deine letzten Zweifel zerrinnen,
sobald Du einen Blick auf den
Wegweiser Nummer Zwei geworfen
hast," entschied Gertrudis nunmehr
mit fester Stimme. Sie seufzte
tief auf, wie angesichts einer ihre
Kräfte übersteigenden Arbeit. Die
 
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