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Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste — 5.1759

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I. Erinnerungen über die Betrachtung der Werke der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.66503#0014
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6 Erinnerung über die Betrachtung
beinen und Muskeln nicht so schwer und allgemeiner,
als die Kenntniß des Schönen; und wenn auch das
Schöne durch einen allgemeinen Begriff könnte be-
stimmet werden, welches man wünschet und suchet,
so würde sie dem, welchem der Himmel das Gefühl
versaget hat, nicht helfen. Das Schöne bestehet
Ln der Mannigfaltigkeit im Einfachen: dieses ist der
Stein der Weisen, den die Künstler zu suchen haben,
und welchen wenige finden; nur der verstehet die we-
nigen Worte, der sich diesen Begriff aus sich selbst
gemachet hat. Die Linie, die das Schöne beschreibet,
ist elliptisch, und in derselben ist das Einfache und
eine beständige Veränderung: denn sie kann mit kei-
nem Zirkel beschrieben werden und verändert in allen
Puncten ihre Richtung. Dieses ist leicht gesaget
und schwer zu lernen: welche Linie mehr oder weni-
ger elliptisch die verschiedenen Theile zur Schönheit
formet, kann die Algebra nicht bestimmen; aber die
Alten kemreten sie, und wir finden sie vom Menschen
bis auf ihre Gefäße. So wie nichts Zirkelförmiges
am Menschen ist, so macht auch kein Profil eines al-
ten Gefäßes einen halben Zirkel.
Wenn von mir verlanget würde, sinnliche Be-
griffe der Schönheit zu bestimmen, welches sehr
schwer ist; so würde ich, in Ermangelung alter voll-
kommener Werke oder deren Abgüße, kein Bedenken
tragen, dieselbe nach einzelnen Theilen von den schön-
sten Menschen genommen, an dem Orte, wo ich schrie-
be, zu bilden. Da nun dieses itzo im Deutschen nicht
geschehen kann; so müßte ich, wenn ich lehren wollte,
die Begriffe der Schönheit Verneinungsweise mich
anzu-
 
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