Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bergner, Heinrich [Editor]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0028
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung. II. Geschichte.

11

dem Bischof ein Hoheitsrecht nach dem anderen abnötigte. Er war aristokratisch,
auf Selbstergänzung' aus den Geschlechtern, den Kaufherren und dem städtischen
Adel, zugeschnitten. Nach mittelalterlichem Brauch wechselten „drei Räte'1 von
je zwölf Mitgliedern, der regierende, der sitzende Rat und die Ältesten, jährlich
im Regiment. Doch schon 1329 wurde durch bischöfliches Statut gemeiner
Bürgerschaft Anteil an der Verwaltung gegeben derart, daß die „Reichen“ und
die „Armen“ je sechs Ratsherren wählten. Der einzige ständige Beamte war
der Stadtschreiber, zahlreich aber die niederen Organe, „zwölf Gassenmeister,
Ratsamtleute, der Wegemeister, Bierseyl, Hopfenscheffel, Euttermeister, Ziegel-
herr, Fleischschatzer, drei Feuerherren oder Umgeher; dann das Ratsgesinde, der
Stadtvogt, Ausreiter, Wagemeister, Schenk, Fährmann, Bierzieher, Hopfenmesser.
Bierrufer, Stadtarzt, Rohrmeister, Bäcker, Hausmann, Kirchner, Garkoch, Boten-
läufer, Förster, Ziegler.“ Diese Verfassung überdauerte den großen Krieg, erst
1698 beschränkte Herzog Moritz Wilhelm das Kollegium auf zwei, den sitzenden
und regierenden Rat, aus je acht Gliedern, dem Ober- und Unterbürgermeister,
dem Ober- und Unterkämmerer, dem Stadtrichter und drei Assessoren. Dazu
trat der dauernd amtierende Syndikus. Jedes der sechs Stadtviertel (Herren-,
Marien-, Jakobs-, Vieh-, Heu- und Salzviertel) war durch einen Rechenherrn
und einen Gassenmeister vertreten. Gerade ein Jahrhundert später, 1798, wurde
ein ständiger Bürgermeister eingesetzt und 1812 auch die beiden Räte in einen
verschmolzen. 1817 wurden die Rechenherren und Gassenmeister aufgehoben
und 18 freigewählte „Repräsentanten“ eingeführt, die sich mit der 1832 oktro-
ierten preußischen Städteordnung in 24 Stadtverordnete verwandelten. Die
Domfreibeit scheint im Mittelalter eine ähnliche Verfassung besessen zu haben,
Avorauf das Rathaus am Othmarstor schließen läßt. Die Quellen über deren
Entwicklung sind aber noch nicht eröffnet. Sie wurde 1832 mit der älteren
Stadtkommune verschmolzen.

Weit verwickelter sind die Rechtsverhältnisse. Seit seiner Entstehung
hatte der Rat ganz selbstverständlich die niedere Gerichtsbarkeit geübt. Das
peinliche Gericht war dagegen als Regal auf den Bischof übergegangen, der es
durch einen Schultheißen erst unbeschränkt, seit dem 15. Jahrhundert aber unter
Mitwirkung des Rats ausüben ließ und etwa seit 1480 an den Rat verpachtete.
Erst durch die großen Kompaktaten von 1679 übertrug das Stift die hohe
Gerichtsbarkeit lehnweise dem Rat und dieser übte sie innerhalb des Weichbildes
bis 1818, wo die Trennung der Justiz von der Verwaltung eintrat und die
städtische Jurisdiktion aufgelöst wurde. Ganz im Sinn mittelalterlicher Umständ-
lichkeit war es, daß die städtische Rechtspflege wieder unter zwei Stellen, die
Ratsstube und das Stadtgericht, geteilt war und da auch die Rechenherren
gewisse Stadt- und Flurteile gegen den Rat vertraten, so war zu Kompetenz-
streitigkeiten reichlich Gelegenheit und diese ist weidlich ausgenutzt worden.
Daneben waren nun noch folgende Sondergerichte in Betrieb: In der Freiheit
waltete der Stadtvogt über die sog. Nachbarschaft, der Stiftssyndikus über die
Freihäuser und das Dompropsteigericht über die Dompropsteivorstadt; das
stiftische Justizamt über die Amtsvorstadt (Waidgarten, Michaelsgasse und Teile
des Georgenberges); das Stadtgericht über die Amtsvorstadt und das Kloster
(resp. Landesschule) Pforte über die in der Stadt zerstreuten Pfortenhöfe durch
 
Annotationen