Naumburg. Dom. Bildwerke (Der Bildfries am Lettner).
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den Arm seines Opfers. Die Rechte ist graziös erhoben und auf die Brust
zurückgehogen: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder/' Und in seinem
wirklich schönen Gesicht — wir erkennen den Hohenpriester des Blutgeldes —
liegt ehrliche Überzeugung, das ganze gesetzestreue Pflichtgefühl des Priesters,
daß man ihm nicht zürnen kann. Ton den Zuschauern interessiert nur der
rechte, ein geistvoller Kopf mit dem weichen, salbungsvollen Ausdruck eines
„Stillen im Lande.“
Die ganze Scene in dieser meisterhaften Einfachheit der Komposition, mit
dieser Fülle und Wucht der Charakterschilderung, ist der Höhepunkt des Bild-
frieses. Um so mehr muß man bedauern, daß der Cyklus damit abbricht. Die
beiden letzten Felder — Geißelung und Kreuzschleppung — sind einem elenden
Stümper zu verdanken, die Figuren aus Kiefernholz mit angesetzten Gliedmaßen,
dünnleibig, die Gesichter fratzenhaft, in der Nähe betrachtet unausstehliche Blas-
phemien. Das Gewand ist eine verrückte Mischung von historischem und Zeit-
kostüm, der Hohepriester mit der Hörnermütze und modischer Halsbinde, der
Schinder sogar mit Schärpe und Kniehosen, daran Rosetten, dazwischen Juden
mit Spitzhüten und römische Legionäre. Dabei ist es doch nicht unwahrschein-
lich, daß zu jener Zeit (1734) die Originale etwa in Trümmern noch vorhanden
waren und die Komposition beeinflußten; weniger die Geißelung, wo fünf
Personen steif nebeneinander stehen, mehr vielleicht die Kreuzschleppung.
Hier schreitet Christus halbrechts aus der Scene, tief unter das Kreuz ge-
beugt, Ein Offizier mit martialischem Schnauzbart führt ihn am Seil und hat
eine Hand zum Schlag er-
hoben. Ein Soldat faßt mit
der Linken die Brust des
Herrn, beugt sich über das
Kreuz und schwingt in der
Rechten einen Strick, Maria
ist von der anderen Seite über
das Kreuz gebeugt, sodaß sich
beider Köpfe berühren; ein
Soldat mit Schild sucht sie
wegzuziehen. Die Wahl des
dramatischen Auftrittes, die
eigene Verknotung der drei
Hauptpersonen, ja einzelne
Faltenmotive sind so sehr im
Geist des alten Meisters, daß
eine Wiederherstellung des
Feldes in seiner Formensprache
wahrscheinlich sehr befriedigen
würde.
7. Maiestas Domini.
a) Der bildnerische Schmuck des Lettners wird durch eine Maiestas
Domini (Fig. 70) abgeschlossen, welche sich in einer Yierpaßblende des Giebel-
Fig. 70. Maiestas Domini am Westlettner.
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den Arm seines Opfers. Die Rechte ist graziös erhoben und auf die Brust
zurückgehogen: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder/' Und in seinem
wirklich schönen Gesicht — wir erkennen den Hohenpriester des Blutgeldes —
liegt ehrliche Überzeugung, das ganze gesetzestreue Pflichtgefühl des Priesters,
daß man ihm nicht zürnen kann. Ton den Zuschauern interessiert nur der
rechte, ein geistvoller Kopf mit dem weichen, salbungsvollen Ausdruck eines
„Stillen im Lande.“
Die ganze Scene in dieser meisterhaften Einfachheit der Komposition, mit
dieser Fülle und Wucht der Charakterschilderung, ist der Höhepunkt des Bild-
frieses. Um so mehr muß man bedauern, daß der Cyklus damit abbricht. Die
beiden letzten Felder — Geißelung und Kreuzschleppung — sind einem elenden
Stümper zu verdanken, die Figuren aus Kiefernholz mit angesetzten Gliedmaßen,
dünnleibig, die Gesichter fratzenhaft, in der Nähe betrachtet unausstehliche Blas-
phemien. Das Gewand ist eine verrückte Mischung von historischem und Zeit-
kostüm, der Hohepriester mit der Hörnermütze und modischer Halsbinde, der
Schinder sogar mit Schärpe und Kniehosen, daran Rosetten, dazwischen Juden
mit Spitzhüten und römische Legionäre. Dabei ist es doch nicht unwahrschein-
lich, daß zu jener Zeit (1734) die Originale etwa in Trümmern noch vorhanden
waren und die Komposition beeinflußten; weniger die Geißelung, wo fünf
Personen steif nebeneinander stehen, mehr vielleicht die Kreuzschleppung.
Hier schreitet Christus halbrechts aus der Scene, tief unter das Kreuz ge-
beugt, Ein Offizier mit martialischem Schnauzbart führt ihn am Seil und hat
eine Hand zum Schlag er-
hoben. Ein Soldat faßt mit
der Linken die Brust des
Herrn, beugt sich über das
Kreuz und schwingt in der
Rechten einen Strick, Maria
ist von der anderen Seite über
das Kreuz gebeugt, sodaß sich
beider Köpfe berühren; ein
Soldat mit Schild sucht sie
wegzuziehen. Die Wahl des
dramatischen Auftrittes, die
eigene Verknotung der drei
Hauptpersonen, ja einzelne
Faltenmotive sind so sehr im
Geist des alten Meisters, daß
eine Wiederherstellung des
Feldes in seiner Formensprache
wahrscheinlich sehr befriedigen
würde.
7. Maiestas Domini.
a) Der bildnerische Schmuck des Lettners wird durch eine Maiestas
Domini (Fig. 70) abgeschlossen, welche sich in einer Yierpaßblende des Giebel-
Fig. 70. Maiestas Domini am Westlettner.