128
Kreis Naumburg.
feldes befindet, ein Zwischenstück zwischen Plastik und Malerei von merkwürdig
archaistischem Gepräge. Das Ganze ist auf eine dünne Steinplatte gemalt, welche
mehrere Sprünge aufweist; alle Geräte, Säume und Borten sind jedoch plastisch
erhöht und vergoldet. Christus sitzt streng frontal auf dem Thron, das Haupt
von einem großen Kreuznimbus mit Lilienarmen umgeben und die Arme aus-
gebreitet. Links hält ein Engel den Kelch mit drei Nägeln und das Kreuz mit
der Krone, rechts ein zweiter Lanze und Schwammstab. Die Komposition ent-
spricht älteren Wandgemälden und gleichzeitigen Miniaturen und sie bringt hier
den Gedanken zum Abschluß, daß Christus „mußte durch viel Leiden zur Herr-
lichkeit eingehen.“ Über die Kunst und Technick des Gemäldes läßt sich nichts
mehr aussagen, da der ursprüngliche Zustand von drei neueren Malschichten
bedeckt wird. Hände und Füße zeigen die Wundmale und die Seitenwunde ist
durch das blaue Kleid sichtbar. Die oberste Malschicht in Öl mit aufgesetzten
Lichtern hat den letzten Hauch von Originalität vernichtet. Um den Yierpaß
läuft in leicht erhabenen Majuskeln eine Inschrift, welche zu dem Bilde freilich
wenig Beziehung hat, zwei leoninische Hexameter:
+ JÜRBITCR • HIC ■ SCDIS • ÄNGNOS • DISTIN6VIT AB • 6DIS ■
+ DURÄ • SIT • ÄH • 6RÄTÄ • TGRGT ■ HIC ■ SCNTCNTIÄ • LÄTÄ
(Hier sitzt der Richter und scheidet die Lämmer von den Böcken. Sei er hart
oder gnädig, der hier gefällte Spruch steht fest.) Sedis ist offenbar nur Verlegen-
heitsreim für sedet, edis steht für hoedis. Die biblische Yorlage ist Matth. 25, 32
Standes erhellt. Man könnte meinen, es sei im Wettstreit mit dem Gemälde
entstanden.
b) Das Tympanon im Ostchor (Fig. 71 u. Taf. 4 3)., über der Tür zur
Treppe des Laufgangs, ist bisher der Forschung gänzlich entgangen. Kein
Fig. 71. Tiirbogenfeld im Ostchor.
(sicut pastor segregat oves ab hoe-
dis). Der Dichter der Yerse hatte
offenbar den gewöhnlichen Typ
des Weltrichters mit dem Buch
des Lebens, Schwert und Lilien-
stab im Auge, während sich der
Maler an die ältere Yorlage mit
den Marterwerkzeugen undWund-
malen hielt, wie er dann im Er-
bärmdebild und der Gregorsmesse
wieder auflebte. Wie sehr die
Malerei im Verhältnis zur Plastik
dieser Zeit noch unfrei war, geht
aus der Komposition genugsam
hervor. Daß der Bildhauer an der-
selben keinen Teil hatte, braucht
man kaum zu versichern. Wir
sind aber so glücklich, ein Werk
zu besitzen, aus welchem seine
Auffassung desselben Gegen-
Kreis Naumburg.
feldes befindet, ein Zwischenstück zwischen Plastik und Malerei von merkwürdig
archaistischem Gepräge. Das Ganze ist auf eine dünne Steinplatte gemalt, welche
mehrere Sprünge aufweist; alle Geräte, Säume und Borten sind jedoch plastisch
erhöht und vergoldet. Christus sitzt streng frontal auf dem Thron, das Haupt
von einem großen Kreuznimbus mit Lilienarmen umgeben und die Arme aus-
gebreitet. Links hält ein Engel den Kelch mit drei Nägeln und das Kreuz mit
der Krone, rechts ein zweiter Lanze und Schwammstab. Die Komposition ent-
spricht älteren Wandgemälden und gleichzeitigen Miniaturen und sie bringt hier
den Gedanken zum Abschluß, daß Christus „mußte durch viel Leiden zur Herr-
lichkeit eingehen.“ Über die Kunst und Technick des Gemäldes läßt sich nichts
mehr aussagen, da der ursprüngliche Zustand von drei neueren Malschichten
bedeckt wird. Hände und Füße zeigen die Wundmale und die Seitenwunde ist
durch das blaue Kleid sichtbar. Die oberste Malschicht in Öl mit aufgesetzten
Lichtern hat den letzten Hauch von Originalität vernichtet. Um den Yierpaß
läuft in leicht erhabenen Majuskeln eine Inschrift, welche zu dem Bilde freilich
wenig Beziehung hat, zwei leoninische Hexameter:
+ JÜRBITCR • HIC ■ SCDIS • ÄNGNOS • DISTIN6VIT AB • 6DIS ■
+ DURÄ • SIT • ÄH • 6RÄTÄ • TGRGT ■ HIC ■ SCNTCNTIÄ • LÄTÄ
(Hier sitzt der Richter und scheidet die Lämmer von den Böcken. Sei er hart
oder gnädig, der hier gefällte Spruch steht fest.) Sedis ist offenbar nur Verlegen-
heitsreim für sedet, edis steht für hoedis. Die biblische Yorlage ist Matth. 25, 32
Standes erhellt. Man könnte meinen, es sei im Wettstreit mit dem Gemälde
entstanden.
b) Das Tympanon im Ostchor (Fig. 71 u. Taf. 4 3)., über der Tür zur
Treppe des Laufgangs, ist bisher der Forschung gänzlich entgangen. Kein
Fig. 71. Tiirbogenfeld im Ostchor.
(sicut pastor segregat oves ab hoe-
dis). Der Dichter der Yerse hatte
offenbar den gewöhnlichen Typ
des Weltrichters mit dem Buch
des Lebens, Schwert und Lilien-
stab im Auge, während sich der
Maler an die ältere Yorlage mit
den Marterwerkzeugen undWund-
malen hielt, wie er dann im Er-
bärmdebild und der Gregorsmesse
wieder auflebte. Wie sehr die
Malerei im Verhältnis zur Plastik
dieser Zeit noch unfrei war, geht
aus der Komposition genugsam
hervor. Daß der Bildhauer an der-
selben keinen Teil hatte, braucht
man kaum zu versichern. Wir
sind aber so glücklich, ein Werk
zu besitzen, aus welchem seine
Auffassung desselben Gegen-