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Kreis Naumburg.
der Altväter, sicher bekannt (z. B. Bamberg, Nordportal). Dann war auch der
Gedanke des TJnterliegens in dieser handgreiflichen Fassung schon längst bei
den Tugenden und Lastern ausgeprägt. Wie dem nun sein mag, jedenfalls hat
er sich redlich bemüht, in seiner Art leidlich organische Haltung und etwas
Abwechslung in das Motiv zu bringen. Die Kleidung besteht aus Kleid und
Mantel. Die Könige tragen Kronen. Die Haltung der Apostel ist frontal.
I. Philippus, in der Rechten ein blankes geschultertes Schwert,1 in der
Linken ein Buch, steht auf dem (2.) auch in der Legende nicht mit Namen
genannten Könige, der mit gekreuzten Beinen zusammengekauert sitzt, den Kopf
ganz nach links gebeugt auf den Arm stützt, in der Rechten ein Schwert. —
3. Bartholomäus, ein Krauskopf mit langem geteilten Bart, ein Buch rechts
in beiden Händen, den Mantel aufgerafft, steht auf (4.) Astrages, welcher
schlafend zusammengesunken ist, das Haupt geneigt, die Linke auf das Knie
gestemmt und die Krone haltend, in der Rechten das Scepter. 5. Matthäus,
jugendlich, hält mit beiden Händen ein Buch vor der Brust, steht auf (6.) Hir-
tacus, welcher gerade vor sich hin starrt, die Beine gekreuzt, den Kopf auf
die Hand und diese auf das Knie stemmt, die Linke, frei gebogen, auf den
Schenkel gestützt. 7. Thomas, im Tänzerschritt stark nach rechts gewandt, die
Füße so verdreht, daß man die Sohle des rechten sieht, vor der Brust ein Buch,
die Linke am Spruchband, steht auf (8.) Mesdeus, welcher trübsinnig, im Profil
gesehen, nach rechts schaut, das Kinn in die Rechte gestützt, welche, vom Mantel
umwickelt, auf dem Knie ruht, die Linke auf das plattliegende Bein gestemmt. ■
b) Die Tugenden und Laster im Kampf waren der scholastischen Ethik
wie der bildenden Kunst geläufig. Man braucht nur an das Nordportal des
Straßburger Münsters zu erinnern, an dem genau wie hier zwölf Tugenden auf
entsprechenden Lastern stehen und mit Speeren nach ihnen stechen. Diese
Zwölfzahl wird den Künstler bewogen haben, sie als Gegenbilder der Apostel
zu wählen. Ob freilich auch eine innere Beziehung gemeint war, sodaß jedem
Apostel dessen Leibtugend und jedem König sein Hauptlaster gegenübertrat, ist
bei der äußerlichen Art, wie der Künstler die Apostel charakterisiert, mehr als
zweifelhaft und würde schließlich nur durch die Beischrift ausgedrückt. Denn
der Versuch, Gütigkeit, Geduld und Hoffnung durch Haltung und Ausdruck zu
bezeichnen, ist nicht gemacht. Es sind hier wie in Straßburg hübsche, zierliche
Jungfrauen, die ihre Waffen spielend und kokett handhaben, wie die Laster häß-
liche, zusammengekrümmte Weiber sind. Einiger Sinn mag ja darin liegen, daß
z. B. der Zorn sich selbst das Schwert in die Brust stößt und die Verzweiflung
sich mit beiden Händen am Busen schüttelt. Nur würden wir das Motiv gerade
umgekehrt wünschen, daß die Verzweiflung Selbstmord begeht und der Zorn
sich schüttelt.
II. Benignitas (Gütigkeit), im Tänzerschritt nach links gewandt, stößt
von links oben nach rechts unten ihre Lanze in die Brust der (12.) Invidia
(Neid), welche, zur Erde geworfen, am Kinn getreten, das Gesicht aufwärts und
zurückgewandt, mit der Rechten die Lanze abwehrt, während die Linke das
1 Weder die Legende noch die Kunstwerke teilen ihm jemals dies Attribut zu. Er
hat sonst gewöhnlich das Stabkreuz.
Kreis Naumburg.
der Altväter, sicher bekannt (z. B. Bamberg, Nordportal). Dann war auch der
Gedanke des TJnterliegens in dieser handgreiflichen Fassung schon längst bei
den Tugenden und Lastern ausgeprägt. Wie dem nun sein mag, jedenfalls hat
er sich redlich bemüht, in seiner Art leidlich organische Haltung und etwas
Abwechslung in das Motiv zu bringen. Die Kleidung besteht aus Kleid und
Mantel. Die Könige tragen Kronen. Die Haltung der Apostel ist frontal.
I. Philippus, in der Rechten ein blankes geschultertes Schwert,1 in der
Linken ein Buch, steht auf dem (2.) auch in der Legende nicht mit Namen
genannten Könige, der mit gekreuzten Beinen zusammengekauert sitzt, den Kopf
ganz nach links gebeugt auf den Arm stützt, in der Rechten ein Schwert. —
3. Bartholomäus, ein Krauskopf mit langem geteilten Bart, ein Buch rechts
in beiden Händen, den Mantel aufgerafft, steht auf (4.) Astrages, welcher
schlafend zusammengesunken ist, das Haupt geneigt, die Linke auf das Knie
gestemmt und die Krone haltend, in der Rechten das Scepter. 5. Matthäus,
jugendlich, hält mit beiden Händen ein Buch vor der Brust, steht auf (6.) Hir-
tacus, welcher gerade vor sich hin starrt, die Beine gekreuzt, den Kopf auf
die Hand und diese auf das Knie stemmt, die Linke, frei gebogen, auf den
Schenkel gestützt. 7. Thomas, im Tänzerschritt stark nach rechts gewandt, die
Füße so verdreht, daß man die Sohle des rechten sieht, vor der Brust ein Buch,
die Linke am Spruchband, steht auf (8.) Mesdeus, welcher trübsinnig, im Profil
gesehen, nach rechts schaut, das Kinn in die Rechte gestützt, welche, vom Mantel
umwickelt, auf dem Knie ruht, die Linke auf das plattliegende Bein gestemmt. ■
b) Die Tugenden und Laster im Kampf waren der scholastischen Ethik
wie der bildenden Kunst geläufig. Man braucht nur an das Nordportal des
Straßburger Münsters zu erinnern, an dem genau wie hier zwölf Tugenden auf
entsprechenden Lastern stehen und mit Speeren nach ihnen stechen. Diese
Zwölfzahl wird den Künstler bewogen haben, sie als Gegenbilder der Apostel
zu wählen. Ob freilich auch eine innere Beziehung gemeint war, sodaß jedem
Apostel dessen Leibtugend und jedem König sein Hauptlaster gegenübertrat, ist
bei der äußerlichen Art, wie der Künstler die Apostel charakterisiert, mehr als
zweifelhaft und würde schließlich nur durch die Beischrift ausgedrückt. Denn
der Versuch, Gütigkeit, Geduld und Hoffnung durch Haltung und Ausdruck zu
bezeichnen, ist nicht gemacht. Es sind hier wie in Straßburg hübsche, zierliche
Jungfrauen, die ihre Waffen spielend und kokett handhaben, wie die Laster häß-
liche, zusammengekrümmte Weiber sind. Einiger Sinn mag ja darin liegen, daß
z. B. der Zorn sich selbst das Schwert in die Brust stößt und die Verzweiflung
sich mit beiden Händen am Busen schüttelt. Nur würden wir das Motiv gerade
umgekehrt wünschen, daß die Verzweiflung Selbstmord begeht und der Zorn
sich schüttelt.
II. Benignitas (Gütigkeit), im Tänzerschritt nach links gewandt, stößt
von links oben nach rechts unten ihre Lanze in die Brust der (12.) Invidia
(Neid), welche, zur Erde geworfen, am Kinn getreten, das Gesicht aufwärts und
zurückgewandt, mit der Rechten die Lanze abwehrt, während die Linke das
1 Weder die Legende noch die Kunstwerke teilen ihm jemals dies Attribut zu. Er
hat sonst gewöhnlich das Stabkreuz.