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Kreis Naumburg.
Wolf Götz ausgeführt. 1541 wurde die Treppe gegenüber der Wage, 1558 die
steinernen Stufen vor dem Altar und der steinerne Born am Kirchhof, 1567 die
Stühle, darin die Prädikanten stehen und 1568 die Emporkirche, darin die
Schüler stehen, gefertigt, die Kirche renoviert und angestrichen und nochmals
1574 renoviert und mit Flederwischen abgekehrt. 1583 ist ein Predigtstuhl vom
Bildschnitzer Heinrich Hase gesetzt, 1589 ein eisernes Gitter um denselben
gezogen. Auf dem Turme, dessen Spitze 1562 ein ungestümer Wind abgeworfen,
stand bis 1868 ein großes Flammenkreuz. Zwischen den Streben waren Buden
eingebaut, die 1851 fielen; an der Nordseite befand sich das Narren- und
Prangerhaus, an der Südseite noch ein kleiner Turm mit dem Armsünder-
glöckchen, 1828 abgebrochen, ringsum der Friedhof, der 1536 vor das Marientor
verlegt wurde. Tor 1615 baute Cunrat Steiner die Bibliothek und den Schüler-
chor. Ein Gang verband seit 1652 das Schlößchen mit der Kirche. Eine völlige
Umgestaltung erfuhr das Innere erst 1724, wo die hölzerne, stuckierte Spiegel-
decke, Emporen und Verschlage eingefügt wurden, dann 1767, wo der Chor neu
geplattet, durch ein Gitter abgegrenzt und das Gestühl erneuert, und wieder 1891
nach Blitzschlag, wo die Emporen entfernt, das Gestühl ersetzt, das Innere wie
auch der Altar neu bemalt, der „Brautstuhl“ geöffnet, die Glasgemälde eingesetzt,
das Maßwerk der Fenster erneuert und die Denkmäler aufgenommen und
umgestellt, auch im Bauschutt mancherlei ältere Reste gefunden wurden.
Im Grundriß und Aufbau fallen die zwei verschiedenen . Hälften sofort
auf, der Chor mit den beiden Türmen, eng, langgestreckt, mit blühendem Reich-
tum der Formen, und das Schiff, weit, arm und nüchtern. Daß die Disposition
erst 1517 so durchgreifend geändert worden sei, ist nach den Berichten und der
Kürze der Bauzeit so gut wie ausgeschlossen. Wir werden demnach zu der
Annahme gedrängt, daß das Schiff schon nach 1473 umgestaltet ist, während die
Ostteile auf die lange Bauzeit von 1411—73 zurückgehen. Dafür spricht auch eine
vorurteilslose Einzelprüfung. Die liebevolle, fast überladene Durchbildung der
Detailformen des Chores zeugt lebhaft von einer behäbigen Ausführung mit
reichen Mitteln, wie sie in Thüringen im 15. Jahrhundert üblich war. Dazu
kommt, daß die Planbildung sich wesentlich an das hergebrachte Schema hält.
Der Chor ist ein schmales Rechteck von 23,50X 11,80 m mit einem Polygon-
schluß in fünf Seiten des Zehnecks, nach Westen von zwei Türmen mit Eingangs-
hallen flankiert. Die beabsichtigte Kreuzform ohne Querhaus ist darin nicht zu
verkennen. Ja es ist wahrscheinlich, daß für die Stellung der Türme eine ältere
Anlage in den Abmessungen des Domostchors maßgebend war, deren Einfluss
bis zu den kleinen Chorkapellen reicht, und daß man nach 1411 den Chor weiter
hinausrückte, indem man ein Joch mit den beiden in fünf Seiten des Achtecks
konstruierten Seitenkapelleu einfügte. Die Sakristei im Süden dürfte erst
nach 1473, das Treppentürmchen daran erst nach 1517 angelegt sein. Während
der Aufbau des Südturmes bald aufgegeben wurde, gelangte der nördliche in den
Besitz des Rates und wurde im Mauerwerk erheblich verstärkt, auch 1 m nach
Norden herausgerückt.
Der Grundriß des Schiffs (Fig. 118) ist ein Unikum in der deutschen
Baugeschichte. Wir sehen ein Rechteck von 33X11 m, wie ein Querhaus mit
Breitseite vor die Türme gelegt, und daran einen Schluß mit fünf Seiten des
Kreis Naumburg.
Wolf Götz ausgeführt. 1541 wurde die Treppe gegenüber der Wage, 1558 die
steinernen Stufen vor dem Altar und der steinerne Born am Kirchhof, 1567 die
Stühle, darin die Prädikanten stehen und 1568 die Emporkirche, darin die
Schüler stehen, gefertigt, die Kirche renoviert und angestrichen und nochmals
1574 renoviert und mit Flederwischen abgekehrt. 1583 ist ein Predigtstuhl vom
Bildschnitzer Heinrich Hase gesetzt, 1589 ein eisernes Gitter um denselben
gezogen. Auf dem Turme, dessen Spitze 1562 ein ungestümer Wind abgeworfen,
stand bis 1868 ein großes Flammenkreuz. Zwischen den Streben waren Buden
eingebaut, die 1851 fielen; an der Nordseite befand sich das Narren- und
Prangerhaus, an der Südseite noch ein kleiner Turm mit dem Armsünder-
glöckchen, 1828 abgebrochen, ringsum der Friedhof, der 1536 vor das Marientor
verlegt wurde. Tor 1615 baute Cunrat Steiner die Bibliothek und den Schüler-
chor. Ein Gang verband seit 1652 das Schlößchen mit der Kirche. Eine völlige
Umgestaltung erfuhr das Innere erst 1724, wo die hölzerne, stuckierte Spiegel-
decke, Emporen und Verschlage eingefügt wurden, dann 1767, wo der Chor neu
geplattet, durch ein Gitter abgegrenzt und das Gestühl erneuert, und wieder 1891
nach Blitzschlag, wo die Emporen entfernt, das Gestühl ersetzt, das Innere wie
auch der Altar neu bemalt, der „Brautstuhl“ geöffnet, die Glasgemälde eingesetzt,
das Maßwerk der Fenster erneuert und die Denkmäler aufgenommen und
umgestellt, auch im Bauschutt mancherlei ältere Reste gefunden wurden.
Im Grundriß und Aufbau fallen die zwei verschiedenen . Hälften sofort
auf, der Chor mit den beiden Türmen, eng, langgestreckt, mit blühendem Reich-
tum der Formen, und das Schiff, weit, arm und nüchtern. Daß die Disposition
erst 1517 so durchgreifend geändert worden sei, ist nach den Berichten und der
Kürze der Bauzeit so gut wie ausgeschlossen. Wir werden demnach zu der
Annahme gedrängt, daß das Schiff schon nach 1473 umgestaltet ist, während die
Ostteile auf die lange Bauzeit von 1411—73 zurückgehen. Dafür spricht auch eine
vorurteilslose Einzelprüfung. Die liebevolle, fast überladene Durchbildung der
Detailformen des Chores zeugt lebhaft von einer behäbigen Ausführung mit
reichen Mitteln, wie sie in Thüringen im 15. Jahrhundert üblich war. Dazu
kommt, daß die Planbildung sich wesentlich an das hergebrachte Schema hält.
Der Chor ist ein schmales Rechteck von 23,50X 11,80 m mit einem Polygon-
schluß in fünf Seiten des Zehnecks, nach Westen von zwei Türmen mit Eingangs-
hallen flankiert. Die beabsichtigte Kreuzform ohne Querhaus ist darin nicht zu
verkennen. Ja es ist wahrscheinlich, daß für die Stellung der Türme eine ältere
Anlage in den Abmessungen des Domostchors maßgebend war, deren Einfluss
bis zu den kleinen Chorkapellen reicht, und daß man nach 1411 den Chor weiter
hinausrückte, indem man ein Joch mit den beiden in fünf Seiten des Achtecks
konstruierten Seitenkapelleu einfügte. Die Sakristei im Süden dürfte erst
nach 1473, das Treppentürmchen daran erst nach 1517 angelegt sein. Während
der Aufbau des Südturmes bald aufgegeben wurde, gelangte der nördliche in den
Besitz des Rates und wurde im Mauerwerk erheblich verstärkt, auch 1 m nach
Norden herausgerückt.
Der Grundriß des Schiffs (Fig. 118) ist ein Unikum in der deutschen
Baugeschichte. Wir sehen ein Rechteck von 33X11 m, wie ein Querhaus mit
Breitseite vor die Türme gelegt, und daran einen Schluß mit fünf Seiten des