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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1893

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Heft 9/10
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Schlottke, C.: Aus dem "Alten Lande"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7908#0062

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JtltdiläniiEi Stnifje.

Ausgenommen und gezeichnet von <L Schlotte, Hamburg.

führen die Dampfer viele Hunderte von Städtern dorthin,
welche sich an dem schönen Anblick erfreuen wollen.

Rreuz und quer durchzogen sind diese Airschenwälder
von ganz schmalen Wasserrinnen, dort Wettern genannt,
welche mit der Elbe durch eine ^Schleuse in Verbindung
stehen, die sich selbstthätig bei Eintritt der Fluth schließt
und bei der Ebbe öffnet. Diese Gräben dienen hauptsäch-
lich zur Entwässerung, werden aber auch zugleich ^von den
Bewohnern zur Beförderung des Mbstes benutzt. Rechts
und links von der Straße liegen nun in verschiedenen Ab-
ständen, bald näher zusammengerückt, bald weiter von ein-
ander entfernt, die Häuser der Altenländer.

Bei fast allen Bauernhäusern der Elb- und Weser-
marsch , wie überhaupt in Niedersachsen, liegt das große
Scheunenthor und der Wirthschaftstheil des Hauses der Straße
zugekehrt. Im Altenlande ist es gerade umgekehrt. Während
die Wirthfchaftstheile nach rückwärts liegen, ist die Giebel-
seite, an welcher die Wohnräume liegen, der Straße zuge-
wendet; hier sind die im Machwerk liegenden Mauersteine
wieder so künstlich angeordnet, daß sie (Abb. S. 57) alle
möglichen Muster bilden (ähnlich wie bei den Vierlanden,
nur sind sie hier besser erhalten*)). Da sieht man auch
wieder Rauten, Zickzacklinien, ineinander geschachtelte Qua-
drate, Rreuze, Dreiecke, Sterne ic. ic. Zuweilen kommt
auch noch das gemauerte Bild einer Windmühle vor, in
deren Thür der Müller steht. In dieser Weise geht es nun
bis zum Giebel hinauf, und will es manchmal scheinen, als
ob )des Guten doch etwas zu viel gethan ist. Das Holz-
werk, welches die gemauerten Felder einrahmt, ist immer
mit Hellen leuchtenden Farben bemalt, hellgrün, weiß, mit-
unter auch roth. Die Eonsolen sind meistens reich profilirt,
zuweilen, aber nicht sehr häufig, mit Schnitzereien versehen.
Oben auf dem Giebel prangt dann noch das eigenthümliche
Schwanenzeichen. Die beiden sich kreuzenden Giebelbretter
stellen in ausgesägter Arbeit zwei Schwäne vor, welche sich
selbst in die Brust beißen, da sie aber sehr stark verschnörkelt

*] Dgl. den Artikel „Aus den Dicrlanden" S. 39, Jahrgang ;892.

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sind, so hat man zuweilen
Mühe, den Schwan zu er-
kennen ; um z. B. zu ver-
hindern, daß der dünne ge-
bogene Hals abbricht, ist der
Zwischenraunt niit einem Mu-
ster oder einer ausgesägten
Blume versehen. Des Oefteren
kommt aber auch anstatt der bei-
den Schwäne eine in Schmiede-
eisen ausgeführte Wetterfahne
vor. Die größte Eigenthüm-
lichkeit der ganzen Hausfront
ist jedoch die in der Mitte be-
findliche sogenannte Aammer-
thür mit dem darüberliegendcn
Fenster, welche beide Dinge so
reich als Ntöglich zu besitzen
der Altenländer keine Rosten
scheut und Einer sucht es dem
Anderen immer darin zuvor
zu thun.

Die ein- oder zweiflügelige Thür hat man meistens
in verschiedene Felder eingetheilt, welche dann mit einer
flachen Holzschnitzerei bedeckt sind. Das oben erwähnte
Fenster besitzt ein künstlich geschnitztes, reich verfchluitgcnes
Arabesken- und Rankenwerk. Man sieht z. B. in der
Mitte eine Vase mit daran geknüpften Fruchtschnürcn, deren
Bänder lebhaft geschwungen sind oder zwei in eine Volute
auslaufende Füllhörner, in welche Blumen oder Aehren
gesteckt sind und dergleichen ähnliche Riotive mehr. In der
Mitte, gewöhnlich auf dunkelblauem Felde steht der goldene
Namenszug des Besitzers, wie überhaupt das ganze Schnitz-
werk des Fensters bunt, in den lebhaftesten Tönen bemalt
ist. Sehr häufig findet man auch ein goldenes Pferd an-
gebracht. Diese Rammerthür und der Raum, welcher hinter
derselben liegt, sind gewiß die größten Eigenthümlichkeiten
des Altenländer Bauernhauses und kommen so weit uns
bekannt in keiner anderen Gegend wieder vor. Die Thür
ist nämlich weder mit einer Almke noch mit einem Drücker
versehen, daher auch von außen nicht zu öffnen, es geht auch
Niemand durch dieselbe auf die Straße, denn er kann sie
von außen nicht wieder verschließen. Nur an der Innen-
seite hat die Thür einen starken Riegel und dieselbe ist nichts
anders als eine Noththür für Feuersgefahr, denn der da-
hinter befindliche Raum stellt eine Art Vorrathskammer
vor, in welcher sich die werthvollste bewegliche Habe des
Hauses befindet: die Bettkistcn, Truhen, Aleiderfchränke, das
Silberzeug, welche auf diese Weise sofort in's Freie befördert
werden können. Der über der Thür liegende wagrcchte
Hausbalken zeigt dann meistens nochmals den Namen des
Hausherrn und der Hausfrau, sowie irgend einen frommen
Spruch in plattdeutscher Mundart.

Treten wir nun ins Haus hinein, so berührt uns vor
allem wohlthuend die Sauberkeit, welche dort herrscht. In
der Wohnstube sehen wir wieder den alten Fayence-Ofen
mit Blaumalerei, der ursprünglich aus Hamburg stammt.
Zuweilen sind auch noch die Wände mit Fayencefliesen be-
deckt, wie wir sie in Holland wiederfinden; doch ist dies
schon eine ziemliche Seltenheit geworden — meistens haben

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