über die amerikanischen Arbeiten wird sich namentlich auch
mit der Stellung desselben gegenüber dem deutschen Kunst-
gewerbe zu beschäftigen haben.
wir haben uns längst daran gewöhnt, auf Ausstellungen
die Zimmereinrichtungen und das Mobiliar als
tonangebend zu betrachten; in gleichem Maaße wie bei euro-
päischen Ausstellungen durste inan allerdings jenseits des
Gceans nicht auf ausreichende Lharakterisirung dieses Ge-
bietes hoffen. Demi die im Vergleich zu dem Werth immerhin
sehr beträchtlichen Ausstcllungsspesen, die den Exporthandel
erschwerenden Transportkosten und die das Mobiliar a,n
mächtigsten bceinflußenden Bedürfnisse der Amerikaner stehen
einer den Leistungen entsprechenden Vorführung europä-
ischen Mobiliars auf einer transatlantischen Ausstellung
hindernd im Wege. Die Nichtbetheiligung vieler Berliner
und der Magdeburger, Kölner, Mainzer, Stuttgarter Möbel-
fabriken ist der beste Beweis dafür, daß man sich in diesen
Kreisen keinen die Opfer lohnenden Erfolg von der Aus-
stellung versprach. Am meisten Hoffnung konnte sich das
Luxusmobiliar machen, bei dessen hohen Preisen die Trans-
portkosten nicht mehr so schwer in die Waagschale fallen;
diesem Gedankengang entsprachen nur wenige Zimmerein-
richtungen und Möbel, vor allem die Rococo-Sachen, wie
das prächtige Zimmer von Eman. Seidl-München, der
überaus brillante Salon von I. Groschkus-Berlin, die kost-
baren und manchfaltigen Möbel von Ferd. Vogt & Lie.-
Berlin, F. Radspiclcr & Tie.-München, L. DistelHorst Karls-
ruhe -Abb. S. 72). Die meisten deutschen Kunsttischler waren
bei der Ausstellung viel mehr bestrebt, ihr Können und ihre
Geschmacksrichtung zu zeigen, als dem Verkauf zu Liebe sich
dem amerikanischen Geschmacks anzubequemen; man gab sich
der Hoffnung hin, daß bei dem hohen Prozentsatz des deut-
schen Elements in Thicago und den zunächst liegenden Ge-
genden des Westens deutsche Eigenart am meisten Sympathie
erwecke. Das mag vielfach zutreffen; aber von Sympathie
bis zum Kaufen ist ein weiter weg! Der Durchschnitts-
amerikaner deutscher Abstammung betrachtet diese altdeutschen,
biedern Zimmer und Möbel wie ein „Märchen aus alten
Zeiten", findet sie wohl auch hübsch, aber weder seinen jetzigen
Bedürfnissen, noch den amerikanischen Wohnungen ent-
sprechend ; und dem reichen Amerikaner sind all diese Dinge
noch zu schlicht. Bei dein Tharakter der amerikanischen
Durchschnittswohnung, wie sie die Klaffe der mäßig Be-
güterten — nicht der wohlhabenden und Reichen — besitzt
und bei den landesüblichen Gewohnheiten ist es ein Zufall,
wenn sich z. B. für das niedersächsische Zimmer von Sauer-
mann -Flensburg *) — so reizend es trotz der beispiellos
dunkeln Aufstellung ist, — in Amerika ein Käufer findet;
ebenso verhält es sich mit andern Zimmereinrichtungen. —
Eine größere Annäherung an spezifisch anrerikanische Be-
dürfnisse läßt sich nur bei wenigen deutschen Möbelfabrikanten
erkennen, so bei I. (£. Pfaff- Berlin, T. prächtel-Berlin,
Rob. Hofmann-Dresden; im übrigen herrscht wie gesagt
vielmehr die Absicht, an dein bei uns gebräuchlichen Mobiliar
die eigene Leistungsfähigkeit in's rechte Licht zu rücken —
namentlich bei Möbeln aus München (Schneller, Neu-
*) Line vorzügliche Abbildung dieses Zimmers findet sich in dem
vom Bayer. Uunstgewe, bevercin herausgegebenen Merke: Das deutsche
Aunstgewerbe zur §>eit der Weltausstellung in Lhicago. Verlag von
ITC. Schorß, München (893.
bauer, Steinmetz, Ballin, pöffenbacher u. A.), Nürnberg
(3. A. Lyffer), Karlsruhe (DistelHorst, Reutlinger),
Mannheim (Peter).
Nach dieser Richtung beurtheilt, bietet die deutsche Ab-
theilung nur sehr weniges, was nicht mit Auszeichnung ge-
nannt werden könnte. Vor Allem gilt dies voit den Gabr.
Seidl'schen Prunkräumen, deren Mittelsaal von keinem andern
Ausstellungs-Interieur an würde und Vornehmheit über-
troffen wird. Es bildet wirklich einen Ruhepunkt in dein
Wirrwarr der Ausstellung, und es ist begreiflich, daß beinr
Betreten desselben selbst der gleichgültigste Ausstellungsbesucher
für Augenblicke von einer gewissen andächtigen Stimmung
ergriffen wird. Zu den:, was schon früher*) über diese
Repräsentationsräume in unserer Zeitschrift gesagt worden
— vgl. auch die Abbildungen auf den Tafeln 8 und 20
dieses Jahrgangs — fügen wir nur noch hinzu, daß die
Ausstattung derselben fast ausschließlich bayerischen Künstlern
und Kunsthandwerkern anvertraut war; ein Tafelaufsatz
Hon 5er Kettauskellung in Chicago.
Empfaiigsrciume im „Englischen ksause".
von Prof. w. widemann - Berlin, Gläser aus Schöneberg
bei Berlin, einige feine Möbel von h. Iaquet öc Sohn-
Frankfurt und von Bernhardt-Dresden waren die einzigen,
außerhalb Bayerns gefertigten Stücke in diesen Prunkräumen.
Ebenso verweisen wir hinsichtlich des Salons von Seitz und
Seidl auf den Begleittext zu Tafel 22.
Eine besondere Betrachtung verlangen die völlig mit
überaus üppigem Ornament geschmückten wandvertäferungen
und Bköbel von B. Harras-Böhlen in Thüringen und Berlin;
der weitere Name der Firma — „Thüringer Ornamenten- und
Dekorationsfabrik" — gibt die Erklärung für die verschwender-
ische Fülle von Ornament. „Die Firma fertigt nach paten-
tirtem Verfahren die sogenannten „„harraß'schen Orna-
mente"", echte Holzplastik, die die Holzschnitzerei bei deko-
rativen Arbeiten vollständig ersetzt" — spricht der Katalog;
zweifellos inacht die Fabrik gute Geschäfte, und ihre waare
findet über dem Gcean gewiß ihre Käufer. Alle Achtung
vor der technischen Leistung I Aber den Freund einer wirk-
lich ächten Holzschnitzerei berührt cs schmerzlich, diese schöne
*) Zeitschrift S. 28 11. 66; Beiblatt Nr. ;o S. 69.
mit der Stellung desselben gegenüber dem deutschen Kunst-
gewerbe zu beschäftigen haben.
wir haben uns längst daran gewöhnt, auf Ausstellungen
die Zimmereinrichtungen und das Mobiliar als
tonangebend zu betrachten; in gleichem Maaße wie bei euro-
päischen Ausstellungen durste inan allerdings jenseits des
Gceans nicht auf ausreichende Lharakterisirung dieses Ge-
bietes hoffen. Demi die im Vergleich zu dem Werth immerhin
sehr beträchtlichen Ausstcllungsspesen, die den Exporthandel
erschwerenden Transportkosten und die das Mobiliar a,n
mächtigsten bceinflußenden Bedürfnisse der Amerikaner stehen
einer den Leistungen entsprechenden Vorführung europä-
ischen Mobiliars auf einer transatlantischen Ausstellung
hindernd im Wege. Die Nichtbetheiligung vieler Berliner
und der Magdeburger, Kölner, Mainzer, Stuttgarter Möbel-
fabriken ist der beste Beweis dafür, daß man sich in diesen
Kreisen keinen die Opfer lohnenden Erfolg von der Aus-
stellung versprach. Am meisten Hoffnung konnte sich das
Luxusmobiliar machen, bei dessen hohen Preisen die Trans-
portkosten nicht mehr so schwer in die Waagschale fallen;
diesem Gedankengang entsprachen nur wenige Zimmerein-
richtungen und Möbel, vor allem die Rococo-Sachen, wie
das prächtige Zimmer von Eman. Seidl-München, der
überaus brillante Salon von I. Groschkus-Berlin, die kost-
baren und manchfaltigen Möbel von Ferd. Vogt & Lie.-
Berlin, F. Radspiclcr & Tie.-München, L. DistelHorst Karls-
ruhe -Abb. S. 72). Die meisten deutschen Kunsttischler waren
bei der Ausstellung viel mehr bestrebt, ihr Können und ihre
Geschmacksrichtung zu zeigen, als dem Verkauf zu Liebe sich
dem amerikanischen Geschmacks anzubequemen; man gab sich
der Hoffnung hin, daß bei dem hohen Prozentsatz des deut-
schen Elements in Thicago und den zunächst liegenden Ge-
genden des Westens deutsche Eigenart am meisten Sympathie
erwecke. Das mag vielfach zutreffen; aber von Sympathie
bis zum Kaufen ist ein weiter weg! Der Durchschnitts-
amerikaner deutscher Abstammung betrachtet diese altdeutschen,
biedern Zimmer und Möbel wie ein „Märchen aus alten
Zeiten", findet sie wohl auch hübsch, aber weder seinen jetzigen
Bedürfnissen, noch den amerikanischen Wohnungen ent-
sprechend ; und dem reichen Amerikaner sind all diese Dinge
noch zu schlicht. Bei dein Tharakter der amerikanischen
Durchschnittswohnung, wie sie die Klaffe der mäßig Be-
güterten — nicht der wohlhabenden und Reichen — besitzt
und bei den landesüblichen Gewohnheiten ist es ein Zufall,
wenn sich z. B. für das niedersächsische Zimmer von Sauer-
mann -Flensburg *) — so reizend es trotz der beispiellos
dunkeln Aufstellung ist, — in Amerika ein Käufer findet;
ebenso verhält es sich mit andern Zimmereinrichtungen. —
Eine größere Annäherung an spezifisch anrerikanische Be-
dürfnisse läßt sich nur bei wenigen deutschen Möbelfabrikanten
erkennen, so bei I. (£. Pfaff- Berlin, T. prächtel-Berlin,
Rob. Hofmann-Dresden; im übrigen herrscht wie gesagt
vielmehr die Absicht, an dein bei uns gebräuchlichen Mobiliar
die eigene Leistungsfähigkeit in's rechte Licht zu rücken —
namentlich bei Möbeln aus München (Schneller, Neu-
*) Line vorzügliche Abbildung dieses Zimmers findet sich in dem
vom Bayer. Uunstgewe, bevercin herausgegebenen Merke: Das deutsche
Aunstgewerbe zur §>eit der Weltausstellung in Lhicago. Verlag von
ITC. Schorß, München (893.
bauer, Steinmetz, Ballin, pöffenbacher u. A.), Nürnberg
(3. A. Lyffer), Karlsruhe (DistelHorst, Reutlinger),
Mannheim (Peter).
Nach dieser Richtung beurtheilt, bietet die deutsche Ab-
theilung nur sehr weniges, was nicht mit Auszeichnung ge-
nannt werden könnte. Vor Allem gilt dies voit den Gabr.
Seidl'schen Prunkräumen, deren Mittelsaal von keinem andern
Ausstellungs-Interieur an würde und Vornehmheit über-
troffen wird. Es bildet wirklich einen Ruhepunkt in dein
Wirrwarr der Ausstellung, und es ist begreiflich, daß beinr
Betreten desselben selbst der gleichgültigste Ausstellungsbesucher
für Augenblicke von einer gewissen andächtigen Stimmung
ergriffen wird. Zu den:, was schon früher*) über diese
Repräsentationsräume in unserer Zeitschrift gesagt worden
— vgl. auch die Abbildungen auf den Tafeln 8 und 20
dieses Jahrgangs — fügen wir nur noch hinzu, daß die
Ausstattung derselben fast ausschließlich bayerischen Künstlern
und Kunsthandwerkern anvertraut war; ein Tafelaufsatz
Hon 5er Kettauskellung in Chicago.
Empfaiigsrciume im „Englischen ksause".
von Prof. w. widemann - Berlin, Gläser aus Schöneberg
bei Berlin, einige feine Möbel von h. Iaquet öc Sohn-
Frankfurt und von Bernhardt-Dresden waren die einzigen,
außerhalb Bayerns gefertigten Stücke in diesen Prunkräumen.
Ebenso verweisen wir hinsichtlich des Salons von Seitz und
Seidl auf den Begleittext zu Tafel 22.
Eine besondere Betrachtung verlangen die völlig mit
überaus üppigem Ornament geschmückten wandvertäferungen
und Bköbel von B. Harras-Böhlen in Thüringen und Berlin;
der weitere Name der Firma — „Thüringer Ornamenten- und
Dekorationsfabrik" — gibt die Erklärung für die verschwender-
ische Fülle von Ornament. „Die Firma fertigt nach paten-
tirtem Verfahren die sogenannten „„harraß'schen Orna-
mente"", echte Holzplastik, die die Holzschnitzerei bei deko-
rativen Arbeiten vollständig ersetzt" — spricht der Katalog;
zweifellos inacht die Fabrik gute Geschäfte, und ihre waare
findet über dem Gcean gewiß ihre Käufer. Alle Achtung
vor der technischen Leistung I Aber den Freund einer wirk-
lich ächten Holzschnitzerei berührt cs schmerzlich, diese schöne
*) Zeitschrift S. 28 11. 66; Beiblatt Nr. ;o S. 69.