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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0048

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32 Erster Abschnitt. Die Altarbekleidung

Gotteshause, der Mittelpunkt, um den sich alles andere gruppierte, das Herz,
von dem jeder Pulsschlag des liturgischen Lebens, das sich im Gotteshause
entfaltete, ausging. Auch galt der Altar von alters her in besonderem Sinne
als Symbol Christi, ihn bekleiden hieß deshalb gleichsam Christum selbst
bekleiden.

So dachle und hielt man es schon in altchristlicher Zeit, wie aus den
früher angeführten Zeugnissen genügsam hervorgeht1, und so dachte und hielt man
es das ganze Mittelalter. Man durchgehe beispielsweise die Vitae des Papst-
hiiches mit ihren ebenso interessanten wie lehrreichen Angaben über das Material
der vestes, welche die Päpste des 8. und 9. Jahrhunderts zum Schmuck der Altäre
der römischen Kirchen anfertigen ließen. Die kostbarsten und seltensten Zeuge, die
man damals besaß, wurden zu ihrer Herstellung benutzt: Vestis de stauradn,
vestis ex auro texta (auro textilis), vestis olosirica, vestis de chrysoclabo, vestis
de blattin, vestis rubea alitina, vestis de fundato, vestis de quadrapulo heißt es
immer wieder von neuem in den Vitae. Wie im Papstbuch, so verhält es sich aber
ähnlich in den mittelalterlichen Inventaren. Soweit sie Mitteilungen über den Stoff
der Altarbekleidung bringen — in denjenigen des 13., 14. und 15. Jahrhunderts
geschieht das vielfach sehr ausgiebig — sind die Zeuge, aus denen die in ihnen ver-
zeichneten pallia, frontalia, und wie immer die Altarbekleidung genannt wird,
bestanden, durchwegs dieselben kostbaren Seidengewebe, aus denen die Meßgewän-
der gemacht waren.

Sehr lehrreich sind in dieser Hinsicht z. B. die Inventare von St. Peter zu Rom,
namentlich das Inventar von 1436 mit seiner langen Reihe der prächtigsten, aus
herrlichen Goldbrokaten angefertigten Altarpallia-, das Inventar von S. Francesco
zu Assisi aus dem Jahre 1341, das an Zahl und Kostbarkeit der Altarantependien
demjenigen von St. Peter kaum nachsteht3, das Inventar des Domes zu Mailand aus
dem Jahre 1445*, das Inventar von S. Maria in Via Lata zu Rom von 1454—14568, das
Inventar von St. Albans (ca. 1400)8, das Inventar der West min sterabtei zu London von
13881, das Inventar der Kathedrale zu Amiens von 1419*, das Inventar der Franzis-
kanerkirche zu Avignon von 1359", das Inventar der St-Chapelle zu Bourges von
1404'°, das Inventar der Ste-Chapelle zu Chambery von 1497", das Inventar der
Kapelle Karls des Kühnen von 14671S, das Inventar Martins von Aragonien aus dem
Jahre 1409ls, die Inventare des Domes zu Prag von 1355 und 1387" u. a.

Freilich war es nicht überall möglich, solch kostbare Antependien zu beschaf-
fen, wie sie uns in den genannten und zahlreichen sonstigen Inventaren in Fülle ent-
gegentreten. In minderbemittelten Kirchen, zumal in armen Landkirchen, mögen
oft genug die dazu erforderlichen Mittel gefehlt haben. Hier müßte man sich deshalb
mit Antependien aus Wolizeugen oder Leinwand begnügen, doch pflegte man
dieselben durch Malerei, durch Stickerei, aufgenähte Zierbesätze u. ä. in einer
ihrer Bestimmung entsprechenden Weise zu verzieren. Duo panni linei (ante altare)
floribus incisi.. . duo panni linei ante altare, quorum unus est depictus et alter e nigro
et albo variatus . . . item tres panni linei incisi et picti ante altare, lesen wir bei-

1 Vgl. oben S. 22 f. ■ Memoires de la Societe des Antiq. de Pi-

1 Müntz 67 !. cardie 1850, 318 f.

■ Fratini G., Storia delia basilica di s. Fran- * BuUet" ** Soc- *""■ 5e **■ m <1872) *" '■
co in Assisi (Praio 18821 171 f '° Memoires de la commission historiquc du
t >.-...- « r. , ' - , , , Cher I, 1 (1857) 79 f.

■ Haglstrett] Marco, Due inven an de du. .. ,,. „ „___ ' ,t _,„„-„ -,„,■„ Vvn n«i,
o di Milano del secolo XV. (Milano 1909). J,0*-""- *' Sl°r'a '**hana JXS1 (1884>

' CaV3"i Luigi' U d^onia di S- Maria in »Laborde (U comte de), Les dues de Bour-

, Lata (Roma 1908) 372 f. gogne n (185]) 41 ,.

■ Annales Monast. s. Albani II (London " Estudis universitäres catalans IV (1910)

1871) 357 f.

' Ardaeol. LH, 1 (1890) 228. " Podlaha XXI und XLI.
 
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