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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0151

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Erstes Kapitel. Alter und Dauer der Verwendung von Altarvelen 135

Sicher ist, dali die Altarvelen im 10.—13. Jahrhundert nicht allgemein im Ge-
brauch waren. Ja, ihre Verwendung scheint nicht einmal sehr verbreitet gewesen
zu sein, da selbst Inventare hervorragender Kathedralen und Stiftskirchen keine
derselben verzeichnen, die cortinae aber, die sie erwähnen, bestimmt als andern
Zwecken dienend hinstellen"'. Auch die Consuetudinarien und Ordina-
rien des 10.—13. Jahrhunderts schweigen in befremdendem Maße von den Altar-
velen. Wohl ist oft auch in ihnen von cortinae und vela die Rede, doch handelt es
sich bei denselben um Behänge, mit denen man den Chor und die Kirche schmückte,
um sog. Fastenvelen und ähnliches".

Sehr bemerkenswert ist ferner, daß keiner der Liturgiker bis zu Durandus
von Altarvelen spricht, obwohl Hugo von St. Viktor18 und Beleth10 sowohl der
cortinae gedenken, welche in Stiftskirchen zwischen dem Chor und dem Volk auf-
gehängt zu werden pflegten, als auch des sog. Fastenvelums, durch welches der
Altar verdeckt wurde. Durandus ist der erste unter den Liturgikern, der in seinem
1286 geschriebenen Rationale die Altarvelen erwähnt. Er hebt jedoch zugleich aus-
drücklich hervor, daß sie nicht allgemein, sondern nur in einzelnen Kirchen in Ge-
brauch waren: In quibusdam ecclesiis sacerdos secretam intrans quibusdam
cortinis, quae sunt in utroque latere altaris, quae tunc extenduntur, quasi tegitur
et velatur".

In den mittelalterlichen Synodalstatuten begegnen uns die Altarvelen
ebenfalls erst im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Die frühesten, die von ihnen
handeln, sind die Statuten der Synode von Münster aus dem Jahre 1279, die in
c. 8 vorschreiben: Item cortinae a lateribus (altaris) utrimque appendantur". Zwei
Jahre später verordnet das gleiche die Kölner Synode, und zwar mit dem Zusatz, es
sollten die Vorhänge zu keiner Zeit des hl. Opfers zurückgezogen werden"' Nee in
aliquo tempore sacrificii retro trahantur. Im Jahre 1287 begegnet uns dieselbe Vor-
schrift in den Statuten der Synode von Lüttich23; der Zusatz lautet hier, es sollten
die Vorhänge von niemand zur Zeit der Messe zurückgeschoben werden: Nee ab
aliquo tempore sacrificii retrahantur. Um 1300 heißt es in den Statuten der Synode
von Cambrai: Cortinae convenientes, quae alae dieuntur, a lateribus altaris utrimque
appendantur nee temere ab aliquo retrahantur**. Die Statuten der Synode von Sois-
sous aus dem Jahre 1403 schreiben vor: Quotiens missa celebratur, cortinae sint circa
altare, ne sacerdos a circumstantibus turbetur, maxime ubi est frequentia populi".
Die Synodalstatuten des Bischofs Johannes Avantage von Amiens (f 1456) unter-
sagen dem Priester, nach der Ahlutio seine Hände an den Altartüchern oder an den
Altarvorhängen abzutrocknen50, setzen also voraus, daß neben dem Altar Vorhänge
angebracht waren.

11 Vgl. z. B. die vorhin angeführten Inven- 149, 643 f.); das Ordinarium der Kathedrale zu

tare von St-Martial zu Limoges und von Bayeux (U. Chevalier, Ordinaire et Coutumier

Salislmry, das an Paramenten aller Art so un- de IVigüse uathMrsle de Bayeux [13e s.] [Paria

gemein reichhaltige Registrum von Rochester 1902]); das Ordinarium der Kathedrale zu

(Revue XXXVII [1887] 333 f.), das Inventar Laon (U. Chevalier, Ordinales de l'eglise ca-

von St. Paul zu London von 1245 (Archaeol. L thedrale de Laon [12e et 13e s.J [Paris 1897]);

[1887] 464 f.), das durch seine Systematik die Consuctudines eanoiüc. regulär. S. Victoris

höchst interessante Inventar des Klosters Prü- Paris. (Marlene III, 254 s.) u. a.

foning bei Regensburg von INS: Quae ador- ,s De sacram. 1. 2, p. 9, c. 7 (M. 176, 474).

nantur in ecclesiae hsec sunt: Altäre, sacer- " Rationale divin. offic. c. 85 (II. 202, 89).

dos, ministri, scola chori, ambitus ecclesiae. *° Ration, i. 4, c. 39, n. 1; vgl. 1. c. c. 35, n. 3

Altaris nrnamenta sunt in vasis et vestibus... und I. 1, c. 3, n. 35.

Nunc de vestibus vel potius investitura altaris. " llartzh. III, 646.
Haec est in paliis (Antependium), linteis, cor- ■ 1! C. 7 (llartzh. III, 662).

poralibus, offertoriis... Ornatus scolae chorl !I C. 5, n. 5 (1. c. 690).

est in cappis, albis, cinguiis. Von Altarvelen » Tit. de Euch. (1. c. IV, 71). Statt temere

kein Wort. (N. Arch. XIII (1888) 561.) ist auch hier wohl tempore sacrißeii zu lesen.

" Vgl. z. B. das Consuetudinarium Farfense " X. 28 (Martine, V. SS. ampl. coli. VIII

(Stuttgardiae 1900); die Constitutiones Hirsaug. [Paris 1733] 1540).

CK. 150, 927 f.); die Consuetudines Cluniac. (M. " C 4, a. 15 (l. c. VII, 1248).
 
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