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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0152

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136 Zweiler Abschnitt. Die Altarvelen

Eine wichtige Ergänzung erfahren diese Synodalbestimmungen durch die An-
gaben der Inventare des 14. und 15. Jahrhunderts. Altarvelen werden in diesen so
häufig aufgeführt, daß sie nun als weit verbreiteter, sehr gewöhnlicher Schmuck des
Altares erscheinen. Sie begegnen uns in französischen wie in englischen, in spani-
schen, wie in flandrischen und deutschen Inventaren, und zwar nicht bloß in Inven-
turen hervorragender Kirchen, sondern auch in denjenigen kleinerer Pfarrkirchen
und Kapellen. Nur in den italienischen wird beachtenswerterweise ihrer kaum
gedacht, wie z. B. in einem Inventar des Domes zu Siena aus dem Jahre 1467, in dem
bei Aufzählung der zu den einzelnen Allären gehörenden Ausstattungsgegenstände
meist auch ein oder zwei Vorhänge aufgeführt werden".

Reichlich bezeugen auch die Bildwerke des 14. und 15. Jahrhunderts den
ausgiebigen Gebrauch, den man damals von den Altarvelen machte, zumal die fran-,
zösischen, niederländischen, englischen und deutschen Miniaturen (Tafel 144). Eine
Ausnahme machen wie bei den Inventaren die italienischen Bildwerke aus jener Zeit,
auf denen uns Altarvelen kaum je begegnen.

Es kann sonach keinem Zweifel unterhegen, daß Velen seit dem ausgehenden
13. Jahrhundert wenigstens diesseits der Alpen vielenorts als Ausstattung des
Altares zur Verwendung kamen, und zwar nicht bloß in größeren Kirchen wie
Kathedralen und Stiftskirchen, sondern, wie namentlich aus den Inventaren hervor-
geht, ebenso in kleineren Pfarrkirchen.

Mittelalterliche Altarvelen sind meines "Wissens nicht auf uns gekommen!8.
Säulen, die zum Aufhängen der Vorhänge dienten, haben sich an Ort und Stelle
erhalten in St. Stephan zu Mainz und in der Kollegiatskirche zu Manresa". Zwei
andere solcher Säulen, flandrischer Herkunft wie es scheint, stehen jetzt im Museum
des Louvre30, zwei aus der Gumpertikirche zu Ansbach stammende im Germanischen
Museum zu Nürnberg.

II. DIE ALTARVELEN IN NACHMITTELALTERLICHER ZEIT
Die Verwendung von Altarvelen dauerte mancherorten auch noch nach
dem 15. Jahrhundert fort.

1520 verordnet die Synode von Tournai, es sollten die Pfarrer die Altäre, Altar-
tücher und Vorhänge (cortinae) durchaus rein und sauber halten"; 1532 erwähnen
die Dekanatsstatuten von Florennes die cortinae altaris, lateribus utrisque appensaes.
Im Jahre 1535 spricht Berthold von Chiemsee in seinem Tewtsch Rational von den
Altarvelen, die er als eine damals sehr gewöhnliche Einrichtung bezeichnet. „Der
Priester," sagt er, „sol am altar nit umbschawen; denn wer sein hand an den pflueg
legt und schawet hinder sieh, der ist untichtig zum reich gotes. Deshalb sein ge-
mainigklich an beden seytten zwei fürhang, dabey zu versteen, daß
der altar ist der inwendig allerheiligst tabernakel hindern fürhang3." 1550 erneuert
eine Synode von Cambrai die Vorschrift, welche die Synodalstatuten von 1300 be-

" Annal. archeol. XXV (1865) 2761- Wenn ihm angebrachte Darstellung als Caritas, da

bei den Nebenaltären in der Regel nur ein doch schon eine geringe Kenntnis der spät*

Vorhang erwähn! wird, so hat das vermutlich mittelalterlichen Ikonographie hinreicht, um

seinen Grund darin, daß ein solcher bei den in ihr die „hl. Sippe" zu erkennen,

betreffenden Altären infolge ihrer Stellung bloß " Auch in S. Juan de Abadesa in Katalonien

an einer Seite angebracht werden konnte sollen sich noch um den Hochaltar herum die

oder doch Sinn und Zweck halle. Säulen erhalten haben, welche zum Aufhängen

11 Ob der bestickte, im Privatbesitz befind- der Velen bestimmt waren,

liehe Behang, den Viollet-le-Duc in seinem ,0 Abt. Seulptures du Moyen-äge et de la Be-

Dictionnaire raisonnä du mobilier francais I naissance.

(Paris 1872) unter voilc zum Teil abgebildet ' C. 5. (Hartzh. VI, 154).

hat, wirklich ein Altarvelum war, wie dort ' Analccles pour servir ä l'hist. eccl. de la

angenommen wird, muß dahingestellt bleiben. Belgique I (1864) 214.

Befremdlicherweise deutet Viollet die auf ■ C. 2, n. 16.
 
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