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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0153

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Erstes Kapitel. Alter und Dauer der Verwendung von Altarvelen 137

treffs Anbringung von Altarvelen erlassen hatten*. Zwölf Jahre später (1562) gedenken
die Statuten des Dekanatskapitels von Gembloux der Altarvorhänge5, 1564 die Statuten
von Biesme8, 1569 diejenigen von Jodoigne'. 1571 schreibt die Synode von Herzogen-
busch vor, es sollten die Altäre mit allem Nötigen, darunter auch mit einem Ante-
pendium und mit cortinae, ausgestattet werden8.

Auch in Inventaren des 16. Jahrhunderts werden die Altarvelen noch olt
erwähnt, wie z. B. in dem Inventar von Poligny (Jura) von 1517°: Item deux cortines
de serge rouge el verde... pour mettre ä l'entour de l'autel, dem' Inventar von
St-Maurice zu Salins (Jura) von 157710, dem Inventar von St-Florent zu Saumur
(Maine-et-Loire) von 1538", den Inventaren von St. Brigiden zu Köln von 1508 und
1541" u. a. Ebenso begegnen sie uns noch auf Bildwerken des 16. Jahrhunderts, wenn
auch weniger häufig als auf denjenigen des 14. und 15.

Überhaupt war schon im 16. Jahrhundert die Verwendung von Altarvelen im
Abgang begriffen, namentlich aber muß es sich so in dem letzten Viertel desselben
verhalten haben. Denn es ist sehr auffallend, dall der Regensburger Generalvikar
Myller in seinem Ornatus ecclesiasticus mit keinem Worte mehr von den Altarvelen
redet, die doch zweifelsohne ein ebenso praktischer, wie schöner und würdiger
Schmuck der Altäre waren. Wenn er trotz seines Eifers für eine geziemende Aus-
stattung der Altäre ihrer nicht im geringsten gedenkt, so dürfte sich das nur durch
die Annahme erklären, dail sie um 1591 in Süddeutschland wenig mehr in Gebrauch
waren. Bemerkenswert ist auch, daü die Dekanatsstatuten von Jodoigne aus dem
Jahre 1569 die cortinae noch kennen, die Statuten des gleichen Dekanats von 1611"
dagegen nicht mehr.

In den Synodalstatuten des 17. Jahrhunderts geschieht der
Altarvorhänge nur ausnahmsweise mehr Erwähnung, so in den Kapitel Statuten von
Fleurus von 16161* und in den Statuten der Synode von St-Omer, in denen der Visi-
tator angewiesen wird, zuzusehen, ob die Altäre mit cortinae und Antependien aus-
gerüstet seien".

Was die Altars-elen außer Brauch brachte, war wohl hauptsächlich der Wechsel
im Altarbau, wie er sich seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts diesseits der
Alpen immer allgemeiner vollzog. An die Stelle der mittelalterlichen Retabeln treten
die schweren barocken Aufbauten, die nicht länger auf dem Altar selbst errichtet
werden konnten, sondern sich auf einem hinter diesem eigens für sie angelegten
Unterbau erhoben. Zu diesen mächtigen Altarkolossen paßten die Altarvorhänge
schlechterdings wenig mehr.

Nicht bei allen fand es freilich Beifall, daß man die Altarvelen abschaffte, wie
z. B. nicht bei Lupus, der sich mit ebenso entschiedenen wie scharfen Ausdrücken
gegen ein solches Vorgehen wendet. „Ich weiß nicht," schreibt derselbe 1673,
„welche Neuerungssucht seit einigen Jahren beginnt, von unsern Altaren die Velen
zu entfernen. Grundschlecht. Das ist ein Mißbrauch, den die Bischöfe durchaus be-
strafen müssen und nicht aufkommen lassen dürfen. Auch haben die Altarvelen ja
ihre mystische Bedeutung16."

In der Tat kamen die Altarvelen nie völlig außer Verwendung; doch waren es schon
in der Zeit des Barocks nur mehr einzelne Kirchen, in denen sie sich aller Neuerung

• Tit. 8 (Hartzh. VI, 698): Cortinae conve- " Ebd. 7= ser. II (1880) 238.

nientes, quae alac dieuntur, a lateribus altaris ■' Annalcn des hist. Vereins vom Nieder-

utrimque appendantur. rhein XLV (1886) 124 128.

• Analectes 1. c. 433: Deux corlines pour i. Analecles II (1865) 350.
absconser le grand auiel pour obvier du peril u £i j ij 290

"''Ebd. IV (1867) 192. '5 Til- 2i' c- 5 (Hartzh. X, 819).

' Ebd. I, 347. " Synod. general. decreta, Dissert. de qni-

8 Hartzh. VII, 734. busdam Palrum locis speetantibus ad haer.

• Bullet, des soc. sav. 6e ser. IV (1876) 233. Berengarii c. 8 in Opera omnia VI (Venet.
" Ebd. 6e ser. HI (1876) 147. 1725) 195. Zuerst erschienen 1673.
 
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