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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0154

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138 Zweiter Abschnitt Die Altarvelen

zum Trotz zu behaupten wußten. Besonders war das in französischen Kathe-
dralen und Stiftskirchen der Fall, in denen sie sich am Hochaltar — allerdings auch
nur an diesem — mehrfach bis in das 18., ja hier und dort bis in das 19. Jahrhundert
erhielten; wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Umstände, daß man den Hoch-
altar der französischen Kathedralen und Stiftskirchen gern ohne hohen Retabelauf-
bau beließ. So fand beispielsweise Le Brun-Desmarettes (de Moleon) noch um 1700
Altarvelen in St-Martin zu Tours, in St-Seine zu Dijon, in der Kathedrale zu Sens, in der
Kathedrale zu Chartres, in der Kathedrale und in St-Ouen zu Rouen". Daß in Notre-
Dame zu Paris die Velen bis wenigstens in den Beginn des 18. Jahrhunderts in Ge-
brauch blieben, ersehen wir aus der Abbildung des Hochaltares im Ceremoniale von
1703. In der Kathedrale zu Auxerre kamen sie mindestens bis 1738 zur Verwendung,
wie die Wiedergabe des Hochaltares derselben im Missale von 1738 bekundet1". Zu
Albi standen um den Hochaltar der Kathedrale noch bis 1790 die 1485 aufgestellten
Säulen, zwischen denen die Velen einst aufgehängt worden waren, diese selbst frei-
lich waren nach dem Visitationsprotokoll von 1698 wohl schon damals nicht mehr im
Gebrauch". In der Kathedrale zu Amiens erhielten sieh die Altarvelen am Hochaltar
bis 1671«

In einzelnen Diözesen Frankreichs müssen selbst noch im 19. Jahrhundert Aitar-
velen im Gebrauch gewesen sein. Denn ein in der Frühe desselben zu Clermont ge-
drucktes Manuale ordinandorum, das seinen Anweisungen den Ritus der Diözese
Clermont zugrunde legt, gibt an, es sollten zu Beginn des Kanons bei den Worten In
primis quae tibi offerimus die zu beiden Seiten des Altares ausgespannten Vor-
hänge zurück-, gleich nach der Elevation des hl. Blutes aber wieder vorgezogen wer-
den'1. Den Vorhang an der Epistelseite hatte der Diakon, den an der Evangelien seile
der Subdiakon zurück- und wieder vorzuschieben. Ähnliche Anweisungen enthält
auch die 1827 zu Avignon und im gleichen Jahre zu Paris erschienene Bearbeitung
des Manuale ordinandorum. Die Vorhänge wurden nach ihnen jedoch erst bei Quam
oblationem zurückgeschoben. Zum zweiten Male wurden sie bei Per quem haec
omnia vor der kleinen Elevation zurückgezogen, um jedoch gleich nach Omnis honor
et gloria wiader ausgespannt zu werden. Besonders bemerkenswert ist, daß in beiden
Ausgaben der Anweisung der Zusatz angefügt ist, falls Vorhänge vorhanden seien:
Diaconus a cornu epistolae, subdiaconus a cornu evangelii reducunt cortinas si quae
sunt". Die Vorhänge waren also nicht allgemein gebräuchlich, wahrscheinlich sogar
nur mehr vereinzelt. Übrigens hat selbst noch die 1851 von den Sulpizianern besorgte
Pariser Ausgabe des Manuale die Anweisung, freilich gleichfalls mit der erwähnten
Bedingung: Si quae sint cortinae-'.

Auch in Katalonien kamen hier und da noch im Beginn des 19. Jahr-
hunderts die Altarvelen zur Verwendung, so in der Diözese Vieh, doch wurden sie
hier zu Beginn des Kanons nicht zurück-, sondern vorgezogen". Heute habe ich sie
nur mehr beim Hochaltar der Kathedrale zu Gerona angetroffen. In Deutsch-
land gab es Altarvelen noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Dom zu Münster.
Sie waren an jenen Nebenaltären angebracht, welche vor den Pfeilern des Mittel-
schiffes standen und wurden vorgezogen, wenn an denselben die Messe gelesen wer-
den solHe". Es ist zu bedauern, daß die Altarvelen so ganz außer Gebrauch gekom-
men sind. Sie waren ein hervorragender Schmuck des Altares. Man hat daher auch
beim Wiedererwachen der kirchlichen Kunst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts
zu wiederholten Malen ihre Wiedereinführung befürwortet, doch hatten alle dahin-
zielenden Anregungen im ganzen nur geringen Erfolg, den meisten noch in Belgien.

11 Voyages liturg. (Paris 1718) 121 f. !! Ausgabe von Avignon S. 234 und 286, von

" J. Wkkham Legg, Ecclesiological Essays Paris 376 und 379.

(London 1905) pl. IV und XVI. >' P. 494.

19 Graz. Kirchensch. XX (1889) 110. M J. Vülanueva, Via]« literario a las iglesias

*> Viollet, Archii. II, 53. de Espafia VI (Valencia 1821) 98.

" Ritus in missa majori servatidus c. 8 (p. 170). =' Organ für dlrist!. Kims! Ml (1857) 256 Anm.
 
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