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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0166

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150 Zweiter Abschnitt. Die Altarvelen

den Brauch des 12. Jahrhunderts wiedergebenden Consuetudines s. Osmundi von Salis-
burySJ. Besonders ausführlich verbreitet sich das letztgenannte Consuetudinarium
sowie der Usus Cisterciensium über den Brauch. A sabbato praecedente (dem Samstag
vor dem ersten Fastensonntag) usque ad quartam feriam ante pascha, heißt es in
jenem, velum quoddam dependeat in presbyterio inier chorum et altare, quod per
totam quadragesimam in feriis, quando de feriis agitur, debet esse demissum, nisi dum
evangelhim legitur. Tunc enim Interim extollitur et elevatum dependet, quoadusque
a sacerdote dicatur: Orate fratres. Et si in crastino sequatur festum novem lectionum
de cetero eo die non demittatur nee eiiam ante proximas matutinas feriales. Si tarnen
in ipso festo fiat missa „de jejunio", dimittitur velum usque ad ineeptionem evangelii
et non ulterius. Quarta autem feria ante pascha, dum passio Domini legitur, ad pro-
lationem ipsius clausulae: Velum templi scissum est, praedictum velum in aream
presbyterii deetdat.

In den Inventuren des 12. Jahrhunderts ist das velum quadragesimale
meist unter den cortinae einbegriffen, die in ihnen aufgezeichnet sind. Nur selten
wird es ausdrücklich mit seiner Sonderhezeichnung aufgeführt, wie z. B. in dem
Inventar des Klosters Prüfening von 1165, in dem unter den vela auch in quadra-
gesima appendenda Iinea vela 3 verzeichnet werden19. Das Registrum von Rochester
verewigt um 1200 die Schenkung eines Fastenvelums mit dem Eintrag: Sungiva
reclusa dedit velum, quod extenditur in quadragesima inter conventum et majus
altare28. Bischof Wilhelm Brewere von Exeter (1224—1244) schenkte zufolge dem
Register von Exeter seiner Kathedrale ein velum quadragesimale pulcrum et nobile5".
Daß in der Laurentiuskirche zu Lüttich im 12. Jahrhundert das Fastenvelum in Ge-
brauch war, entnehmen wir einem eingehenden Bericht über den Blitzschlag, der
dieselbe am 20. März 11S2 traf. Der Blitz drang auch in den Altarraum, ohne jedoch
im geringsten die Vorhänge zu verletzen, welche, wie es in der Fastenzeit üblich war,
vor dem Kreuz in der Witte der Kirche und vor den Chorschranken hingen und oben
fast bis zur Decke, unten beinahe bis zum Boden reichten".

Wie es scheint, kam die Sitte, in der Fastenzeit ein Velum vor dem Altar
aufzuhängen, diesseits der Alpen auf, und zwar in den Klosterkirchen. Sie
erlangte aber allmählich die weiteste Verbreitung; denn wir finden sie im
spätem Mittelalter ebensowohl heimisch in Spanien und in Frankreich, wie
in England und den Niederlanden, in Deutschland und der Schweiz. Anfäng-
lich mögen es außer Klosterkirchen nur Stiftskirchen und Kathedralen ge-
wesen sein, in denen man das Fastenvelum zur Anwendung brachte, aber
schon im 13. Jahrhundert finden wir es auch in Pfarrkirchen verwertet, vor
allem in England, wo es sogar durch einzelne Synoden des 13. Jahr-
hunderts ausdrücklich vorgeschrieben wird.

So soll nach den Statuten der Synode von Worcester aus dem Jahre 1240 in
jeder Kirche sein unum velum quadragesimale32, die Synode von Exeter des Jahres
1287 bestimmt sogar, es solle jeder Altar mit einem solchen ausgestattet werden": Ad
quodlibet altare velum quadragesimale. Die Beschaffung des Fastenvelums fiel wie
die Statuten des Erzbischofs Walter Gray von York (1250), des Erzbischofs Johannes
Peckham von Canterbury (1281) und der Synode von Merton (1300) bestimmen, zu
Lasten der Piarrgemeinde34. Um Mißbräuchen und Ausschreitungen vorzubeugen,
untersagten die Konstitutionen des Bischofs Richard Poore von Salisbury von 121735,

'. H. Rieh. Jones, Velus registrum Saris- " M. G. SS. XX, G12.

i I (London 1SS3) 170. >• C. j m. VII, 331).

s C. 12 (H. VII,

« N. Aren. XIII (
=• Revue XXXVIII (1888) 3„„
»• J. N. Dalton, Ordinate Esoniense II (Lon- " H- VII, «1 878 1212.

don 1909), 546. " C. 25 0- c. 96).
 
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