Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0189

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DRITTER ABSCHNITT

DIE LEUCHTERBANK, DIE ALTARSTUFEN

ERSTES KAPITEL

DIE LEUCHTERBANK

Bis in den Beginn des 2. Jahrtausends war es nicht Brauch, die Kerzen-
leuchter auf den Altar zu stellen. Wohl waren Lichter bei der Feier der
Messe angezündet, oft sogar in großer Zahl, doch befanden sie sich nicht
auf dem Altare selbst, sondern hinter ihm, um ihn herum oder über ihm.
Auch bestand eine ausdrückliche Vorschrift, bei ihr Lichter anzuzünden,
noch nicht, es beruhte das vielmehr auf Brauch und Herkommen.

Brauch und Herkommen waren es auch, welche jeweilig bestimmten, an wel-
chem Platz und wie die Lichter angebracht werden sollten, allerdings mit der Ein-
schränkung, daß sie nicht auf den Altar selbst gesetzt werden durften. Die Kano-
nes des angelsächsischen Königs Edgar (f 975) sind zufrieden, wenn überhaupt
in der Kirche während der Messe ein Licht brennt: Semper ardeat lumen in ecclesia,
cum missa celebratur1; einen bestimmten Platz, an dem es aufgestellt werden sollte,
geben sie ebensowenig an, wie die Art des Lichtes, ob Kerze oder Lampe, Hänge-
oder Standlampe.

Wir finden demgemäß auch auf den zahlreichen bildlichen Darstellun-
gen des Altares bis in das 11. Jahrhundert hinein nie einen Leuchter auf der
Altarmensa. Erst seit dem Ende des 11. Jahrhunderts kommen, wenn auch bis zum
13. nur ganz vereinzelt, Bildwerke vor, auf denen der Altar mit einem oder mit
zwei Leuchtern ausgestattet ist. Zu den frühesten gehören zwei Federzeichnungen
einer Prudentmshandschrift in der Bibliothek des Palais des Arfs zu Lyon (Tafel 150)'
und drei Miniaturen des Wyscherader Evangeliars in der Universitätsbibliothek zu
Prag3. Zu Rom begegnet uns ein sehr frühes Beispiel auf einem der im letzten
Viertel des 11. Jahrhunderts gemalten Wandbilder der Unterkirche von S. Clemente:
Eine Mutter findet ihr Kind, das sie im Marmortempel vergessen hatte, nach
Jahresfrist lebend und wohlbehalten wieder (Tafel 146).

Im 13. Jahrhundert werden Bildwerke dieser Art häufiger; im 14. und 15. sind
sie sehr zahlreich, doch begegnen uns noch im späten Mittelalter oft genug Dar-
stellungen liturgischer Funktionen, und zwar selbst der Messe, auf denen der Altar
ohne Leuchter ist. Bisweilen tragen in solchen Fällen die Ministranten Kerzen,
doch fehlen diese auch wohl völlig, was indessen zweifellos auf Rechnung des
Malers zu setzen ist. Denn daß man die Messe im 14. und 15. Jahrhundert gefeiert
hätte ohne alles Licht, ist nicht anzunehmen.

1 Can. 42 (M. 138, 502).
* R. Stettiner, Die illustrierten Prudentius-
flandschritten (Berlin 1905) TfL 113.
 
Annotationen