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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0190

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174 Dritter Abschnitt. Die Leitchterbank, die Altarstufen

So oft aber auch seit dem 12. Jahrhundert die Bildwerke auf dem Altar
Kerzenleuchter zeigen, niemals stehen diese auf einer Staffel von der Art
unserer Leuchterbänke. Stets befinden sie sich vielmehr auf dem Altare
selbst, mögen ihrer nun zwei vorhanden sein oder bloß einer, und zwar in
der Regel wie heute nahe dem hinteren Rande der Mensa oder dicht vor
dem Retabel, wo sich ein solches auf der Mensa erhebt.

Auf dem Retabel selbst haben sie sehr selten und bloß ausnahmsweise ihren
Platz gefunden, obwohl die niedrigen Retabeln, wie sie im 13. und 14. Jahrhundert
namentlich in Frankreich beliebt waren, weil zur Aufstellung von Reliquiaren sehr
geeignet, auch für die Leuchter eine passende Stelle gewesen wären. Ein Beispiel
bietet ein Relief des südlichen Portals der Kathedrale von Amiens; es stellt einen
Altar dar, auf dem sich an der Rückseite ein niedriger Aufsatz erhebt, der wie die
an seiner Seite angebrachte Tür bekundet, nicht eine Leuchterstufe sein soll, für
die er übrigens auch zu hoch wäre. Oben steht auf ihm ein Kerzenleuchter. Daß
nur einer sichtbar ist, dürfte sich aus dem Umstand erklären, daß der Altar im
Profil dargestellt ist. In Deutschland waren solche niedrige Retabeln allem An-
schein nach sehr selten. Ein Retabel dieser Art in der Marienkapelle des Domes zu
Halberstadt hat eine so geringe Höhe, daß es einer Leuchterbank zum Verwechseln
ähnlich sieht. Ein anderes Beispiel, das aus dem Dom zu Minden stammt, befindet
sich jetzt im Kaiser-Friedrichs-Museum zu Berlin. Es wurde im späten 14. Jahr-
hundert in die Predella eines Flügelaltares umgewandelt. Auf einer höchst inter-
essanten Darstellung einer mit Aussetzung des hhl. Sakramentes verbundenen Messe
auf einer Miniatur einer Handschrift des 15. Jahrhunderts in der Kgl. Bibliothek zu
Brüssel sehen wir oben auf dem Retabel zwei kniende Engel einen Leuchter mit
Kerze halten (Tafel 144). Auf einer bei Rohault de Fleury wiedergegebenen Minia-
tur einer Handschrift der Nationalbibliothek .zu Paris ist am Retabel des Altares
ein Armleuchter angebracht*.

Mit dem Bildwerk stimmt überein, was wir noch an mittelalterlichen Retabeln
besitzen. Sie entbehren ausnahmslos einer Leuehterbank. Wohl sind sie im 15. Jahr-
hundert gewöhnlich mit einem Untersatz, der sog. Predella, versehen, allein dieser
war nur Untersatz, der den alleinigen Zweck hatte, dem Retabel eine größere Höhe
zu geben. Zur Aufstellung von Leuchtern konnte er schon darum nicht verwendet
werden, weil er zu wenig vortrat und darum keinen Platz für solche gewährte.
Bei deutschen Retabeln kommt es vereinzelt vor, daß an der Front ihrer
Predella eine Tür angebracht ist, die nach unten herabgekiappt und dann so
befestigt werden kann, daß sie eine Art von Bank bildet. Dieselbe diente indessen
ebenfalls nicht zur Aufnahme von Leuchtern, war keine Leuchterbank. Das Herab-
klappen der Tür sollte einen Blick auf die in der Predella aufbewahrten Heiligtümer
ermöglichen, auf das Brett selbst aber stellte man weitere Reliquiare5. Einen ver-
wandten Zweck hatte der bankartige Vorsprung, den wir bei einigen späten franzö-
sischen Steinretabeln antreffen, wie z. B. bei den beiden Altären im Transept der
Kathedrale von St-Pol de Leon. Das Retabel gliedert sich hier in einen niedrigen,
unteren Teil, der etwas vortritt und eine Art von Bank darstellt, und einen höheren
oberen, der den Charakter einer Rückwand hat. Der vorspringende untere diente
zur Aufstellung von Statuetten und Reliquiaren, jedoch nicht als Leuchterbank.

Wo immer an mittelalterlichen Altären sich wirkliche Leuchterstufen
vorfinden, in Italien wie in Frankreich, in Spanien wie in Deutschland, sind
dieselben stets eine Zutat aus neuerer Zeit, und zwar aus der Zeit des Barocks.

* La messe VI, TD. 484.

* Interessante Beispiele finden sich beson-
ders in der an mittelalterlichen Flügelschreinen
 
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