Zweites Kapitel. Die Altarstufen 179
wie z. B. ein Ciborium, als nützlich oder nötig gefordert wurden. In den
christlichen Basiliken Afrikas hat man meines Wissens von Altarstufen in
unserem Sinne nichts gefunden. Man begnügte sich dort mit einer Erhöhung
des Altarraumes.
Im Osten hören wir einmal von Altarstufen. Wie eine anonyme, dem
11. Jahrhundert entstammende Schrift über die Altertümer Konstanlinopels erzählt,
versah Kaiser Justinian den von ihm in der Hagia Sophia errichteten Altar ringsum
mit Stufen aus vergoldetem Silber". Ist die Angabe zutreffend, so handelte es sich
bei jenen Stufen wohl nur um den Unterbau des Ciboriums, unter dem der Altar
aufgestellt war. Indessen ist der Anonymus angesichts der Übertreibungen und
fabelhaften Schilderungen, von denen seine Baugeschichfe und Beschreibung der
Hagia Sophia strotzt, nicht eben zuverlässig, zumal kein anderer, insbesondere auch
nicht Paulus Silentiarius, von den vergoldeten Silberstufen des Allares etwas
berichtet. Jedenfalls ist es nicht richtig, wenn Schmid meint: „Von dieser Zeit an
scheint es allgemein Regel geworden zu sein, dem Altar Stufen beizufügen, mochte
der Oberchor wie immer erhöht sein16." Am wenigsten aber läßt sich das für den
Osten behaupten, wo noch im späteren Mittelalter der Altar mit Stufen nicht aus-
gestattet zu werden pflegte, ja selbst noch heute, im Gegensatz zur Gepflogenheit
des Abendlandes, Altarstufen am Altar anzubringen, nicht Sitte ist. Es sind sehr
seltene, nur ganz vereinzelt und fast nur in Kirchen der Unierten vorkommende
Ausnahmen, daß der Altar in den Riten des Ostens eine oder gar mehr als eine
Stufe zeigt.
Seit dem II. Jahrhundert werden Altarstufen allmählich immer
gewöhnlicher, im späten Mittelalter sind sie Regel. Ein Zeichen der Ver-
breitung, welche sie bereits im 12. und 13. Jahrhundert gefunden hatten,
ist der Umstand, daß die Liturgiker nunmehr auch sie in den Kreis
ihrer mystischen Deutungen hineinziehen, indem sie dieselben bald als
Sinnbilder der Apostel und Märtyrer bezeichnen, bald aber auf die Tugenden
auslegen, durch die wir zu Gott emporsteigen". Zahlreich sind auch die Bei-
spiele von Altarstufen auf den spätmittelalterlichen B i 1 d w e,r k e n , wie
denn auch in den Ritualien, Ordinarien und anderen liturgischen
Büchern des späteren Mittelalters oft von ihnen die Rede ist.
Übrigens bedarf es weder der Liturgiker, noch der Bildwerke, noch der litur-
gischen Bücher, um ein Bild von der weifen und raschen Verbreitung zu bekommen,
welche die Altarstufen in der zweiten Hälfte des Mittelalters gewannen. Viel
besser ersehen wir das aus der groflen Zahl von Beispielen, die sich an und mit
ihren Altären aus dem 11. und den folgenden Jahrhunderten erhalten haben. Aller-
dings gab es auch in dieser Zeit noch immer Altäre ohne Stufen. Am häufigsten
entbehrten ihrer die Nebenaltäre, welche in Kapeilen oder Nischen aufgestellt
waren, deren Fußboden um eine oder mehrere Stufen erhöht über dem Planum der
Kirche lag, indem diese Kapellen- oder Nischenstufen die Stufen des Altares ver-
daten. So verhält es sich z. B. mit den Altären der Kapellen des Chorumganges
der ehemaligen Zisterzienserkirche Veruela (Aragonien), den Altären in den
Kapellen des Langhauses von S. Francesco zu Assisi u. a. Im übrigen brachte man
für gewöhnlich selbst vor den Nebenaltären eine Stufe an, wenn auch dieselbe
11 De antiq. ConstanU t. 4 (Mg. 122, 1303): " Honorii August. Gemma animae 1. 1, c.
%<ä vijv wq£ y.Uvay.a h f, iorewra. d Ugslg 138 <M. 172, 587); Spcculum de myst. eccl. c. 1
* rö äonättoöai rf* äytav Ted.™Cav y.al avtn" <M- 177' 337>- Sicardi Mitralis I. I, e. 9 (M.
ö'oäoyvQov xezQvoa>nivijv eOT7jo?y. 213, 36).
" Der christl. Altar 74.
wie z. B. ein Ciborium, als nützlich oder nötig gefordert wurden. In den
christlichen Basiliken Afrikas hat man meines Wissens von Altarstufen in
unserem Sinne nichts gefunden. Man begnügte sich dort mit einer Erhöhung
des Altarraumes.
Im Osten hören wir einmal von Altarstufen. Wie eine anonyme, dem
11. Jahrhundert entstammende Schrift über die Altertümer Konstanlinopels erzählt,
versah Kaiser Justinian den von ihm in der Hagia Sophia errichteten Altar ringsum
mit Stufen aus vergoldetem Silber". Ist die Angabe zutreffend, so handelte es sich
bei jenen Stufen wohl nur um den Unterbau des Ciboriums, unter dem der Altar
aufgestellt war. Indessen ist der Anonymus angesichts der Übertreibungen und
fabelhaften Schilderungen, von denen seine Baugeschichfe und Beschreibung der
Hagia Sophia strotzt, nicht eben zuverlässig, zumal kein anderer, insbesondere auch
nicht Paulus Silentiarius, von den vergoldeten Silberstufen des Allares etwas
berichtet. Jedenfalls ist es nicht richtig, wenn Schmid meint: „Von dieser Zeit an
scheint es allgemein Regel geworden zu sein, dem Altar Stufen beizufügen, mochte
der Oberchor wie immer erhöht sein16." Am wenigsten aber läßt sich das für den
Osten behaupten, wo noch im späteren Mittelalter der Altar mit Stufen nicht aus-
gestattet zu werden pflegte, ja selbst noch heute, im Gegensatz zur Gepflogenheit
des Abendlandes, Altarstufen am Altar anzubringen, nicht Sitte ist. Es sind sehr
seltene, nur ganz vereinzelt und fast nur in Kirchen der Unierten vorkommende
Ausnahmen, daß der Altar in den Riten des Ostens eine oder gar mehr als eine
Stufe zeigt.
Seit dem II. Jahrhundert werden Altarstufen allmählich immer
gewöhnlicher, im späten Mittelalter sind sie Regel. Ein Zeichen der Ver-
breitung, welche sie bereits im 12. und 13. Jahrhundert gefunden hatten,
ist der Umstand, daß die Liturgiker nunmehr auch sie in den Kreis
ihrer mystischen Deutungen hineinziehen, indem sie dieselben bald als
Sinnbilder der Apostel und Märtyrer bezeichnen, bald aber auf die Tugenden
auslegen, durch die wir zu Gott emporsteigen". Zahlreich sind auch die Bei-
spiele von Altarstufen auf den spätmittelalterlichen B i 1 d w e,r k e n , wie
denn auch in den Ritualien, Ordinarien und anderen liturgischen
Büchern des späteren Mittelalters oft von ihnen die Rede ist.
Übrigens bedarf es weder der Liturgiker, noch der Bildwerke, noch der litur-
gischen Bücher, um ein Bild von der weifen und raschen Verbreitung zu bekommen,
welche die Altarstufen in der zweiten Hälfte des Mittelalters gewannen. Viel
besser ersehen wir das aus der groflen Zahl von Beispielen, die sich an und mit
ihren Altären aus dem 11. und den folgenden Jahrhunderten erhalten haben. Aller-
dings gab es auch in dieser Zeit noch immer Altäre ohne Stufen. Am häufigsten
entbehrten ihrer die Nebenaltäre, welche in Kapeilen oder Nischen aufgestellt
waren, deren Fußboden um eine oder mehrere Stufen erhöht über dem Planum der
Kirche lag, indem diese Kapellen- oder Nischenstufen die Stufen des Altares ver-
daten. So verhält es sich z. B. mit den Altären der Kapellen des Chorumganges
der ehemaligen Zisterzienserkirche Veruela (Aragonien), den Altären in den
Kapellen des Langhauses von S. Francesco zu Assisi u. a. Im übrigen brachte man
für gewöhnlich selbst vor den Nebenaltären eine Stufe an, wenn auch dieselbe
11 De antiq. ConstanU t. 4 (Mg. 122, 1303): " Honorii August. Gemma animae 1. 1, c.
%<ä vijv wq£ y.Uvay.a h f, iorewra. d Ugslg 138 <M. 172, 587); Spcculum de myst. eccl. c. 1
* rö äonättoöai rf* äytav Ted.™Cav y.al avtn" <M- 177' 337>- Sicardi Mitralis I. I, e. 9 (M.
ö'oäoyvQov xezQvoa>nivijv eOT7jo?y. 213, 36).
" Der christl. Altar 74.