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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0256

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240 Vierter Abschnitt. Das Altarciborium und der Altarbaldachin

Berninis Schöpfung in St. Peter wurde tonangebend. Namentlich entstanden
seit dem Ausgang des IS. Jahrhunderts jenseits wie diesseits der Alpen zahlreiche
Altarüberbauten, für welche sein Ciborium, dem man bei allen Mängeln eine groß-
artige Wirkung nicht absprechen kann, vorbildlich war. In Italien, wo der Barock
nie zu jenen Willkürlichkeiten und Regellosigkeiten fortschritt wie im Norden, hielt
man dabei am Berninischen Schema streng fest, ging nur in unwesentlichen Punkten,
wie der Form der Voluten, der Bildung der Profile, der Ornamentierung u. fi.,
eigene Wege und war namentlich wie Bernini darauf bedacht, dafi das Ciborium
dem beschauenden Auge nicht lediglich als Gerüst erschien. Es mag genügen, auf
das Ilochaltarciborium in S. Maria Maggiore und S. Croce zu Rom, beide aus der
Zeit Benedikts XIV. (1740—1758), das Ciborium des Hochaltares der Kathedrale
zu Narni von 1720 (Tafel 172), das Altarciborium in S. Angelo zu Perugia (18. Jahr-
hundert) und das Ilochaltarciborium im Dom zu A!ri (18. Jahrhundert) sowie an das
heule freilich abgebrochene, aber durch Abbildungen hinlänglich bekannte Hoch-
alt areibori um in S. Apollinare in Classe (1723) zu erinnern. Alle machen wie das
Ciborium in St. Peter zwar nicht mehr den Eindruck der mittelalterlichen Altar-
eiborien, aber ebensowenig den eines bloßen Gerüstes.

In Frankreich bergen Aitaroiboriea des Berninischen Typus von dem strengen
Aufbau und Charakter ihres Vorbildes beispielsweise die Kathedralen zu Sens und
Verdun sowie der Invalidendom zu Paris. In Deutschland begegnet uns ein
gutes Beispiel im Dom zu Gncsen. Es wurde 1681 errichtet, 1839 abgebrochen,
1866 aber wieder mit Recht aufgebaut und ist bis au! einige unbedeutende Einzel-
heiten eine genaue, wenn auch verkleinerte Nachbildung des Ciboriums in St. Peter1.

In Spanien fand ich zwei treffliche Bernmische Ciborien in der Kathedrale
zu Saragossa. Das eine steht in der Kapelle des hl. Jakobus, das andere in der des
hl. Petrus Arbuez. Sie zeigen wie das vorhin erwähnte Ciborium in der Kathedrale
zu Narni die Eigentümlichkeit, daß die auf ihnen angebrachten Voluten aus je drei
Einzelvoluten bestehen, die oben unter der Platte mit ihren Kopfenden zusammen-
stoßen, nach unten zu jedoch gabelförmig auseinandergehen, so daß zwar alle drei
an den Fußenden auf dem Gebälk des Ciboriums sitzen, aber nur die mittlere sich
unmittelbar über den Säulen von demselben aufschwingt, eine Einrichtung, durch
welcBe die Voluten wie an Masse und an Kraft so auch an Wirkung bedeutend
gewonnen haben. Die beiden mit prachtvollen Säulen aus poliertem schwarzen
Marmor ausgestanden Ciborien sind genaue Gegenstücke, die nur in geringfügigen
Punkten voneinander abweichen. So stehen bei dem erstgenannten Engelfiguren über
den Ecken, bei dem zwcilen die allegorischen Figuren des Glaubens, der Hoffnung,
der Liebe und der Religion; auf den Behängen sieht man als Ornament bei jenem
Engclsköpfchcn, bei diesem En geisköpf che n im Wechsel mit dem Lamm Gottes. Ein
anderes Beispiel fand ich in der Kathedrale zu Huesca. Abgebrochen wurde in
jüngster Zeil das gleichfalls den strengeren Berninischen Typus vertretende Ciborium
des Vierungsaltares der profanierten Hieronymitenldrche bei Gandia, deren Inneres
mit einer solchen Fülle vorzüglichsten barocken Stuckornamentes bedeckt war, daß
sie in Spanien nur sehr wenige ihresgleichen gehabt haben dürfte7.

Indessen blieb man außerhalb Italiens nicht bei dem strengen Typus Berninis
stehen. Die Ideen, welche hier seit Ausgang des 17. Jahrhunderts die weiteren
Geschicke der Architektur im allgemeinen und des Altarbaues im besonderen be-

s Eine gute Wiedergabe dieses Entwurfes Sockel ein den Raum zwischen den Säulen-

bei Ph. Bonanni, Nnjmlgfflata sum. Ponlif. templi köpfen ausfüllender Baldacliin herabhängt.
VaflCani fahr, indicantia (Romae 1696) tab. 50. . ... . „., . _, _, „„„ oP,

~ , _ , ...... ..... \._ , . y , .. e Abb. in Kd. der Provinz Posen, Reg.-ßpz.

l.i- slnmmt von 1626. Die Säulen sind auf ihm

kreuzweise durch rundbogige, krabbenartig mit

•8; vgl. S. i

Blättern besetzte Gurte verbunden. Auf den ' Nach einer Mitteilung aus Gandfa ist heut«

Gebulkstücken der Säulen steten Engel, über leider aller Stuck heruntergeschlagen, so dau

dem Kreuzungspunkt der Bogen erhebt sich das einst so überprächtige Innere jetzt nur

eine Statue des Auferstandenen, von deren mehr seine kahlen Mauern zeigt.
 
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